Im Vorfeld des Börsengangs hatte es Befürchtungen gegeben, die Emission könnte ein Flop werden, da internationale Investoren wenig Interesse an den Aktien gezeigt hatten. Experten zweifeln auch daran, ob der Konzern überhaupt so viel wert ist.
Aramco-Titel debütierten am Mittwoch mit 35,2 Riyal (umgerechnet 9,39 Dollar), zehn Prozent über ihrem Ausgabepreis von 32 Riyal. Mehr Kurszuwächse sind an der Börse in Riad gar nicht erlaubt. Innerhalb der ersten Handelsstunde wechselten 767 Millionen Aramco-Aktien den Besitzer - ungefähr so viele Titel, wie im deutschen Leitindex Dax bis zum Mittag gehandelt wurden. Bei vollständiger Ausübung der Mehrzuteilungsoption ("Greenshoe") beläuft sich das Volumen der Emission auf insgesamt 29,4 Milliarden Dollar. Spitzenreiter war bisher der chinesische Online-Händler Alibaba, der 2014 Papiere im Volumen von rund 25 Milliarden Dollar losgeschlagen hatte.
Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman hatte sich von dem Börsengang ursprünglich noch mehr erhofft. Eigentlich wollte er fünf Prozent an Saudi Aramco an die Börse bringen und damit von Investoren weltweit 100 Milliarden Dollar einsammeln, um den Umbau des stark vom Öl abhängigen Golfstaats zu finanzieren. Nun sind nur 1,5 Prozent des Staatskonzerns in privater Hand und die Investoren kommen aus Saudi Arabien und angrenzenden Ölstaaten. Insidern zufolge sind unter anderem die Staatsfonds von Abu Dhabi und Kuwait mit an Bord.
Werbeveranstaltungen in New York und London wurden dagegen abgesagt, weil das Interesse der dortigen institutionellen Anleger bislang gering war. Sie setzen seit einigen Jahren verstärkt auf klimafreundliche Investitionen, Saudi Aramco pumpt dagegen pro Tag rund elf Millionen Barrel Öl aus dem Boden. Auch die Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im Oktober 2018 im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul hatte weltweit einen heftigen Proteststurm gegen die Regierung in Riad ausgelöst und zu einer Distanz des Westens geführt.
"RÜCKSCHLAGPOTENZIAL NICHT UNTERSCHÄTZEN"
Experten sind sich unsicher, ob die Euphorie an der Börse anhält. "Die Bewertung ist sehr hoch, das Rückschlagpotenzial vom Kurs darf man nicht unterschätzen, auch wenn es jetzt kurzfristig positiv war", warnte Chefanalyst Jochen Stanzl vom Handelshaus CMC Markets. International dürfte die Aufmerksamkeit allerdings steigen, da die Titel demnächst in bekannte Indizes wie MSCI und FTSE aufgenommen werden und damit Fonds anlocken. "Der Otto-Normal-Verbraucher kann noch nicht richtig profitieren, aber er könnte sicherlich früher oder später im Rahmen von irgendwelchen ETF oder Fonds einsteigen", erläuterte Robert Halver, Börsenexperte bei der Baader Bank.
Auch eine Zweitplatzierung an einer internationalen Börse könnte nach Meinung von Experten irgendwann doch wieder auf den Tisch kommen. "Wir sind zuversichtlich, dass die Platzierung in Riad nur ein Sprungbrett ist für eine Zweitemission an einer internationalen Börse", sagte Chefanalyst Bassel Khatoun vom Brokerhaus Franklin Templeton.
DEUTSCHE BANK BEKOMMT EINEN TEIL VOM KUCHEN AB
Vorteile bringt der größte Börsengang der Welt vor allem Saudi Arabien. Die Milliarden aus der Teilprivatisierung will das Land für Projekte verwenden, die es unabhängiger vom Öl machen sollen, wie Finanzminister Mohammed al-Jadaan zu Reuters sagte. So plant die Regierung den gigantischen Technologiepark Neom, der Ökoprojekte, Biotechnologie und Erneuerbare Energien fördern soll. Außerdem sollen die Unterhaltungsindustrie und der Tourismus ausgebaut werden.
Enttäuschung dürfte dagegen bei den 25 Banken herrschen, die sich im harten Wettbewerb um die Mandate durchsetzten und den Börsengang begleiten durften. Zwar sammelten sie Insidern zufolge zusammen 90 Millionen Dollar ein. Die kleinere Emission von Alibaba vor fünf Jahren hatte ihnen aber 300 Millionen Dollar in die Kassen gespült. Und auch beim Börsengang des US-Unternehmens Facebook 2012 verdienten sie deutlich mehr. Der Großteil der Einnahmen geht nun an US-Banken wie Citi und Goldman Sachs und saudische Geldhäuser, die die Platzierung federführend begleitet haben. Aber auch die Deutsche Bank bekommt einen kleinen Teil vom Kuchen ab. Obwohl sie derzeit ihr Investmentbanking zusammenstutzt, war sie mit an Bord, allerdings in zweiter Reihe.
rtr