Stick rein, App auswählen, und los geht’s. Immer mehr Zuschauer ziehen sich Filme und Serien über das Internet auf den Fernseher. Smarte Geräte haben einige Kanäle bereits vorinstalliert, bei älteren steckt man einen Stick hinein oder schließt eine kleine Box an. Dass immer mehr Nutzer die Möglichkeit haben, Blockbuster anzuschauen oder Spiele zu zocken, dafür sorgen Konzerne wie Amazon, Google oder Apple. An der Spitze jedoch steht ein deutlich kleineres Unternehmen, von dem die meisten wahrscheinlich noch nie etwas gehört haben.

Marktführer und Pionier für Streamingsticks in den USA ist die Firma Roku. Diesem Unternehmen ist es zu verdanken, dass Netflix überhaupt erst Verbreitung fand. Auch hinter dem neuen Stick von Sky steht Roku. Seit 2008 bietet das Unternehmen sogenannte Set-Top-Boxen an. Gegründet wurde es 2002 von CEO und Milliardär Anthony Wood. 2017 feierten die Kalifornier einen fulminanten Börsenstart. Innerhalb von zwei Tagen verdoppelte sich der Kurs nahezu. In der Spitze kletterte er um das Fünffache des Ausgabepreises von 14 Dollar. Der Titel gehörte zu den erfolgreichsten Neuemissionen in den USA im vergangenen Jahr. Zwischenzeitlich erreichte der Konzern eine Marktkapitalisierung von acht Milliarden Dollar. Und das bei einem prognostizierten Umsatz für 2018 von 720 Millionen Euro.

Warum Roku nicht zu teuer ist



Für einige Marktteilnehmer ist der Technologietitel deutlich zu hoch bewertet. Die Argumente klingen zunächst plausibel: Die Konkurrenz sei zu stark, 2018 werde es noch keine schwarzen Zahlen geben, und durch den Verkauf von Hardware wüchsen die Margen nicht in den Himmel. Das zeitweilige Kursplus von 400 Prozent sei weit über dem Zuwachs des Umsatzes und der Nutzerzahlen. Dennoch: Viele Argumente, die gegen einen Kauf der Aktie sprechen, lassen sich entkräften. Zunächst einmal beschränkt sich das Geschäftsmodell längst nicht mehr auf die Hardware. Denn mit ihr lässt sich tatsächlich kein Geld verdienen. Dennoch ist sie immens wichtig.

Mit Kampfpreisen drückt Roku seinen Stick in den Markt, um das Geschäft zu skalieren und schnellstmöglich Kunden zu gewinnen. Die Gründe sind profan: Die Zeit drängt, aktuell wird der Markt aufgeteilt. Die Masse wechselt vom linearen zum internetbasierten Fernsehen. Hat ein Anbieter erst mal Kunden gewonnen, bleiben diese meist treu.

Roku gelingt das gut: In den USA nutzen derzeit rund 90 Millionen Haushalte internetfähige Fernseher. Die Kalifornier haben 22 Millionen aktive Nutzer, die meisten im Inland. Der durchschnittliche Kunden- umsatz kletterte 2017 um 44 Prozent - etwa in gleicher Zahl wie die Höhe der Nutzer. Ein Plus ist die Partnerschaft mit Herstellern von Fernsehern wie die chinesischen Anbieter TCL oder Hisense. Der weltweit drittgrößte Verkäufer TCL hat die Plattform von Roku installiert. Auf jedem vierten in den USA ausgelieferten Gerät findet man sie. Damit können Tausende von Kanälen, teilweise kostenfrei, gestreamt werden.

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Pionier für werbefinanziertes Streamen

Auch hier ist Roku Vorreiter: Werbefinanziertes, abofreies Nutzen kannte man bislang nur von Musikstreamern wie Spotify. Dabei ergibt diese Strategie Sinn. Allein dieses Jahr geben Werbetreibende 65 Milliarden Dollar über TV-Kanäle aus. Klar ist: Je weniger Menschen klassisch fernsehen, desto uninteressanter wird dieser Kanal für Werbung. Das gilt umgekehrt für digitales Fernsehen. Und davon profitiert Roku.

Wie gut das gelingt, zeigen die Zahlen fürs zweite Quartal: Der Umsatz kletterte um 57 Prozent auf 157 Millionen Dollar. Vor allem das Plattformgeschäft wuchs rasant. Es legte um 96 Prozent zu, während der Hardwareanteil nur um 24 Prozent stieg. Zudem gelang Roku zumindest auf Basis des operativen Geschäfts der Sprung im die schwarzen Zahlen. Wobei hier nicht der Fokus liegt. Aktuell gilt es, das Geschäft zu skalieren und weitere Marktanteile zu gewinnen. Experten gehen davon, dass Roku langfristig Bruttomargen von 50 Prozent und mehr erreichen kann.

Doch der Erfolg lockt die Konkurrenz. So könnte Amazon über die Tochter IMDb (Internet Movie Database) mit der größten Filmdatenbank der Welt künftig auch kostenfrei und werbefinanziert Inhalte vertreiben. Aber der Dienst soll auf den hauseigenen Geräten wie dem Fire TV laufen. Noch dementiert Amazon, aber der Markteintritt ist wahrscheinlich. Das bedeutet für Roku zunächst mal mehr Wettbewerb und könnte auch andere Unternehmen anziehen. Es macht Roku allerdings auch zu einem Übernahmekandidaten.

Klar, der Titel ist hoch bewertet, doch Qualität hat ihren Preis. Roku ist bestens positioniert und auch gegen die scheinbar übermächtige Konkurrenz gewappnet. Zudem konzentriert sich das Unternehmen ausschließlich auf das TV-Geschäft, während Amazon, Google oder Apple viele andere Baustellen haben. Den aktuellen Kursrücksetzer nutzen risikofreudige Anleger, um erste Positionen aufzubauen. Stoppkurs beachten.