Paul Hudson ist eingefleischter Fan von Manchester United. Allerdings hat der englische Fußball-Rekordmeister und frühere Champions-League-Gewinner in den letzten Jahren den Anschluss an die Spitze des europäischen Fußballs verloren. Ähnlich sieht es bei Sanofi aus, wo Hudson im September 2019 den Posten als neuer Vorstandschef übernommen hat. Dass der 52-jährige Brite ein guter Stratege und Verkäufer ist, hatte er in den Jahren 2016 bis 2019 als Vorsitzender der Pharmasparte von Novartis mit der erfolgreichen Markteinführung von neuen Milliardenprodukten bewiesen.
Sanofi hinkte indes anderen Pharmakonzernen hinterher. Über Jahre hatten die zwei Vorgänger von Hudson mit zumeist mäßigem Erfolg versucht, den französischen Pharmakonzern strategisch neu aufzustellen. Sanofi verzettelte sich in der Forschung und tat sich schwer damit, Patentabläufe durch neue Produkte mit Milliardenumsätzen zu kompensieren. Während andere Pharmakonzerne kräftige Kursgewinne feierten, legte die Sanofi-Aktie bis Ende 2019 eine vergleichsweise mäßige Wertentwicklung hin.
Kehrtwende läuft
Der Umschwung an der Börse kam im Dezember, als Hudson auf einem Investorentag die künftige Marschroute erläuterte. Sanofi, so der Konzernlenker, werde in Zukunft nur noch an echten Wachstumstreibern forschen. Das bisherige Kerngeschäft Diabetes gehört nicht mehr dazu. Der Sparte macht der anhaltende Preisdruck in den USA zu schaffen. Verabschieden wird sich Sanofi auch von der Entwicklung neuer Herz-Kreislauf-Arzneien. Außerdem soll die Konzernstruktur von bislang fünf globalen Einheiten (siehe Infografik) auf drei verschlankt werden. Die Sparte rezeptfreie Medikamente (Consumer Health) wird als eigene Einheit ausgegliedert, was etliche Branchenexperten als Vorstufe zu einem späteren Verkauf interpretieren.
Mit seinen Geschäftszahlen für 2019 hat Sanofi unterdessen überzeugt. Der Gesamtumsatz kletterte um Währungseffekte bereinigt um 2,8 Prozent auf knapp über 36,1 Milliarden Euro. Zwei Sparten gaben dafür den Ausschlag. So verzeichnete der Bereich Specialty Care ein Umsatzplus von 22,4 Prozent auf 9,2 Milliarden Euro. Dieser Geschäftsbereich umfasst Medikamente gegen seltene genetische Erkrankungen, Multiple Sklerose (MS), Krebs sowie den neuen Verkaufsschlager Dupixent. Dem 2017 zur Behandlung von atopischer Dermatitis zugelassenen Mittel gelang es, den Umsatz auf 2,1 Milliarden Euro mehr als zu verdoppeln. Sanofi will über Zulassungen in ähnlichen Krankheitsfeldern das jährliche Umsatzpotenzial auf bis zu zehn Milliarden Euro erweitern. Ein strammes Wachstum von 9,3 Prozent auf 5,7 Milliarden Euro verzeichnete auch die Impfstoffsparte.
Unterm Strich stieg der Konzerngewinn um 9,8 Prozent auf 7,5 Milliarden Euro. Fünf Prozent mehr erwartet Sanofi für 2020. Hinsichtlich der Profitabilität hat Paul Hudson die Messlatte hochgelegt. Bis 2022 soll die operative Marge von zuletzt 27 auf 30 Prozent steigen, 2025 soll sie über 32 Prozent liegen. Sanofi will vor allem die Krebsmedizin zügig verstärken. Nicht einmal 500 Millionen Euro erlöste das umsatzstärkste Produkt 2019 in dieser Sparte. Neben der eigenen Forschung setzt Sanofi hier auf Kooperationen und Zukäufe. 2,5 Milliarden US-Dollar kostete etwa die Übernahme von Synthorx im Dezember 2019. Die US-Firma ist auf Immuntherapien spezialisiert.
Ein neuer Hoffnungsträger
Einen wichtigen Etappensieg feierte Sanofi zuletzt mit einem Präparat gegen schubweise auftretende MS. Als erstem MS-Wirkstoff gelang es dem Präparat, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden. Damit könnte es Schäden im Gehirn verhindern, die durch MS verursacht werden. Die zulassungsrelevanten klinischen Studien sollen in diesem Jahr beginnen.
Hält Sanofi am jüngsten Wachstumskurs fest, hat die im Branchenvergleich moderat bewertete Aktie deutlichen Spielraum nach oben. Auch bilanziell ist Sanofi gut aufgestellt. Die Nettoverschuldung wurde zuletzt um weitere 15 Prozent verringert. Zugleich stieg der freie Cashflow um mehr als die Hälfte. Und die Aktionäre können sich darauf freuen, dass Sanofi zum 26. Mal in Folge die Dividende anhebt. Ungemach droht Sanofi momentan am ehesten vonseiten der französischen Justiz. Der Konzern habe bei seinem Epilepsiemittel Depakine nicht ausreichend darüber informiert, dass der enthaltene Wirkstoff Valproat ungeborene Babys schädigen könne, lautet der Vorwurf. Letzte Woche begann das Ermittlungsverfahren. Es kann zu einem Strafprozess führen, falls die Ermittler ausreichend Beweise sehen.