Das Walldorfer Softwareunternehmen SAP sah sich bei Investoren lange Zeit mit einem gerüttelt Maß Skepsis konfrontiert. Anlass zu Zweifeln gab es reichlich. Die zentralen Fragen gingen etwa so: Kriegt ein als eher behäbig verschriener deutscher Konzern in der von flinken US-Anbietern geprägten Softwarebranche den überfälligen Wandel hin, weg vom traditionellen Verkauf von Software, hin zum Mietmodell?
Verzettelt sich SAP beim Umbau ihres Geschäftsmodells nicht schon wieder - wie erst vor ein paar Jahren bei der Mittelstandssoftware Business ByDesign, dem wohl schlimmsten und teuersten Flop in der an Flops und Fehlgriffen nicht eben kleinen SAP-Geschichte? Können sie in Walldorf denn überhaupt noch schnell? Und was bedeutet der Umbau Richtung Software-Miete für die Ergebnis- und Margen-Entwicklung?
Spätestens seit Montag Nacht ist klar: Auf dem Weg vom klassischen Software-Haus zum Vollsortimenter inklusive leistungsfähiger Cloud-Lösungen kommen die Walldorfer mit großen Schritten voran - und zeigen der selbstbewussten US-Konkurrenz derzeit eine lange Nase.
Nach den heute Nacht um null Uhr veröffentlichten, vorläufigen Zahlen verdoppelte SAP im Cloud-Geschäft den Umsatz im abgelaufenen Geschäftsjahr auf 2,3 Milliarden Euro. Selbst, wenn man die Währungseffekte herausrechnet, bleibt ein noch ein sattes Plus von 82 Prozent. Für einen in Tech-Maßstäben betagten Software-Anbieter ist das ziemlich ordentlich.
Starkes Kerngeschäft
Auch beim traditionellen Software-Verkauf schnitt der Konzern im Vorjahr unerwartet gut ab. Alleine im vierten Quartal reichte es zu einem um Sondereffekte bereinigten Plus von zehn Prozent auf 4,84 Milliarden Euro.
Nun mag man einwenden, dass die Vergleichsbasis im noch relativ jungen Cloud-Geschäft 2014 noch überschaubar war und SAP den Umsatzzuwachs durch mehrere miliarden-schwere Akquisitionen wie Fieldglass oder Concur beschleunigt hat. Aber ein Anstieg um 107 Prozent dürfte auch beim Wettbewerb Eindruck hinterlassen.
Neben den flotten Cloud-Angeboten punkten die Walldorfer derzeit vor allem mit ihrer In-Memory-Plattform HANA. Bei HANA werden die Daten nicht mehr von der von der Festplatte nachgeladen, was zum Teil elend lange Vorarbeiten nötig macht, sondern in riesigen Arbeitsspeichern vorgehalten. Das bringt in der Branche bislang ungeahnte Geschwindigkeitsvorteile. Bei einzelnen Anfragen rede man hier vom Faktor 1000, heißt es aus Walldorf stolz.
HANA-Plattform startet durch
Inzwischen haben die Walldorfer auch ihr Kernprodukt um Finanzbuchhaltung, Lagerverwaltung oder Produktionsplanung für die HANA-Rakete aufgebohrt und als SAP S4/HANA an den Start geschickt. Mittlerweile stehen die Unternehmen Schlange. Alleine im abgelaufenen vierten Quartal hat SAP die Kundenzahl für S4/HANA nach eingenen Angaben auf 2700 mehr als verdoppelt.
SAP baue "über alle Märkte und Branchen hinweg ihre führende Rolle als verlässlicher Innovationspartner für Unternehmenssoftware aus", jubilierte SAP-Boss Bill McDermott Montag Nacht denn auch via Pressemeldung schwer zufrieden.
Angesichts der starken Aufstellung gibt sich der Konzern auch für dieses Jahr optimistisch. Man sei "sehr zuversichtlich", dass SAP "2016 und darüber hinaus erfolgreich sein werden", sagte McDermott.
Analysten zeigten sich jedenfalls ordentlich beeindruckt: "SAP bleibt auf Wachstumskurs", resümierte etwa Mirko Maier von der LBBW. Auch andere Experten sehen die Entwicklung mit Wohlgefallen. "SAP", heißt es bei Barclays, habe einen "sehr klaren Fahrplan mit S/4, der zu verstärktem Kundeninteresse" führe. Angesichts der aktuellen Aufstellung erschienen die "Umsatzziele von 26 bis 28 Milliarden Euro bis 2020 allmählich konservativ".
Auf Seite 2: Unsere Einschätzung zur Aktie
Einschätzung der Redaktion
SAP macht derzeit vieles richtig. Vor allem die Investitionen in die Echtzeit-Datenbank HANA und der konsequente und bislang überraschend geräuschlose Ausbau zu einer In-Memory-Plattform machen sich bezahlt. Dazu erweist sich der lange überfällige Strategie-Schwenk vor gut acht Jahren als richtig. Während Erzrivale Oracle jahrelang kräftig zukaufte, hielten sich die Walldorfer mit großen Akquisitionen zurück. Man komme gut alleine zu Recht, behauptete die ehemalige SAP-Spitze lange ein bisschen beleidigt.
Doch spätestens mit dem ByDesign-Desaster dämmerte auch SAP-Gottvater Hasso Plattner, dass selbst ein Riese wie SAP nicht alles selbst machen muss - und kann und die Strategiewende eingeleitet. Mit einer Reihe milliarden-schwerer Zukäufen in der Cloud hat der Konzern sich vor allem in den USA erheblich verstärkt - und sammelt jetzt fleißig Neu-Aufträge ein.
Zwar ist die SAP-Aktie seit den starken Zahlen zum dritten Quartal bereits gut gelaufen und brachte im Vorjahr unterm Strich ein Kursplus von rund 30 Prozent, aber das Papier hat weiter Potenzial. Wir sehen das nächste Kursziel bei 85 Euro. Charttechnisch kämpft die Aktie derzeit noch mit dem jüngsten Allzeithoch von 75,75 Euro. Fällt der Widerstand, ist der Weg zu neuen Höhen frei. Kaufen.
Zum Autor:
Thomas Schmidtutz ist Chefredakteur von www.boerse-online.de. Der Wirtschaftsjournalist schreibt seit der Jahrtausendwende über die neuesten Trends in der IT-Szene und dabei vor allem über SAP, Oracle, Microsoft und Co.