Herr Mucic, viele Analysten waren für SAP wegen des Brexit zuletzt skeptisch. Am Mittwoch hat SAP die Markt-Erwartungen aber locker übertroffen. Ist SAP neuerdings komplett krisen-resistent?



Wir hatten bei der Vorlage der Zahlen zum ersten Quartal ein starkes Bekenntnis für die Monate April bis Juni abgegeben und haben Wort gehalten. Natürlich gab es wegen des Brexit Unsicherheit am Markt. Aber die Entscheidung der britischen Wähler hat auf unser Geschäft keine Auswirkungen im zweiten Quartal gehabt, weder im Kaufverhalten noch bei den Ergebnissen. Und was die Frage nach der Krisen-Resistenz anbelangt: Wir bieten Lösungen an, die Kunden helfen, in volatilen Zeiten ihr Unternehmen effizient zu führen. Sie bekommen vollen Einblick und Transparenz über ihre Geschäftsentwicklung und das Kaufverhalten ihrer Kunden, und zwar in Echtzeit. In den vergangenen Jahren haben wir konsequent in neue Technologien zur Echtzeit-Aufbereitung von Daten investiert. Das macht sich nun bezahlt.

Aber Großbritannien ist ein wichtiger Markt für Sie. Dort machen Sie laut Analysten rund fünf Prozent Ihres Umsatzes. Der Brexit drückt bei vielen Unternehmen auf die Stimmung. Befürchten Sie nicht, dass das Ihr Geschäft mittelfristig doch noch durch den Briten-Austritt belasten werden könnte?



Wir haben im Moment keinen Hinweis darauf, dass sich das Geschäft in Großbritannien aufgrund des Brexit eintrüben würde. Das Interesse an unseren Lösungen ist nach wie vor sehr groß. Von daher haben wir unseren Ausblick für das Gesamtjahr mit voller Zuversicht bestätigt.

Im laufenden Jahr sieht’s ja in der Tat gut aus. Sie haben zum Halbjahr schon 2,6 Milliarden Betriebsergebnis eingefahren. Der Cloud-Umsatz ist auf 1,4 Milliarden Euro gewachsen. Die Pipeline ist voll. Und das letzte Quartal ist traditionell das stärkste. Eigentlich müssten Sie die Prognose doch nach oben anpassen oder heben Sie sich das fürs dritte Quartal auf?



(Lacht) Wir sind voll auf Kurs. Es gab ja durchaus auch einige Zweifler. Aber nach den ersten sechs Monaten liegen wir bei den wesentlichen Kennzahlen jeweils am oberen Ende unserer Spanne. Bei Cloud- und Software-Erlösen peilen wir für 2016 ein Plus von sechs bis acht Prozent an. Zum Halbjahr waren es acht Prozent. In der Cloud haben wir für 2016 am oberen Ende einen Zuwachs von 33 Prozent anvisiert. Nach dem ersten Halbjahr haben wir 33 Prozent geschafft. Und beim Betriebsergebnis hatten wir ein bis fünf Prozent Wachstum in Aussicht gestellt. Aktuell liegen wir bei acht Prozent. Das sieht alles sehr gut aus. Andererseits dürfen wir aber auch nicht vergessen, dass der Vergleich im zweiten Halbjahr wegen der sehr guten Vorgaben aus dem Vorjahr schwieriger wird. Insofern stehen wir nach den ersten sechs Monaten zwar auf den Zehenspitzen, nicht auf der Ferse. Aber wir haben bei aller berechtigten Zuversicht immer noch einige Arbeit vor uns.

Auf Seite 2: Wann die Gewinne im Cloud-Geschäft richtig sprudeln sollen





SAP treibt den Umbau Richtung Cloud vehement voran. Im Cloud-Geschäft sind die Kosten zunächst relativ hoch, die Gewinne kommen später. Viele Investoren werden allmählich ungeduldig und fragen, wann die Cloud-Euros endlich richtig sprudeln. Können Sie helfen?



Zunächst: Wir sind in der Cloud bereits jetzt profitabel. Aber es stimmt: Die Verkäufe von Software-Lizenzen und von Cloud-Lösungen wirken sich auf der Zeitachse unterschiedlich aus. Beim Lizenz-Verkauf vereinnahmen Sie den Umsatz bei Lieferung. Dem steht der Vertriebsaufwand gegenüber. In der Cloud verteilt sich der Umsatz über die gesamte Vertragslaufzeit von üblicherweise drei Jahren. Die Kosten für den Vertrieb haben Sie aber ebenfalls bereits bei Abschluss. Das schlägt sich entsprechend in der Gewinnrechnung nieder. Solange wir so wie jetzt noch ein starkes Wachstum im Neugeschäft haben, wirkt dieser dämpfende Effekt einer starken Ausweitung der Marge in der Cloud entgegen. Aber wir konzentrieren uns zunächst einmal auf Marktanteilsgewinne, weil dann der Profitabilitätszuwachs bei der absehbaren Marktsättigung in einigen Jahren noch stärker wird. Ab 2018 übersteigt der Umsatz mit unserem Cloud-Geschäft das Neugeschäft mit Software-Lizenzen. Immer wenn ein Cloud-Kunde seinen Vertrag verlängert, erhält unser Gewinn einen Schub, denn bei einer Vertragsverlängerung fallen keine Vertriebskosten mehr an.

Nach dieser Logik müssten die Ergebnisse in den kommenden Jahren schneller steigen als bislang?



Davon gehen wir aus. Wir rechnen bis 2017 mit einem durchschnittlichen Anstieg des bereinigten Betriebsergebnisses von drei bis fünf Prozent pro Jahr. Ab 2018 sehen wir einen durchschnittlichen Zuwachs des bereinigten operativen Ergebnisses von sechs bis neun Prozent jährlich. Ein großer Teil dieser Gewinn-Dynamik kommt aus dem Cloud-Geschäft.

Aber es gibt ja noch ein paar große Kostenblöcke. Im laufenden Jahr wollen Sie die Infrastruktur noch mal deutlich erweitern. Was planen Sie hier?

Aktuell laufen unsere Cloud-Lösungen weltweit in 43 Rechenzentren. Mit jeder großen Akquisition kamen in den letzten Jahren neue Infrastrukturen hinzu: SucessFactors, Ariba, Concur, Fieldglass hatten alle ihre eigenen Rechenzentren. In Colorado, USA, wollen wir nun all diese Kapazitäten zusammenführen. Entsprechend investieren wir derzeit in den Aufbau eines zentralen Rechenzentrums, der 2018 abgeschlossen sein soll. Unser Ziel ist, dass wir mit der geplanten Konsolidierung auf eine Größenordnung von 20 bis 30 Rechenzentren kommen. Daneben werden wir künftig eine weltweit einheitliche Infrastruktur haben, also über alle Standorte hinweg zum Beispiel jeweils einen Anbieter für Serveroder Storage. Außerdem werden wir alle Cloud-Lösungen auf unsere eigene Datenbank-Technologie migrieren. Auch dies zahlt sich ab ca. 2018 aus, weil wir dann die entsprechenden Drittdatenbank-Systeme nicht mehr benötigen. All diese Schritte werden sich positiv auf die Marge auswirken.

Von welchem Investitionsvolumen reden wir hier?



Wir wollen im laufenden und im kommenden Jahr einen dreistelligen Millionenbetrag in unsere Rechenzentren investieren. Ab 2018 sind die großen Investitionen dann getätigt. Dann fällt diese Position deutlich geringer aus.

Auf Seite 3: Was SAP bei seinem neuen Kernprodukt S4/HANA für 2016 vorhat





Ein großer Wachstumstreiber ist SAP S/4HANA. Im zweiten Quartal hatten Sie 3700 S/4-Kunden, 500 mehr als im ersten Quartal. Von diesen 500 Kunden waren 200 Neukunden für die SAP. Wo wollen Sie zum Jahresende sein?



Wir haben da keine konkrete Zahl vor Augen. Aber wir rechnen damit, dass wir bis zum Jahresende eine mittlere bis hohe dreistellige Kundenzahl live haben. Und was die Akzeptanz angeht: Das Wachstum beim Umstieg auf S/4HANA ist rund viermal höher als Anfang der 90er Jahren beim Wechsel von R/2 auf R/3. In dem aktuellen Tempo dürfte es weitergehen, wenn sich die Entwicklung nicht sogar noch weiter beschleunigt.

SAP ist in den vergangenen Jahren vor allem über Akquisitionen in der Cloud stark gewachsen. Zuletzt haben Sie eine Pause gemacht. Bleibt es dabei, oder schalten Sie wieder in den Akquisitionsmodus?



Nach dem Kauf von Concur 2014 haben wir klar gesagt, dass unser Fokus auf der Integration der Zukäufe und auf organischem Wachstum liegt, dass aber kleinere Übernahmen von Anbietern mit passender Technologie nicht ausgeschlossen sind. Daran hat sich nichts geändert.