Rein optisch passt Franz-Josef Wernze hier irgendwie nicht her. In Anzug und Krawatte steht der 71-Jährige vor dem Bistro des Sportparks Höhenberg, umgeben von Kindern in Fußballtrikots und Erwachsenen in Trainingshosen. Normalerweise finden hier die Heimspiele des Fußballklubs Viktoria Köln statt. Heute treten nur die Teilnehmer des Ferien-Fußballcamps für Kinder gegen den Ball. Nebenan wird gebaut, dort entsteht eine neue Stahltribüne. Denn der Sportpark Höhenberg ist zu klein geworden für den Erfolg der Viktoria: Nach mehreren Anläufen ist sie endlich von der Regionalliga in die dritte Bundesliga aufgestiegen. Das bedeutet: mehr Zuschauer, mehr Aufmerksamkeit, prominentere Gegner. "Deshalb müssen wir aufrüsten, auch um die Vorgaben für die dritte Liga zu erfüllen", erklärt Wernze. Aktuell gibt es im Sportpark rund 6000 Plätze, nach dem Umbau werden es 10 000 sein. Der Erfolg von Victoria Köln ist auch das Verdienst von Franz-Josef Wernze. Der Gründer der ETL-Gruppe, einer der größten Steuerberatungsgesellschaften Deutschlands, hat viel Geld in den Verein gesteckt. Im Jahr 2010 rettete er den Klub vor der Insolvenz: "Wir hatten damals drei Millionen Euro Schulden." Wernze, dessen Vermögen um die 200 Millionen Euro liegen dürfte, ließ neue Spieler holen und neue Trainer einstellen. Als der hart erkämpfte Aufstieg endlich geschafft war, sei das "ein unbeschreibliches Gefühl" gewesen. Der Erfolg hat ihm viele Sympathiepunkte und den Spitznamen "Cheffe" gebracht.

Der ehemalige Hobbykicker Wernze ist in Windeck bei Bonn aufgewachsen und lebt in Köln. Er pendelt jeden Morgen in sein Essener Büro, abends wieder zurück, oft mit Zwischenstopp in Höhenberg. "Ich fühle mich der Region sehr verbunden. Die Förderung der Viktoria ist für mich eine Herzensangelegenheit", sagt der Geldgeber, der auf dem Viktoria- Gelände durchgehend Hände schütteln muss. Früher hat Wernze bereits seinem Ex-Klub Germania Windeck finanziell aus der Patsche geholfen. Konkrete Summen nennt er nicht. Nur so viel gibt der Unternehmer preis: "Bei Windeck habe ich etwa 100 000 Euro im Jahr bezahlt. Bei Viktoria Köln ist es mehr."

Für Ruhm und Rendite. Fußball ist ein Milliardengeschäft mit enormen Wachstumsraten. Allein die Bundesliga verzeichnete in der Saison 2017/2018 laut "DFL Wirtschaftsreport" 3,81 Milliarden Euro Gesamtumsatz. Das ist fast doppelt so viel wie vor sieben Jahren. Die einzelnen Klubs sind ebenfalls gut im Geschäft. Auch wenn nur der FC Bayern mit 657 Millionen Euro Umsatz auf Augen­höhe mit Spitzenklubs aus England und Spanien war, setzten in der Saison 2017/2018 bereits 17 von 18 Bundesliga­vereinen über 100 Millionen Euro um.

Die hohen Wachstumsraten ziehen zunehmend Investoren an. Und die steigen gern bei Klubs in den unteren Ligen ein, die sie in höhere Spielklassen oder gar in die erste Bundesliga führen wollen. Die bekanntesten Beispiele hierfür sind Leipzig und Hoffenheim. Oder sie stützen Traditionsvereine, die in einer Krise stecken. Beide Situationen sind für Investoren charmant, schließlich sind die Anteile dieser Vereine billig zu haben. Und stellt sich der erhoffte sportliche Erfolg ein, winken hohe Renditen. Die Vereine nehmen das Geld der externen Kapitalgeber gern, um im Wettbewerb zu bestehen (siehe Interview). Mittlerweile haben die meisten Bundesligaklubs ihre Profifußballabteilungen in Kapitalgesellschaften ausgegliedert, um Investoren den Erwerb von Anteilen zu ermöglichen. Ende Juni machte der bislang größte Finanzdeal der Bundesligageschichte Schlagzeilen: Der Unternehmer Lars Windhorst erwarb über seine Investmentfirma Tennor Holding B.V. 37,5 Prozent an der Hertha BSC GmbH & Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA). Windhorst schießt der Profi-Abteilung des gleichnamigen Berliner Klubs zunächst 125 Millionen Euro zu, will aber schon in der kommenden Saison Anteile nachkaufen und so insgesamt 225 Millionen Euro in die Hertha investieren.

Die Motivation der Geldgeber ist jedoch von Fall zu Fall verschieden. Investoren wie Windhorst sind vorrangig an der Rendite interessiert. Unternehmen wie Adidas, Audi und Allianz, die sowohl Sponsoren des FC Bayern als auch jeweils zu gleichen Teilen am Klub beteiligt sind, verfolgen dagegen strategische Ziele und wollen ihre Bekanntheit steigern und ihr Image verbessern: Allianz ist Namensgeber des Münchner Stadions, Adidas als Ausrüster omnipräsent auf Trikots und Fanartikeln.

Und dann gibt es noch Mäzene, die hauptsächlich aus emotionalen Gründen Geld in einen Fußballverein stecken. In der Bundesliga treten sie in unterschiedlicher Form in Erscheinung: Während die einen sich darauf beschränken, Kapital zu stellen, übernehmen die anderen Funktionen im Verein und beteiligen sich an Personalentscheidungen. Die finanzielle Rendite ist ihnen offiziell egal - ihr Engagement ist eher ein teures Hobby, ihre Motivation die Bindung zu Verein und Region. Oft engagieren sie sich in Klubs aus ihrer Heimat oder in Traditionsvereinen, denen sie wieder auf die Beine helfen wollen.

Nicht immer sind die Grenzen zwischen diesen verschiedenen Motiva­tionen scharf zu trennen. Franz-Josef Wernze etwa sieht sich bei Viktoria Köln als Gönner. Dafür ist seine ETL- Gruppe Hauptsponsor des Vereins. Das Logo ist überall zu sehen, auf Trikots und auf Stadionbannern. "Natürlich werden die Auswärtsspiele in der dritten Liga auch eine Werbetour für ETL", sagt Wernze. Er ist Realist und interessiert sich durchaus auch für das finanzielle Potenzial des Fußballgeschäfts: 2011 half er dem damals klammen 1. FC Köln, den Lokalhelden Lukas Podolski von München zurück zum Verein zu holen, und sicherte sich dafür einen Teil der Transferrechte. Außerdem besitzt der Unternehmer 70 Prozent der Anteile des polnischen Erstligisten Lechia Danzig. Der Wert des Klubs steigt stetig, irgendwann wird Wernze mit Gewinn verkaufen: "Danzig ist ganz klar ein Investment."

Ein Selbstläufer sind solche Invest­ments aber nicht, das Engagement externer Kapitalgeber bei Fußballver­einen ist durchaus riskant. Der milliardenschwere Unternehmer Klaus-Michael Kühne etwa hat jahrelang viel Geld in den Hamburger SV gepumpt, hält 20 Prozent an der HSV Fußball AG. Dennoch ist der einstige ewige Bundesligist HSV inzwischen in die zweite Liga abgestiegen. Frisches Geld will Kühne künftig erst einmal nicht mehr beisteuern. Ähnlich sieht es beim TSV 1860 München aus: Der Verein stand im Jahr 2011 vor der Insolvenz, als der jordanische Investor Hasan Ismaik zur Rettung eilte. Sein Einstieg stürzte die Löwen aber noch mehr ins Chaos - auch, weil Ismaik seine Finanzspritzen stets an Bedingungen knüpfte und sich massiv in die Personalpolitik einmischte. Nach einem kurzfristigen Abstieg in die Amateurklasse spielt 1860 in der laufenden Saison wieder in der dritten Liga.

Gutes Geld, schlechtes Geld. Investor Bernd Beetz wiederum wollte "einfach nur den Verein retten", als er 2016 erstmals bei Waldhof Mannheim auftrat, um mit einer Million Euro die Ausgliederung der Profi-Abteilung in eine Spielbetriebs-GmbH zu ermöglichen. Beetz, über Jahrzehnte erfolgreicher Manager und Ex-Chef des Kosmetikriesen Coty, ist im Mannheimer Ortsteil Käfertal aufgewachsen, hat in Mannheim studiert und war schon als Kind im Waldhof-Stadion. In den vergangenen Jahrzehnten ist Beetz geschäftlich weltweit unterwegs gewesen. Die Verbundenheit zur Heimat und zum Verein blieb aber.

Deshalb zögerte Beetz auch nicht lange, als ein Waldhof-Funktionär ihn ansprach und um Unterstützung bat. "Es brauchte jemanden, der Geld und Motivation in den Klub brachte. Da habe ich sofort Ja gesagt", erinnert sich Beetz. Je mehr der Manager sich engagierte, desto mehr Probleme sah er. Das reizte ihn, denn Rückschläge und Herausforderungen treiben ihn an, wie er sagt. Inzwischen ist Beetz Präsident des SV Waldhof Mannheim, hält sich aus den Geschäften des Vereins aber weitgehend heraus.

Jüngst ist Waldhof Mannheim immerhin in die dritte Bundesliga aufgestiegen. Dort wolle man sich festspielen, erklärt Beetz. Der 69-Jährige erscheint zu formellen Anlässen oder Fernsehauftritten gern im Vereinstrikot, steht an Spieltagen oft im Stadion. An die finanzielle Rendite seines Engagements habe er nie gedacht, behauptet er: "Finanziell war die Situa­tion des Vereins eher demotivierend, als ich eingestiegen bin. Da konnte man nur Geld verlieren." Sein Hauptantrieb sei der sportliche Erfolg, auch die emotionale Rendite spiele eine große Rolle: Seine Kinder, die Fans und auch die Stadt Mannheim feiern den Mäzen für sein Engagement. "Der Verein war schon mal so gut wie insolvent. Ohne Herrn Beetz wären wir aus dieser Lage nicht herausgekommen", sagt Waldhof-Geschäftsführer Markus Kompp. Der Einstieg betuchter Geldgeber stößt aber nicht immer auf Gegenliebe. Besonders in der ersten Bundes­liga schlägt Mäzenen wie dem SAP-Mitgründer Dietmar Hopp bei der TSG Hoffenheim, dem Hannover-96-Gönner Martin Kind und Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz bei RB Leipzig viel Feindseligkeit entgegen. "Wer im Fußball Geld für einen Verein gibt, wird von den eigenen Fans verherrlicht, die anderen sind neidisch. Das ist die Formel", sagte Dietmar Hopp einmal.

Fußballtraditionalisten betrachten ­Investoren als Heuschrecken, die den Klubs ihre Seelen abkaufen. Auch Viktoria-Köln-Gönner Wernze musste Schmierereien an seinem Haus entfernen lassen, als er sich an Transfers des 1. FC Köln beteiligte. Die Sorge der Fans vor dem Ausverkauf ­ihrer Vereine kann er verstehen. Trotzdem warnt er davor, alle Geldgeber über einen Kamm zu scheren. Zudem dürfe man bei aller Traditionspflege die wirtschaftlichen Realitäten im Fußball nicht aus den Augen verlieren. Denn eines steht für Wernze fest: "Geld schießt nun einmal Tore."



Interview Christoph Breuer, Sportökonom: "Permanentes Rattenrennen"


Gute Spieler sind teuer, und Erfolg wird im Fußball buchstäblich erkauft. Kein Wunder, dass Vereine und Investoren hier so oft zueinanderfänden, sagt ­Christoph Breuer, Professor für Sportmanagement an der Deutschen Sport­hochschule Köln. Breuer beschäftigt sich seit Jahren mit den ökonomischen Aspekten des Spitzensports und hat ­unter anderem am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung gearbeitet.

€uro: "Geld schießt Tore", sagen Fußballmäzene wie Franz-Josef Wernze von Viktoria Köln. Stimmt das aus wissenschaftlicher Sicht denn?
Christoph Breuer: Ja. Im modernen Profifußball gibt es ein permanentes Rattenrennen: Viele Vereine verfolgen das gleiche Ziel, etwa die Qualifikation für einen internationalen Wettbewerb. Aber nicht alle können es erreichen, weil die Qualifikationsplätze begrenzt sind. Um im Wettbewerb die Nase vorn zu haben, müssen die Vereine also viel Geld in die Hand nehmen, Topspieler und Toptrainer verpflichten.

Warum setzen die Klubs dabei auf externe Geldgeber?
Vereine nehmen vor allem dann gern Geld von außen an, wenn es sportlich nicht läuft. Das finanzielle Hauptrisiko für einen Verein im Profifußball ist der Liga-Abstieg. Dann sinken die Einnahmen aus Fernsehübertragungen oder der Teilnahme an internationalen Wettbewerben. Die hohen Kosten bleiben aber zunächst erhalten, weil Spieler­gehälter oder Stadionmieten weitergezahlt werden müssen. Das reißt Löcher in die Kassen, wie sich aktuell beim Hamburger SV gut beobachten lässt. Aber auch wenn sich ein Klub nicht in einer finanziellen Notlage befindet, sind externe Kapitalspritzen interessant - etwa, um in einen besseren Kader und damit mehr sportlichen und wirtschaftlichen Erfolg zu investieren.

Was haben Investoren davon, wenn sie ihr Geld in mitunter schwer angeschlagene Fußballvereine stecken?
Viele zielen auf eine gesellschaftliche Rendite ab. Ihnen geht es um soziales Ansehen. Markeninvestoren dagegen wollen ein Sponsorship langfristig ab­sichern. Finanzinvestoren wiederum interessieren sich naturgemäß für die finanzielle Rendite: Sie steigen häufig dann ein, wenn ein Klub in einer fi­nanziellen Schieflage ist und man sich günstig einkaufen kann. So können ­Investoren mit starken Wertsteigerungen ihrer Anteile rechnen. Wenn es gut läuft, machen sie also Gewinn, wenn sie wieder verkaufen.

Wie verändern solche Finanzinvestoren die Vereinslandschaft?
In der Bundesliga gibt es aktuell nur noch vier eingetragene Vereine. Die anderen Klubs sind Kapitalgesellschaften, an denen der Stammverein 100 Prozent oder eine Mehrheit hält. Dafür sorgt die sogenannte 50+1-Regel, nach der es Kapitalanlegern nicht möglich ist, die Stimmenmehrheit bei ausgegliederten Profi-Abteilungen zu übernehmen. ­Eine Ausnahme stellen die Vereine dar, bei denen die Stimmenanteile der zugehörigen Kapitalgesellschaften komplett in fremder Hand liegen. Das sind der VfL Wolfsburg, Bayer Leverkusen und die TSG 1899 Hoffenheim.

Investoren machen den Fußball ­kaputt, sagen Kritiker. Stimmt das?
Das kommt auf den Blickwinkel an. Die Praxis zeigt aber: Es gibt kaum Investoren, die Klubs herunterwirtschaften. Dagegen gibt es viele Beispiele dafür, dass externe Kapitalgeber im Sport zunächst in den sportlichen Erfolg investieren - und alles andere erst einmal hintanstellen.

Weitere Infos zu wichtigen Investoren im deutschen Fußball finden Sie hier: Wichtige Investoren im deutschen Fußball