Neben einem Waffenstillstand gehe es auch um den Abzug der russischen Truppen sowie Sicherheitsgarantien für sein Land, sagte der ukrainische Unterhändler Mychailo Podoljak. Bis zur Fortsetzung der Verhandlungen sollten nun Details in Arbeitsgruppen besprochen werden. Währenddessen setzten die russischen Truppen ihre Angriffe vor allem auf Großstädte unvermindert fort.
Der Chef der russischen Nationalgarde, Viktor Solotow, räumte ein, dass der Militäreinsatz in der Ukraine langsamer vorankomme als geplant. "Ich möchte sagen, ja, nicht alles geht so schnell wie wir es gern hätten", erklärte Solotow in Kommentaren auf der Website der Nationalgarde. Die Äußerungen des Vertrauten von Präsident Wladimir Putin waren die bislang stärkste öffentliche Bestätigung aus der russischen Führungsriege, dass die Dinge in der Ukraine nicht nach Plan laufen. Die Nationalgarde ist Putin direkt unterstellt und hat Truppen in der Ukraine.
Das russische Präsidialamt betonte aber, die Streitkräfte könnten die volle Kontrolle über ukrainische Großstädte übernehmen. Das russische Verteidigungsministerium gewährleiste zwar die größtmögliche Sicherheit der Zivilbevölkerung, erklärte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow in Moskau. Es "schließt jedoch die Möglichkeit nicht aus, größere Bevölkerungszentren vollständig unter Kontrolle zu bringen". Präsident Putin habe am Anfang des Militäreinsatzes das Verteidigungsministerium ausdrücklich angewiesen, auf die Erstürmung von größeren Städten wie Kiew zu verzichten. Die Darstellung, Putin sei über die militärischen Fortschritte enttäuscht, wies Peskow zurück. Russland spricht nicht von einem Krieg, sondern von einem Sondereinsatz.
WIEDER BESCHUSS VON WOHNGEBÄUDE IN KIEW
Die Stadtverwaltung in Kiew meldete unterdessen, dass russische Truppen in der ukrainischen Hauptstadt das Antonow-Flugzeugwerk unter Beschuss genommen hätten. Auch in einem Wohngebäude schlug eine Rakete ein, mindestens ein Mensch wurde nach Behördenangaben getötet. In der unter russischem Beschuss liegenden Hafenstadt Mariupol sind nach ukrainischen Angaben bislang mehr als 2500 Bewohner getötet worden. Am Montag begann nach Angaben des Moskauer Verteidigungsministeriums eine Massenevakuierung aus der Stadt. Von den von Russland vorgeschlagenen zehn Korridoren habe die ukrainische Seite allerdings nur drei zugelassen, von denen keine nach Russland führe, erklärte das Ministerium nach Angaben russischer Agenturen.
Die ukrainische Vize-Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk bestätigte, dass ein Konvoi privater Fahrzeuge Mariupol habe verlassen können. Es werde versucht, Hilfskonvois mit Lebensmitteln und Medikamenten von Berdjansk im Südosten der Ukraine in die eingekesselte Stadt hineinzubringen und bei der Rückfahrt vor allem Frauen und Kinder zu evakuieren. Dies werde aber von russischen Angriffen verhindert. Fluchtkorridore sollten auch in der Umgebung von Kiew und in der Region Luhansk im Osten geschaffen werden, sagte sie in einer Video-Botschaft. Die russische Führung hat wiederholt erklärt, sie ziele auf die militärische Infrastruktur der Ukraine und nicht auf die Zivilbevölkerung.
Das russische Verteidigungsministerium berichtete am Montag auch, dass bei einem ukrainischen Raketeneinschlag in der von Separatisten kontrollierten Stadt Donezk im Osten des Landes 20 Zivilisten getötet und 28 verletzt worden seien. Beweise legte das Ministerium nicht vor, die ukrainische Regierung wies die Darstellung zurück. Unabhängig konnten die Darstellungen beider Seiten nicht überprüft werden. Die pro-russischen Separatisten berichteten, bei dem Angriff sei auch ein Kind getötet worden. Der Ukraine warfen sie vor, ein Kriegsverbrechen begangen zu haben.
147.000 FLÜCHTLINGE IN DEUTSCHLAND REGISTRIERT
Seit Beginn der russischen Invasion am 24. Februar sind nach aktuellen Daten der Vereinten Nationen mehr als 2,8 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen. Die meisten Menschen haben demnach im Nachbarland Polen Zuflucht gefunden. Vertreter der Europäischen Union schätzen, dass es fünf Millionen Flüchtlinge werden könnten. Auch innerhalb der Ukraine sind Millionen Menschen auf der Flucht. Vor Beginn des Krieges lebten rund 44 Millionen Menschen in dem Land. In Deutschland sind aktuell knapp 147.000 Flüchtlinge aus der Ukraine registriert worden, wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums in Berlin sagte.
Der russische Oligarch Andrej Melnitschenko forderte ein Ende des Krieges. "Die Ereignisse in der Ukraine sind wirklich tragisch. Wir brauchen dringend Frieden", teilte der Kohle- und Düngemittel-Unternehmer in einer über einen Sprecher übermittelten E-Mail an die Nachrichtenagentur Reuters mit. Ansonsten drohe eine weltweite Nahrungsmittelkrise, da die Düngemittelpreise für viele Landwirte schon jetzt zu hoch seien. Der 50-jährige Melnitschenko ist Russe, aber in Belarus geboren und hat eine ukrainische Mutter. "Als Russe, in Belarus geboren und ukrainischer Abstammung empfinde ich großen Schmerz und Unglauben, wenn ich sehe, wie brüderliche Völker kämpfen und sterben", sagte der Milliardär, der auch von den westlichen Sanktionen gegen russische Oligarchen betroffen ist. Auch andere Oligarchen wie Michail Fridman, Pjotr Awen und Oleg Deripaska haben bereits zu einem Ende des Krieges aufgerufen.
rtr