Herr Mucic, Sie haben am Dienstag die neue Langfristprognose für SAP vorgelegt. Doch erstmals seit vielen Jahren fehlt eine offizielle Zielmarke für die bereinigte operative Marge. Warum sind Sie neuerdings so schüchtern?
Das hat nichts mit Zurückhaltung zu tun, sondern mit der Natur unseres Cloud-Geschäfts. In der Cloud betreiben wir drei verschiedene Geschäftsmodelle, die von den Kosten, Umsatz- und Ergebnisströmen sehr unterschiedlich sind: Public Cloud mit Standard-Lösungen, Private Cloud mit kompletten Business Suites und die Geschäftsnetzwerke Ariba, Concur und Fieldglass. Wieder ganz anders verhält sich unser klassisches Lizenz-Geschäft. Das alles über einen "Margen-Zielkamm" zu scheren, würde nicht die richtigen Anreize für die Steuerung unseres Geschäfts setzen.

Warum?
Dann bestünde die Gefahr, dass wir stark auf das klassische Lizenzgeschäft setzen und die Investitionen in die Cloud vernachlässigen. So würden wir zwar kurzfristig eine höhere Marge erreichen, uns aber längerfristig einen Zukunftsmarkt entgehen lassen. Das wäre nicht sehr klug.

Die Cloud-Erlöse wachsen ja schon länger stark. Das hat Sie bislang aber dennoch nicht davon abgehalten, eine einheitliche Zielmarge für den Konzern auszugeben.
Von Prozentzahlen ist noch niemand satt geworden. Von absolutem Gewinn dagegen schon. Das Cloud-Geschäft hat das Potenzial, uns langfristig erhebliche Ergebnisbeiträge zu liefern. Wir wären doch mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir diese Potenziale abwürgen würden zugunsten einer Gesamtmargen-Optimierung.

Sie nennen zwar keine offizielle Zielmarke für die operative Marge. Aber wenn man die Eckdaten für 2020 umrechnet, käme man auf eine operative Marge zwischen 28,6 und 34,6 Prozent. Das wäre selbst im besten Szenario unterhalb der jahrelang mantra-artig wiederholten alten Zielmarke. Haben Sie nicht die Sorge, dass jetzt auch ihre Glaubwürdigkeit an den Kapitalmärkten leiden könnte?
Nein. Wir kommunizieren regelmäßig mit den Kapitalmärkten. Was Investoren sich wünschen, ist eine klare Transparenz, mit einer klaren Nachvollziehbarkeit des Wachstums, aber auch der Ergebnisbeiträge der einzelnen Segmente. Dem stellen wir uns.

Die Investoren hätten sich offenbar aber eine höhere Prognose gewünscht. Mit einem Minus von rund 4,5 Prozent war SAP am Dienstag der schwächste Wert im Dax. Da muss dem Finanzchef doch das Herz bluten.
Wir positionieren uns langfristig und nachhaltig. Ich kenne kein anderes IT-Unternehmen vergleichbarer Größenordnung, das sich so konsequent auf die Cloud ausgerichtet hat und das sein Betriebsergebnis gleichzeitig steigern konnte. Von daher bin ich sehr zuversichtlich, dass unser Weg von den Investoren honoriert werden wird.

Zunächst führt die Umstellung allerdings erstmal zu Abstrichen bei der Profitabilität.
Das liegt in der Natur der Sache. In der Cloud fließt zum Vertragsschluss zunächst kein Umsatz. Das führt dazu, dass Sie im ersten Jahr eine negative Profitabilität aufweisen, weil Sie die Kosten für den Vertrieb haben, die Umsetzung der Lösung, die Kosten im Rechenzentrum etc. Aber das ändert sich im Laufe der Vertragsdauer. Denn der Umsatz in der Cloud kommt regelmäßig, bei den Kosten gibt es dagegen nur noch die Aufwendungen für den laufenden Betrieb und den Support. Damit werden solche Verträge im Zeitverlauf profitabel, langfristig können sie durchaus profitabler werden als unsere klassischen Lizenzverkäufe.

Viele Analysten befürchten indes, dass sich die Profitabilität nicht in alle Ewigkeit fortschreiben lässt. Bei bevorstehenden Vertragsverlängerungen dürften die Kunden auf Preiszugeständnisse drängen. Außerdem könnten Wettbewerber mit günstigeren Angeboten reingrätschen. Wie wollen Sie dieser Gefahr entgehen?
Zunächst: Wir machen unser Geschäft ja nicht erst seit gestern. Die Cloud-Unternehmen, die wir zugekauft haben, verfügen ja fast alle über jahrelange Erfahrung mit der Erneuerung von Verträgen. Entscheidend wird am Ende sein, dass wir kontinuierlich Innovationen für die Cloud-Lösungen liefern und die Kunden mit der Lösung zufrieden sind. Im übrigen sind Gespräche zur Vertragsverlängerung stets auch gute Möglichkeiten, zusätzliche Module zu verkaufen. SAP hat ein sehr breites Portfolio mit einer umfassenden Plattform und vielen attraktiven Erweiterungen. Was übrigens keiner unserer Wettbewerber hat: eine nahtlose Integration von on premise- und Cloud-Lösungen, die obendrein Echtzeit-Einblick und Steuerung des Unternehmens erlaubt. Das bringt unseren Kunden enorme Wettbewerbsvorteile. Einen möglichen Preisdruck sehen wir also recht gelassen.

Auf Seite 2: Was SAP auf dem Kapitalmarkt vorhat



SAP hat mit Concur gerade den größten Zukauf in der Firmengeschichte abgeschlossen - mit entsprechenden Folgen in der Bilanz. Ende 2014 lag die Nettoverschuldung bei 7,6 Milliarden Euro. Sehen Sie vor diesem Hintergrund weiteren Kapitalbedarf?
Den laufenden Investitionsbedarf können wir problemlos aus dem operativen Cashflow decken. Einen Teil der Concur-Finanzierung haben wir über einen Euro-Bond im Volumen von 2,75 Milliarden gedeckt. Wir haben grünes Licht, hier noch eine weitere, kleinere Tranche nachzuschieben, möglicherweise bereits im ersten Halbjahr. Wir prüfen gerade, ob das für uns vorteilhaft wäre. Aber sonst sehe ich keinen Handlungsbedarf. Wir haben gegenüber den Rating-Agenturen ein klares Bekenntnis abgegeben, die Fremdfinanzierungen in den nächsten drei bis vier Jahren zurückzuführen, unsere Dividende weiter zu entwickeln und uns auf organisches Wachstum zu konzentrieren. Das werden wir tun.