Ende Juli sollen Investoren konkret über die Umsatz- und Ergebnisentwicklung bei Shell informiert werden. Am heutigen Dienstag lieferte das Unternehmen ein erstes Update. Und dieses fiel angesichts der Turbulenzen an den Energiemärkten alles andere als vielversprechend aus. Das Management rechnet für die Monate April bis Juni mit einem Umsatzeinbruch um 40 Prozent, was natürlich vor allem auf die corona-bedingten Reiseeinschränkungen und Lock-downs in wichtigen Volkswirtschaften zurückzuführen war. Für das laufende Geschäftsjahr reduzierten die Manager zudem ihre Prognosen bezüglich des durchschnittlichen Preises für Brent-Rohöl auf 35 Dollar (bisher: 60 Dollar). Auch für 2021 und 2022 wurden die Schätzungen auf 40 bzw. 50 Dollar gesenkt.

Im Zuge dieser Entwicklung drohen dem Ölwert in Q2 Wertberichtigungen in Höhe von 15 bis 22 Milliarden Dollar. Zwischen acht und neun Milliarden Dollar könnten im Gassektor anfallen, vier bis sechs Milliarden drohen im Upstream-Marktsegment und bei Ölprodukten könnte sich der Wertberichtigungsbedarf auf drei bis sieben Milliarden Dollar belaufen. Auch bei den Raffineriemargen befürchtet die Gesellschaft auf lange Sicht einen markanten Rückgang. Im Raum steht hier ein Margenrückgang um 30 Prozent. Für Ende des Jahres wurde bereits ein massiver Umbau der Konzernstruktur angekündigt, der auch massive Stellenstreichungen beinhalten dürfte. Angesichts all dieser Hiobsbotschaften, zeigte sich die Shell-Aktie in den vergangenen drei Monaten durch eine relativ robuste Tendenz.

Unter den Analysten (Quelle: FactSet-Research) gab es corona-bedingt zwar eine wachsende Skepsis gegenüber dem Titel zu beobachten, von einem starken Trendwechsel ins Negative kann aber keineswegs gesprochen werden. Innerhalb von drei Monaten wurden die Gewinne für Q2 zwar von plus 0,32 auf minus 0,30 Dollar pro Aktie nach unten revidiert, bei den Ratings gab es hingegen keine sonderlich beängstigende Entwicklung zu vermelden. Die Zahl der positiven Analystenurteile (Buy, Overweight) sank innerhalb dieses Zeitraums von 17 auf 12, während bei den neutralen Ratings (Hold) ein Anstieg von 12 auf 18 verzeichnet worden war. Besonders interessant: Negative Einschätzungen (Underweight, Sell) gab es keine. Eine signifikante Verunsicherung kann man aber beim Blick auf die prognostizierten Kursziele ausmachen, schließlich reicht deren Bandbreite aktuell von 25,46 bis 53,01 Dollar, was zu einem Mittelwert von 38,87 Dollar (ADRs aktuell: 33,44 Dollar) führt.

Charttechnik: Unterstützung in Gefahr


Unter charttechnischen Aspekten steigt bei der Aktie von Royal Dutch Shell die Spannung, da sich der Ölwert mittlerweile auf Tuchfühlung mit einer bei 14 Euro verlaufenden wichtigen Unterstützungszone befindet. Sollte diese Marke verletzt werden, droht ein Kursrutsch in Richtung des Jahrestiefs von knapp elf Euro. Noch tiefer notierte die Aktie letztmals vor über 25 Jahren. Dass derzeit vor allem ein negatives Marktsentiment dominiert, lässt sich vor allem an der langfristigen 200-Tage-Linie ablesen. Diese Durchschnittslinie fungiert als Trendindikator und befindet sich derzeit auf einer steilen Talfahrt ohne Aussicht auf einen Richtungswechsel nach oben. Höchste Priorität hat gegenwärtig eine erfolgreiche Bodenbildung auf dem reduzierten Kursniveau. Sollten allerdings die charttechnischen Hürden bei 17 Euro überwunden und die oberhalb von 21 Dollar verlaufende 200-Tage-Linie nachhaltig "geknackt" werden, entstünde dadurch ein klares charttechnisches Kaufsignal. Mit einem baldigen Ausbruch in diesen Bereich ist jedoch nicht zu rechnen. Ein Investment in die Aktie von Royal Dutch Shell mutet ein bisschen wie eine Wette auf die Weltkonjunktur an und zeichnet sich somit durch ein hohes Maß an Unsicherheit aus.