Beim Software-Riesen SAP sind die letzten Wochen vor dem Jahreswechsel entscheidend. Traditionell machen die Walldorfer rund 42 Prozent ihres Neugeschäfts im vierten Quartal und einen Großteil davon kurz vor Weihnachten. Ein paar Tage entscheiden also, ob alles im grünen Bereich ist oder eher nicht und womöglich sogar noch eine Gewinnwarnung fällig ist. Das klingt absurd. Aber so ist halt das Geschäft in der Branche.

Unter Investoren sorgt die vertrackte Ausgangslage traditionell für Unruhe im Januar. Doch so schlimm wie in diesem Jahr war es schon lange nicht mehr. Am Donnerstag lag die SAP-Aktie im frühen Handel mit großem Abstand am Dax-Ende. Auslöser waren negative Analysten-Kommentare. Umfragen unter SAP-Kunden deuteten auf eine abgeschwächte Nachfrage im Jahresschlussquartal hin, schrieb etwa UBS-Analyst Michael Briest in einer aktuellen Studie.

Zudem drücke das rasche Wachstum des Cloud-Geschäfts auf die Margen, schrieb etwa Brice Prunas von der französischen Bank Exane BNP in einem aktuellen Report. Auch eine Gewinnwarnung sei drin, mutmaßte der BNP-Analyst. Das saß. Die Furcht vor unerwartet miesen Zahlen der Walldorfer war im frühen Handel so groß, dass die SAP-Aktie am Donnerstag Vormittag zwischenzeitlich sogar vom Handel ausgesetzt wurde - was die Nervosität noch befeuerte.

Erst als die Gewinnwarnung ausblieb und später auch die US-Börsen einen guten Start erwischten, berappelte sich die Aktie wieder und schloss am Ende sogar mit einem Plus von gut zwei Prozent.

Das ist zwar ein versöhnlicher Abschluss nach einem einigermaßen verrückten Handelstag, aber Grund zur Entwarnung ist das noch nicht. Denn am Montag, spätestens am Dienstag dürften die Walldorfer ihre Eckzahlen für 2014 veröffentlichen. Dafür spricht schon die Historie. Mit Ausnahme des Geschäftsjahres 2008 hat der Konzern seit 2000 die Eckzahlen zum vierten Quartal stets zwischen dem 8. und dem 15. Januar veröffentlicht. Neben der überragenden Bedeutung des Jahresendgeschäfts gibt es dafür auch sehr praktische Gründe. Anfang Januar nämlich schwören die Walldorfer ihre weltweite Vertriebsmannschaft bei Auftaktveranstaltungen - intern Kick-offs genannt - regelmäßig auf die Jagd nach neuen Aufträgen ein. Wenn die Eckzahlen zu diesen Meetings bereits vorliegen, muss keiner aus der Führungsriege des Konzerns mehr rumeiern, sondern kann sich voll darauf konzentrieren, die Verkäufer auf die richtige Betriebstemperatur zu bringen.

Sorgen um miese Stimmung auf den bevorstehenden Kick-offs im Januar muss sich derzeit wohl niemand machen. Denn anders als von manchem Analysten geargwöhnt, steht eine Gewinnwarnung nach unserer Einschätzung derzeit wohl nicht zur Debatte. Stattdessen dürften die Zahlen zum vierten Quartal wohl einigermaßen im grünen Bereich liegen. Beim Umsatz gehen die Analysten gegenüber dem Vorjahr im Schnitt von einem Plus von 5,1 Prozent auf 5,37 Milliarden Euro aus, das bereinigte operative Ergebnis dürfte demnach um zwei Prozent auf 2,154 Milliarden Euro zugelegt haben. Und bei den wichtigen Lizenzerlösen erwartet die Zunft mit 1,878 Milliarden Euro ein Ergebnis auf Vorjahrsniveau.

Fürs Gesamtjahr trauen die Analysten SAP ein währungsbereinigtes operatives Ergebnisplus von 2,7 Prozent 5,66 Milliarden Euro zu. Damit läge das Unternehmen am unteren Ende der im Oktober um 200 Millionen auf 5,6 bis 5,8 Milliarden Euro reduzierten Spanne. Der Umsatz dürfte nach den Berechnungen der Experten im abgelaufenen Jahr um 3,9 Prozent auf 17,475 Milliarden Euro gestiegen sein.

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Einschätzung der Redaktion

Die SAP-Aktie ist derzeit sehr volatil. Dies dürfte zunächst so bleiben. Die für Montag oder Dienstag erwarteten Eckzahlen dürften wohl weitgehend im Rahmen der Erwartungen liegen . Entscheidend für den mittelfristigen Kursverlauf bei SAP dürfte ohnehin die Jahrespressekonferenz am 20. Januar in Walldorf werden. Dann will SAP-Chef Bill McDermott die neuen Langfrist-Ziele für den Konzern vorstellen. Offiziell will SAP bis 2017 eine operative Marge von 35 Prozent erreichen. Ursprünglich hatten die Walldorfer dieses Ziel für 2015 angepeilt, es aber angesichts mehrerer Übernahmen von Cloud-Anbietern um zwei Jahre zurückgestellt. Nun dürfte McDermott die Kapitalmärkte um weitere drei Jahre Geduld bitten. Ob Investoren ihm dabei folgen werden, ist derzeit unklar. Anleger sollten daher zunächst abwarten, wie McDermott den Konzern nach den milliarden-schweren Zukäufen um Concur, Ariba oder SuccessFactors langfristig profitabler machen will. Halten.