Die RWE-Tochter RWE Power AG fordert vom Bund und dem Land Hessen die rund 235 Millionen Euro Schadenersatz im Zusammenhang mit der im Jahr 2011 angeordneten Betriebseinstellung des Atomkraftwerks im südhessischen Biblis. Das zunächst dreimonatige Moratorium war in Reaktion auf die Atomkatastrophe im japanischen Fukushima verhängt worden. RWE sieht das Vorgehen als rechtswidrig an, ein Verwaltungsgericht in Hessen und das Bundesverwaltungsgericht teilten diese Auffassung bereits. RWE will nun vor dem Landgericht Essen durchsetzen, dass dem Konzern durch die Stilllegung entgangene Gewinne ersetzt werden.
Dass RWE auf Schadenersatz hoffen kann, machte Richter Dickmeis gleich zu Beginn der Verhandlung deutlich. Frühere Entscheidungen von Verwaltungsgerichten zur Rechtswidrigkeit der Stilllegung könnten auch für seine Zivilkammer bindend sein. Bis der Versorger Klarheit über etwaige Zahlungen hat, kann aber noch viel Zeit vergehen. Denn vor einer Entscheidung über einen Schadenersatz sehe das Gericht zahlreiche andere offene Rechtsfragen.
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VERFAHREN DÜRFTE SICH BIS WEIT INS KOMMENDE JAHR ZIEHEN
Unklar sei etwa, ob der Bund, das Land Hessen oder beide einen Schaden ausgleichen müssten, sagte Dickmeis. Denn beide liegen in der Frage quer, wer die Stilllegung rechtlich verbindlich angeordnet hat. Hessen verweist auf den Bund, der das anders sieht. Die Kammer könnte nun in einem Folgetermin entscheiden, wer in die Haftung genommen werden könnte.
Nicht ohne Probleme sehe das Gericht auch die Höhe der millionenschweren Schadenersatzklage durch die RWE Power AG. Denn die Biblis-Stilllegung könnte unter anderem zu Mehreinnahmen anderer RWE-Kraftwerke geführt haben. "Dies liegt nicht ganz fern", sagte der Richter. Solche Einnahmen könnten theoretisch mit den Biblis-Ausfällen verrechnet werden. Angesichts der vielen offenen Fragen werde sich das Verfahren zunächst weit in das kommende Jahr hineinziehen.
Das Essener Verfahren hat auch für andere Versorger Bedeutung. Denn nicht nur RWE ist wegen des Moratoriums vor Gericht gezogen. Auch E.ON und EnBW klagen wegen des dreimonatigen Betriebsverbots für die sieben ältesten der damals 17 deutschen AKWs plus dem damals geschlossenen AKW Krümmel. Das Moratorium lief von März bis Juni 2011 und mündete schließlich im August im endgültigen Ausstiegsbeschluss. E.ON klagt auf Schadenersatz in Höhe von 380 Millionen Euro, EnBW will einen "niedrigen dreistelligen Millionenbetrag". Auch gegen den beschleunigten Atomausstieg gibt es Klagen von Versorgern, E.ON fordert hier allein über acht Milliarden Euro. Dabei geht es nicht darum, den bis Ende 2022 geplanten Ausstieg rückgängig zu machen, sondern um Schadenersatz.
Reuters