Notenbankchefin Elwira Nabiullina versicherte am Dienstag, sich im Schulterschluss mit der Regierung gegen eine weitere Rubel-Talfahrt zu stemmen. Trotz milliardenschwerer Interventionen der Notenbank hat die Landeswährung dieses Jahr bereits 50 Prozent an Wert zum Dollar verloren. Im Kampf gegen die rasante Kapitalflucht aus dem Land hob die Zentralbank über Nacht überraschend den Leitzins von 10,5 auf 17 Prozent an. Die höheren Zinsen sollen Anlagen in Rubel attraktiver machen und Kapital im Land halten. Das von westlichen Sanktionen und Ölpreis-Verfall gebeutelte Russland konnte damit den Verfall der Währung jedoch nicht stoppen.
Nach der Zinserhöhung erholte sich der Rubel-Kurs zunächst, sackte im Laufe des Vormittags aber wieder ab auf ein neues Tief zum Dollar. Das Land wird nun voraussichtlich seine Devisenreserven zur Stabilisierung der Währung zusehends aufbrauchen. Daher werden bereits Stimmen laut, die vor Parallelen mit der Rubel-Krise von 1998 warnen: Damals war Russland zahlungsunfähig und konnte nur mit Milliardenhilfen von IWF und Weltbank über Wasser gehalten werden. "Die Zentralbank wird es sehr schwer haben, den Rubel zu stabilisieren, solange der Ölpreisverfall anhält", sagte Ökonom Wladimir Miklaschewsky von der Danske Bank. Die Talfahrt der russischen Währung hatte sich schon am Montag aus Furcht vor einer Verschärfung von Sanktionen im Zuge der Ukraine-Krise und wegen des weiteren Ölpreis-Verfalls beschleunigt. Analysten sprachen von Panik.
Die Notenbank nimmt mit ihrer jüngsten Zinserhöhung zugleich in Kauf, die drohende Rezession noch zu verschlimmern. Denn hohe Zinsen machen Kredite teuer und bremsen so die Wirtschaft. Zugleich macht dem Rohstoffriesen der Verfall des in Dollar abgerechneten Ölpreises zu schaffen, mit dem immer weniger Devisen ins Land kommen. Der Preis für das Nordseeöl Brent rutschte erstmals seit Juli 2009 unter die Marke von 60 Dollar je Fass. Es verbilligt sich um 4,2 Prozent auf 58,50 Dollar je Barrel (159 Liter) und kostet damit so wenig wie zuletzt im Mai 2009. Seit Sommer sind die Ölpreise um fast 50 Prozent eingebrochen.
Die Unternehmen profitieren wegen der westlichen Sanktionen zugleich nur begrenzt von der Abwertung der heimischen Währung. Franz Wenzel, Chef-Anlagestratege von Axa Investment Managers, rechnet trotz der jüngsten Zinserhöhungen nicht mit einer deutlichen Erholung des Rubel. Schließlich werde die russische Wirtschaft 2015 voraussichtlich um zwei bis drei Prozent schrumpfen.
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NOTENBANKEN: FIRMEN KÖNNEN AUSLANDSSCHULDEN ZAHLEN
Russische Banken haben zugleich wegen der westlichen Sanktionen im Zug der Ukraine-Krise Mühe, genügend Devisen aufzutreiben, um ihre Dollar-Schulden zu begleichen. Ausländische Investoren wiederum halten sich zurück, weil die Entwicklung der Lage unklar ist. Nabiullina trat in dem Interview des Senders Rossija-24 Befürchtungen entgegen, die russischen Firmen könnten ihre Schulden im Ausland nicht mehr begleichen. An den Finanzmärkten wächst zugleich die Nervosität. Die Absicherung eines zehn Millionen Dollar schweren Pakets russischer Anleihen gegen Zahlungsausfall verteuerte sich am Dienstag um 34.000 auf 581.000 Dollar, wie der Datenanbieter Markit mitteilte. Das sei der höchste Stand seit fünfeinhalb Jahren.
Die formal unabhängige Zentralbank hatte vor einigen Wochen ihre Strategie im Kampf gegen den Verfall der Landeswährung geändert und den Wechselkurs freigegeben. Sie beendete die zuletzt gängige Praxis, Rubel-Ankäufe zur Stützung der Währung auf täglich 350 Millionen Dollar zu begrenzen. Stattdessen kündigte sie an, bei Bedarf jederzeit und in ausreichendem Umfang mit Interventionen auf spekulative Kursbewegungen zu reagieren.
Doch diese Strategie, die Präsident Wladimir Putin als Kampf gegen Spekulanten bezeichnet, lässt die Devisenreserven von nunmehr noch geschätzten 400 Milliarden Dollar massiv schmelzen. Die Notenbank hat 2014 bereits mehr als 75 Milliarden Dollar zur Stabilisierung des Rubel ausgegeben. Dies wird laut Experten jedoch bei weitem nicht ausreichen: "Wenn die Zinserhöhung die Märkte nicht beeindruckt, bleibt der Notenbank nur noch die Möglichkeit, mit zehn Milliarden Dollar pro Tag am Markt zu intervenieren", prophezeit Ökonomin Natalia Orlova.
Reuters