Um das Führungsvakuum zu füllen, beförderte das Schweizer Institut über das Wochenende eilig Verwaltungsrat Axel Lehmann zum neuen Präsidenten. "Ich glaube jetzt ist es wichtig, dass wir ein wenig Ruhe in die Organisation reinbringen", sagte der Schweizer in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters.
Genau mit diesem Anspruch war auch schon Horta-Osorio angetreten, als er Ende April das Steuer bei der durch eine Spitzelaffäre und die Greensill- und Archegos-Flops geplagte Credit Suisse übernahm. Doch nach einer internen Untersuchung seines Verhaltens in der Corona-Pandemie musste der Portugiese seine Mission abbrechen. "Ich bedauere, dass einige meiner persönlichen Handlungen zu Schwierigkeiten für die Bank geführt und meine Fähigkeit beeinträchtigt haben, diese nach innen und außen zu vertreten", erklärte er in einer Mitteilung. "Ich bin daher zur Auffassung gelangt, dass mein Rücktritt zu diesem Zeitpunkt im Interesse der Bank und ihrer Stakeholder ist." Horta-Osorio gehört damit neben dem britischen Premierminister Boris Johnson und Tennis-Star Novak Djokovic zu einer länger werdenden Reihe von Prominenten, die sich wegen ihres Umgangs mit Corona-Regeln rechtfertigen müssen.
"KURZE FUßNOTE IN DER LANGEN GESCHICHTE"
Horta-Osorio hatte am 1. Dezember gegen Schweizer Quarantänebestimmungen verstoßen, in dem er das Land zu früh verließ. Dafür entschuldigte er sich öffentlich. Ende Dezember berichtete Reuters dann, dass der Manager einer internen Untersuchung der Rechtsabteilung zufolge im Juli bei einer Reise nach England zum Wimbledon-Endspiel britische Covid-Regeln missachtet hatte. Dabei hatte der ehemaligen Chef der britischen Großbank Lloyds stets betont, dass die Unternehmenskultur in der skandalgeplagten Credit Suisse reformiert werden müsse, ausgerichtet auf Verantwortung und Rechenschaftspflicht. Die Turbulenzen an der Spitze der Bank wirken auch auf die Belegschaft demoralisierend: "Was für eine Verschwendung, und wieder einmal geraten wir aus dem falschen Grund in die Schlagzeilen", sagte ein leitender Private Banker.
"Wenn Führungskräfte nicht vorbildhaft auftreten, dann ist das der Kultur des Unternehmens nicht zuträglich", bewertete Johannes Böhm, Nachhaltigkeits-Analyst der Fondsgesellschaft Union Investment, die Vorgänge bei der Credit Suisse. "Und wir glauben, dass eine gute Kultur zu einer guten Performance beiträgt." Am Montag verloren die Aktien, die im letzten Jahr 22 Prozent einbüssten, weitere zwei Prozent. "Letztendlich wird die Zeit von Herrn Horta-Osorio als Verwaltungsratschef als kurze Fußnote in die lange Geschichte der Credit Suisse eingehen", erklärten die Citi-Analysten. "Doch mit seinem Abgang fehlt es der Credit Suisse an starken Persönlichkeiten an der Spitze, und es werden sich wahrscheinlich Fragen zur Führung stellen."
LEHMANN RECHNET MIT ERHOLUNG VON REPUTATION UND KURS
Credit Suisse taumelt seit Jahren von Krise zu Krise. In weniger als zwei Jahren kommt die Bank auf drei Verwaltungsrats-Präsidenten und zwei Konzernchefs. 2020 wurde Thomas Gottstein CEO, nachdem sein Vorgänger Tidjane Thiam im Nachgang zur Überwachung eines anderen Top Managers seinen Hut nehmen musste. Im Frühjahr 2021 erschütterte dann das milliardenschwere Doppel-Debakel rund um den Hedgefonds Archegos und die Greensill-Fonds das Institut. Im November legte Horta-Osorio seinen Marschplan für die Bank vor, der unter anderem eine weitere Schrumpfkur für das risikoreiche Investmentbanking umfasste. Horta-Osorio griff bei der Führung des Instituts in einem für einen Präsidenten ungewöhnlichen Ausmaß auch in das Tagesgeschäft der Bank ein. Insidern zufolge kam es dabei zu Konflikten mit dem Management.
Lehmann will am bestehenden Kurs festhalten. "Es gibt keine Strategie-Diskussion, es geht um die Umsetzung", sagte der 62-jährige zu Reuters. Die zweitgrößte Schweizer Bank werde sich auf die Vermögensverwaltung sowie das Geschäft im Heimmarkt konzentrieren und Kapital aus der Investmentbank abziehen. Credit Suisse plane auch keine größeren Veränderungen im Management. Thomas Gottstein bleibe Konzernchef. "Er ist zentral, dass wir die Transformation zusammen weiterführen können", sagte Lehmann. Der Risiko-Experte war erst im Oktober in den Credit-Suisse-Verwaltungsrat gewählt worden. Davor war er jahrelang Spitzenmanager beim Rivalen UBS gewesen und davor beim Versicherer Zurich. Die Citi-Analysten erwarten, dass sich der Schweizer weniger in das Tagesgeschäft einbringen wird als Horta-Osorio. Die Umsetzung der Strategie werde Zeit brauchen, sagte Lehmann. "Und dann wird über die Zeit sicherlich auch eine Erholung in allen Dimensionen - Reputation, aber sicher auch in der Bewertung der Firma - stattfinden."
rtr