Die russische Regierung hat in einem historisch einmaligen Vorgang tatsächlich 360 Passagierflugzeuge neu registrieren lassen. Einer veröffentlichten Studie des britische Luftfahrt-Beratungsunternehmens IBA zufolge, wurden zwischen März und April 360 Flugzeuge der Hersteller Airbus, Boeing und weiterer neu registriert. Laut der Studie handelt es sich bei 171 der Neuregistrierungen um Maschinen von nicht-russischen Leasinggebern.
Aufgrund der umfangreichen Sanktionen dürfen derzeit keine Jets oder Flugzeug-Ersatzteile an Russland ausgeliefert werden. Die Flugzeuge wurden von den russischen Behörden nun kurzerhand ein zweites Mal registriert - ein klarer Verstoß gegen die Regeln des internationalen Luftverkehrs.
Russlands Präsident Wladimir Putin hat eigens ein Gesetz erlassen, das den russischen Fluggesellschaften seines Landes erlaubt, bei ausländischen Firmen geleaste Flugzeuge in Russland ein zweites Mal zu registrieren. So ermöglicht es der Kreml-Chef seinen Airlines, die Flugzeuge zumindest im russischen Flugverkehr weiterhin einsetzen zu können.
"Ein solcher Diebstahl kann nicht toleriert werden"
Das EU-Parlament will Russland nun zur Rückgabe der gestohlenen Flugzeuge auffordern. In einer Aussprache zu den Folgen des Kriegs in der Ukraine für den EU-Verkehrssektor wird darüber am Dienstag und Mittwoch beraten. Die Abgeordneten bedauern, dass Russland unter eindeutigem Verstoß gegen die internationalen Regeln der Zivilluftfahrt eine Neueintragung von Flugzeugen, die von ausländischen Unternehmen geleast wurden, in das russische Flugzeugregister erzwungen hat. "Ein solcher Diebstahl kann nicht toleriert werden", erklären die Abgeordneten und fordern die sofortige Rückgabe dieser Flugzeuge an ihre rechtmäßigen Eigentümer.
Gleichzeitig sollen Sanktionen gegen den russischen Seeverkehrssektor verschärft werden. Schiffe, die während ihrer Reise in Russland angedockt haben, sollen nicht mehr in EU-Häfen einfahren dürfen. Darüber hinaus soll es allen Schiffen, die einen EU-Hafen anlaufen wollen, verboten werden, in russischen Häfen aufzutanken.
Milliarden-Schaden für Leasing-Firmen
Das weltgrößte Leasing-Unternehmen AerCap ist von dem Flugzeug-Diebstahl am stärksten betroffen. Allein 49 Flugzeuge von AerCap wurden laut IBA in Russland nun ein zweites Mal registriert. Insgesamt fehlen dem Leasing-Anbieter mehr als 100 Jets, die nicht mehr international fliegen dürfen. Bei seinen Versicherungen dürfte dadurch ein Schaden in Höhe von 3,5 Milliarden Dollar geltend gemacht werden.
Die Analysefirma Ishka, der Datenspezialist Cirium und die Ratingagentur Moody‘s schätzen den Gesamtwert aller aus dem Ausland nach Russland verleasten Maschinen auf über zehn Milliarden US-Dollar. Die russischen Airlines halten überwiegend ziemlich neue und moderne Flugzeuge von Herstellern wie Airbus oder Boeing.
Versicherer betroffen?
Die im DAX notierten Versicherer Allianz, Munich Re und Hannover Rück müssten wohl für die Schäden aufkommen. Das Brokerhaus Jefferies prognostiziert jedoch, dass die Versicherer auf den 14. März als auslösendes Ereignis für die Verluste der Leasinggeber bestehen werden. Damals begann Russland, die Neuregistrierung zuzulassen. Zu diesem Zeitpunkt waren die meisten Policen schon wegen der Ende Februar verhängten Sanktionen bereits gekündigt worden.
Laut dem Chef des Londoner Versicherungsmaklers Lloyd's, John Neal, muss die Assekuranz voraussichtlich "nur" für zehn bis 15 Prozent der Gesamtsumme geradestehen. Die Kursverluste für die drei Versicherungs-Aktien halten sich entsprechend aktuell in Grenzen. Börse Online hält alle drei DAX-Werte vor längerfristigem Horizont weiterhin für kaufenswert.
mmr