Börse Online: Als es im März und April im Zuge der Corona-Krise zu Engpässen bei importierten Medikamenten kam, gab es Forderungen, die Produktion wieder stärker ins Inland zu verlagern. Halten Sie diese Strategie für sinnvoll?
Joachim Kreuzburg: Mit Ausnahme bestimmter Einzelfälle halte ich das für nicht erforderlich. Man darf nicht vergessen, dass es vor allem bei sehr preissensitiven Vorprodukten zu Engpässen kam. Gerade wegen dieser Preissensitivität werden solche Produkte ja in den Ländern hergestellt, wo sie aktuell hergestellt werden. Insgesamt haben trotz dieser bislang einmaligen Ausnahmesituation die globalen Lieferketten gehalten. Dass ausgerechnet Deutschland ein Vorreiter der Renationalisierung von Industrien sein soll, scheint mir fragwürdig.
Sartorius gilt als Gewinner der Pandemie. Wie schlägt sich das konkret nieder?
Richtig ist, dass wir mit 18 Prozent Umsatzplus im ersten Halbjahr sehr dynamisch gewachsen sind. Daran hatte die Corona-Krise allerdings nur geringen Anteil. Im Auftragseingang hingegen, der um 27 Prozent zulegte, sehen wir zusätzliche Impulse im Zusammenhang mit der Entwicklung von Covid-19-Impfstoffen und -Therapeutika.
Wie nachhaltig ist dieser Trend?
Ob diese Zusatznachfrage nachhaltig ist, darf in der Tat bezweifelt werden. Es gibt auch gegenläufige Effekte. Zum Beispiel haben Kunden klinische Testreihen infolge der Pandemie ausgesetzt, sodass sich die Zulassung neuer Biologika verzögern könnte. Auch wurden Produkte aus unserem Laborgeschäft wegen des Lockdowns in verschiedenen Ländern weniger nachgefragt.
Erwarten Sie nach der Krise einen Nachfrageeinbruch?
Keinen Einbruch, eher einen Schritt zurück auf das normale Niveau.
Welche Perspektiven hat die deutsche Pharma- und Biotechnologieindustrie?
Die Entwicklung neuer Pharmazeutika findet immer noch zum größten Teil in den USA statt. China und Korea holen mit Riesenschritten auf. Aber Deutschland und Großbritannien sind stärker als ihr Ruf, wie wir jetzt mit der Entwicklung von Corona-Impfstoffen sehen. Stark sind Europa und gerade Deutschland auch in zuliefernden Bereichen wie Medtech oder Life-Science-Tools - also überall dort, wo Biotechnologie und Ingenieurwesen zusammenkommen.