Auf die Wahl des neuen SPD-Führungsduos Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken reagierten die RWE-Aktionäre mit massiven Verkäufen, was bei der Versorgeraktie zum Wochenauftakt einen Tagesverlust von über fünf Prozent verursachte. Die ehemaligen Fürsprecher der Bergleute setzen heutzutage lieber darauf, das Problem Klimawandel anzugehen. An den Aktienmärkten befürchten die Investoren, dass die CDU den Forderungen der neuen SPD-Führungsspitze nach einem früheren Kohleausstieg nachgeben könnte, um weiterhin an der Macht zu bleiben. Grundsätzlich ist mit der Wahl der GroKo-Gegner zur Führungsspitze ohnehin die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass die Koalition zwischen CDU und SPD zerbrechen könnte. Im Falle von Neuwahlen könnte es dann bei einer Regierungsbeteiligung der Grünen für den DAX-Versorger RWE richtig ungemütlich werden. Bislang hofften die RWE-Aktionäre auf üppige Kompensationszahlungen für den Kohleausstieg. Nur zur Erinnerung: Beim Ausstieg aus der Kernkraft erhielten Energieversorger Milliardenbeträge.

Bislang verlief das Jahr 2019 für die RWE-Aktie ausgesprochen erfreulich. Seit dem Jahreswechsel entwickelte sich der Titel angesichts einer Wertsteigerung von 46 Prozent nicht nur besser als der DAX (+25 Prozent), sondern auch deutlich besser als der Konkurrent E.ON (+15 Prozent). Die wachsende Unsicherheit hinsichtlich der weiteren Geschäftsperspektiven dürften den Aufwärtsdrang der Aktie nun aber erst einmal gestoppt haben. Am gestrigen Montag reagierten vier Analysehäuser auf die neuen politischen Gegebenheiten. Während die Analysten von Kepler Cheuvreux (Reduce, Kursziel 18 Euro), Bernstein Research (Outperform, Kursziel 29 Euro) und UBS (Buy, Kursziel 29 Euro) ihre bisherigen Einschätzungen bekräftigt haben, revidierte lediglich Morgan Stanley seine Meinung. Nach einem Analystenwechsel wird der Titel nun mit "Overweight" und einem Kursziel von 32 Euro eingestuft. Bislang war den Papieren lediglich ein "Equal-weight" inklusive eines Kursziels von 20,90 Euro zugestanden worden. Weil der Fokus des Versorgers auf Erneuerbare Energien liege, sieht der nun verantwortliche Analyst Robert Pulleyn die RWE-Aktie als ideale Anlage, um bei der Energiewende mitzuspielen.

Charttechnisch angeschlagen


Aus charttechnischer Sicht blieb bei der RWE-Aktie der "absolute GAU" erst einmal aus, schließlich wurde trotz des gestrigen Kursdesasters sowohl die untere Begrenzung des mittelfristigen Aufwärtstrends als auch die langfristige 200-Tage-Linie nicht verletzt. Beide sind im Bereich von 24,40 Euro angesiedelt. Auch der Timingindikator Relative-Stärke-Index bewegt sich mit 41 Prozent noch in der marktneutralen Zone. Werte unterhalb der Marke von 30 Prozent werden als überverkaufte Lage interpretiert und würden die Chance auf ein RSI-Kaufsignal (Anstieg über 30 Prozent) erhöhen.

Aktuell befindet sich die RWE-Aktie auf Tuchfühlung mit der im Bereich von 25,50 Euro angesiedelten Unterstützung. Im Falle einer allgemeinen Markteintrübung droht allerdings ein Unterschreiten. Die nächste "charttechnische Haltezone" würde dann im Bereich von 24 Euro warten. Dann dürfte es richtig spannend werden, da bei einem Verletzen gleich ein doppeltes Verkaufssignal (siehe oben) entstehen würde. Angesichts der politischen Unsicherheiten und des erheblichen Korrekturpotenzials, sollten Anleger den Titel aus sicherer Distanz erst einmal beobachten. Auch die erhöhte Volatilität mahnt zur Vorsicht. Mit einer historischen 30-Tage-Volatilität von über 25 Prozent gehört RWE derzeit zu den vier riskantesten DAX-Aktien.