Das geplante Importverbot der EU-Kommission für Öl-Einfuhren aus Russland wird von der deutschen Wirtschaft nur zähneknirschend mitgetragen. Wirtschaftsverbände wie der BDI bezeichneten den bis Jahresende geplanten Stopp der Ölimporte als "äußerst drastischen Schritt".
Der Chemieindustrie-Verband VCI wird deutlicher. Die Öl-Versorgung der VCI-Mitgliedsunternehmen sei zwar durch andere Anbieter weitgehend gesichert, man sorge sich aber wegen der zu erwartenden weiteren Preisanstiege bei Rohöl und anderen Rohstoffen. "Die Wettbewerbsfähigkeit der Branche wird mehr und mehr belastet", sagt VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup.
Der Vorstandschef des Stahlhändlers Klöckner & Co, Guido Kerkhoff, äußerte sich ähnlich. Er befürchte zwar noch keine Versorgungsengpässe, rechne jedoch mit weiteren Preissteigerungen. "Ein Ölembargo an sich ist verkraftbar. Es wird aber durch die Kette zu höheren Energiekosten führen." KlöCo versuche, durch eine bessere Lagerhaltung und eine bessere Auslastung der Lkw gegenzusteuern, sagte Kerkhoff.
Von dem möglichen Ölembargo wären neben der energieintensiven Industrie insbesondere auch Logistikunternehmen betroffen. Bevor das Embargo umgesetzt werden kann, müssen die 27 Mitgliedstaaten dem Vorschlag der EU-Kommission allerdings noch zustimmen. Vor allem Ungarn und die Slowakei gelten als Wackelkandidaten. Sie sollen aber durch eine Ausnahmeregelung Öl bis Ende 2023 beziehen können.
Ringen um Schwedt
Deutschland hat das Ölembargo nach anfänglichem Zögern zuletzt unterstützt. Hintergrund ist, dass die Abhängigkeit von russischen Importen offenbar schneller als vermutet von einst 35 Prozent der gesamten Ölimporte gesunken ist. Wirtschaftsminister Robert Habeck zufolge sind es derzeit noch etwa zwölf Prozent, die im Wesentlichen auf die PCK-Raffinerie Schwedt an der Oder entfallen, die vom russischen Rosneft- Konzern kontrolliert wird und die ihr Öl nahezu vollständig aus Russland bezieht. Da Rosneft bei einem Embargo wohl kaum auf Öllieferungen aus den USA oder England umstellen wird, müsste der Weiterbetrieb möglicherweise sogar über eine Enteignung und Verstaatlichung der Raffinerie sichergestellt werden, um die Versorgung von Berlin und den neuen Bundesländern sicherzustellen.
Das Bundeswirtschaftsministerium arbeitet nach eigenen Angaben derzeit an unterschiedlichen Szenarien - von einer sogenannten "technischen Insolvenz" über ein Treuhändermodell bis hin zu einem Verkauf der Raffinerie - den Wirtschaftsminister Robert Habeck favorisieren soll. So hat der österreichische Energiehändler Alcmene Interesse "als langfristiger Investor" signalisiert. Alcmene wiederum gehört zu einer britischen Energieholding. Der PCK-Minderheitsaktionär Shell dagegen, dessen Name auch als möglicher Retter fiel, will sich aus diesem Engagement zurückziehen.
Unerwünschte Effekte
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm warnt unterdessen vor negativen Folgen der geplanten EU-Ölsanktionen gegen Russland. "Die Ankündigung eines Ölembargos dürfte den Ölpreis weiter in die Höhe treiben", sagt Grimm der Funke Mediengruppe. "Das beeinträchtigt die Wirtschaftsentwicklung und dürfte die Erholung der Wirtschaft in der EU weiter einbremsen." Wie stark der Preisanstieg ausfallen werde, hänge davon ab, ob Russland sein Öl an andere Abnehmer weltweit verkaufen könne.
Der geplante Importstopp erst in sechs Monaten habe "auch unerwünschte Effekte", mahnt Grimm. Die Ankündigung dürfte die Preise in dem Zeitraum in die Höhe treiben, in dem auch Deutschland noch russisches Öl beziehe. "Dadurch realisiert Russland höhere Einnahmen - gerade das möchte man aber in der kurzen Frist verhindern."