Knapp anderthalb Wochen vor dem russischen Angriff auf die Ukraine wandte sich Mike Henry, der Chef der BHP Group, in einer Videobotschaft an die Aktionäre. Der Anlass war erfreulich, die Stimmung positiv: Der weltgrößte Bergbaukonzern hatte nach dem ersten Halbjahr starke Ergebnisse vorzuweisen. Der operative Gewinn (Ebitda) war um ein Drittel auf 18,5 Milliarden Dollar gestiegen. Man habe gezeigt, dass man mit den Angestellten, dem Portfolio und der Strategie des Konzerns auf Jahrzehnte hinaus Wert schaffen könne, betonte Vorstandschef Henry gut gelaunt.

Heute würde die Botschaft angesichts der weltpolitischen Lage vermutlich etwas dezenter formuliert werden. Die grundlegende wirtschaftliche Lage aber hat sich für BHP eher verbessert: Die Rohstoffpreise sind gestiegen. Eisenerz, das mit Abstand wichtigste Produkt für die Bilanz des australisch-britischen Riesen, hat sich innerhalb von anderthalb Wochen um mehr als zehn Prozent verteuert. Der Krieg verlängere die Preiserholung bei Rohstoffen nach der Pandemie, so die Analysten der Citi.

Für Börsianer sind Bergbaukonzerne so etwas wie der Fels in der Krise. Die Aktie der BHP Group hat seit Kriegsbeginn rund zehn Prozent an Wert gewonnen. Der mit Aktien aus dem europäischen Rohstoffsektor bestückte Index Stoxx Europe 600 Basic Resources legte immerhin knapp vier Prozent zu.

Anleger profitieren bei den Bergbauriesen nicht nur über steigende Aktienkurse: Auch die Dividenden sind kräftig gewachsen. Da die Verschuldung bei BHP an den unteren Rand der angestrebten Spanne gesunken ist, schüttete der Konzern besonders großzügig aus. 18,8 Milliarden Dollar gingen allein im Kalenderjahr 2021 als Dividende an die Aktionäre. Damit war BHP nach Berechnung der Vermögensverwaltung Janus Henderson der größte Dividendenzahler der Welt und lag sogar vor den finanzstarken Tech-Riesen Microsoft und Apple sowie dem Öltitan ExxonMobil.

Das Geld sprudelt auch bei der direkten Konkurrenz: Vier der zehn größten Dividendenzahler der Welt kamen im vergangenen Jahr aus der Bergbaubranche. Nach BHP sind das Rio Tinto, Vale und Fortescue Metals Group. Insgesamt hat das Quartett fast 60 Milliarden Dollar ausgeschüttet. Entsprechend hoch sind die Dividendenrenditen dieser Aktien. Aktuell werfen die vier Riesen laut der vom Datendienst Bloomberg ermittelten Konsensschätzung für das Geschäftsjahr 2023 im Schnitt mehr als sieben Prozent ab.

Die Spendierfreude der Bergbaukonzerne verdeutlicht den neuen Kurs der Branche: In früheren Zyklen hatten sich die Riesen in Boomphasen oft ohne Rücksicht auf Bewertungskennziffern in Übernahmen gestürzt, die die hohen Kaufpreise letztlich nicht rechtfertigen konnten. Wie die 38 Milliarden Dollar teure Übernahme des kanadischen Aluminiumherstellers Alcan durch Rio Tinto im Jahr 2007.

BHP hat Gerüchten zufolge zuletzt zwar auch große Übernahmen durchgerechnet. Angesichts der starken Kurssteigerungen bei Wettbewerbern wie Glencore oder Freeport aber würde ein solches Geschäft an der Börse wohl nicht gut ankommen. Im Trend sind eher kleine Transaktionen. So hat sich BHP im Januar für die vergleichsweise unspektakuläre Summe von 40 Millionen Dollar an einem Nickelprojekt in Tansania beteiligt. BHP ist trotz der hohen Abhängigkeit vom Eisenerz bereits einer der größten Kupferproduzenten. Auch Nickel gehört zum Portfolio. Abnehmer ist dabei unter anderem der Elektroautohersteller Tesla.

Neue Projekte

Die Portfolioerweiterung hat System: Die Konzerne stehen unter Druck von Investoren und Politik, ihr Geschäftsmodell stärker auf umweltfreundliche Bereiche auszurichten. BHP hat bereits das Öl- und Gasgeschäft an den australischen Energiekonzern Woodside verkauft. Im Gegenzug erhielt BHP Aktien, die an die eigenen Aktionäre verteilt werden. Zusätzlich gab Chef Henry grünes Licht für ein neues Projekt in Kanada: 5,7 Milliarden Dollar investiert BHP dort in die Produktion von Düngemittel. Die Nachfrage nach diesem Produkt dürfte bei einer wachsenden Weltbevölkerung und einer durch den Klimawandel schrumpfenden Anbaufläche langfristig zunehmen. Zudem ist der Markt nicht so zyklisch wie das von starken Preisschwankungen gezeichnete Kerngeschäft.

Ähnlich ist die Lage beim Erzrivalen Rio Tinto. Auch bei der Nummer 2 unter den Bergbaukonzernen ist Eisenerz der mit Abstand wichtigste Gewinnbringer und damit Kurstreiber. In dem vor allem durch die Nachfrage aus China angefeuerten Rohstoffboom profitiert aber das Aluminiumgeschäft. Im Jahr 2021 steigerte der Konzern den operativen Gewinn (Ebitda) um 58 Prozent auf 37,7 Milliarden Dollar. Insgesamt 16,8 Milliarden Dollar gingen als Dividende direkt auf die Konten der Aktionäre.

Man verfüge über ein gut positioniertes Portfolio und strebe "disziplinierte Investitionen in Rohstoffe an, die in den kommenden Jahrzehnten eine starke Nachfrage erfahren werden", betont Konzernchef Jakob Stausholm. Auch bei Rio Tinto ist Nachhaltigkeit ein brennendes Thema: 7,5 Milliarden Dollar sind eingeplant, um das Portfolio umweltfreundlicher zu machen. Gestärkt werden soll insbesondere das Geschäft mit Rohstoffen, die von der Entwicklung umweltschonender Energie profitieren, also Kupfer oder auch Lithium.

Kosten steigen

Auch wenn der Krieg in der Ukraine die Schlagzeilen dominiert: Vor allem beim Eisenerz ist die wirtschaftliche Entwicklung in China der mittel- und langfristig wichtigere Faktor. Bislang ist die Erwartung, dass sich die Preise bald normalisieren. Die Stahlproduktion in China habe ihren Höhepunkt wohl erreicht, kalkulieren Analysten. Zudem werde auch in dem noch immer boomenden Riesenreich stärker recycelt. Gleichzeitig steigen im operativen Geschäft die eigenen Kosten, etwa für Treibstoff, Logistik oder auch Personal. So kalkuliert Rio Tinto, dass die Kosten seiner Mine im australischen Pilbara dieses Jahr um bis zu 13 Prozent steigen. Zudem kündigte Rio Tinto an, sich aus Russland zurückzuziehen.

Der Dividendenrekord der Bergbaukonzerne aus dem Jahr 2021 wird damit womöglich nicht zu wiederholen sein. Die Ausschüttung des stark zyklischen Sektors werde zu einem normalen Niveau zurückkehren, wenn der Rohstoffzyklus dreht, gibt Janus Henderson zu bedenken. Das deckt sich mit der Konsensschätzung der Analysten. Je stärker aber die Rohstoffpreise jetzt steigen, desto größer wird die Chance auf eine aus Sicht der Unternehmen und Aktionäre positive Überraschung.

Auf dem aktuellen Niveau liegen die Dividendenrenditen der Bergbauriesen deutlich über denen des breiten Aktienmarkts. Und Bargeldausschüttungen sind besonders in Krisenzeiten eine willkommene Ablenkung.
 


INVESTOR-INFO

BHP Group

Neue Richtung

Kupfer, Nickel und Kali sollten bei BHP in Zukunft eine größere Rolle spielen. Zuletzt war Eisenerz mit einem Anteil am Ebitda von rund 60 Prozent wichtigstes Produkt des australischen Bergbauriesen. Knapp ein Viertel wurde mit Kupfer erzielt. Analysten erwarten, dass das Ebitda in den Geschäftsjahren 2023 und 2024 insgesamt um rund 30 Prozent sinkt. Das zeigt den zyklischen Charakter der Branche, bietet aber auch die Chance auf positive Überraschungen.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 36,00 Euro
Stoppkurs: 23,00 Euro

Rio Tinto

Stark beim Eisenerz

Rio Tinto ist stärker als BHP auf Eisenerz ausgerichtet. Zweitgrößter Posten in der Bilanz ist Aluminium mit rund elf Prozent, Kupfer folgt knapp dahinter. Analysten erwarten, dass der operative Gewinn nach dem Höhepunkt im Jahr 2021 deutlich sinken wird, was auch auf die Dividende durchschlagen würde. Der Produktmix bei Rio Tinto ist weniger attraktiv als bei BHP, die Dividendenrendite dafür etwas höher. Langfristig hat die Aktie dank moderater Bewertung weiter Potenzial.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 77,00 Euro
Stoppkurs: 51,00 Euro

Europäische Rohstoffaktien

Riesen im Paket

Ein breites Portfolio senkt die Risiken, auch bei Rohstoffaktien. Im Aktienindex Stoxx Europe 600 Basic Resources ist Rio Tinto vor dem Rivalen Anglo American und dem Rohstoffhändler Glencore die klar größte Position. Ergänzungen sind der Papierhersteller UPM-Kymmene oder auch der Stahlkonzern Arcelormittal. Investieren können Anleger in den Index über ETFs u. a. von iShares. Die Ausschüttungsrendite lag nach Angaben des Anbieters zuletzt bei 5,8 Prozent. Ausgezahlt wird vierteljährlich.