Der Preis für CO2-Emissionsrechte-Zertifikate im europäischen Emissionshandelssystem hat in der vergangenen Woche erneut Rekord-Höchststände erreicht. Das verbriefte Recht, eine Tonne des Treibhausgases zu emittieren, kostete am Montag erstmals mehr als 39 Euro. Bereits in der Vorwoche hatten die Notierungen kräftig angezogen, seit Anfang November haben sich die Papiere um über 60 Prozent verteuert.
Neben fundamentalen Faktoren sind auch Finanzinvestoren für den starken Anstieg verantwortlich. Gerüchten zufolge sollen Spekulanten in größerem Stil auf fallende Zertifikatspreise gesetzt haben, indem sie CO2-Futures leer verkauften. Als die Wette nicht aufging, mussten sie ihre Positionen glattstellen und sich mit Futures eindecken, was zu einem starken Nachfrageüberhang und somit zu weiter steigenden Preisen führte. Gleichzeitig sind in den vergangenen Monaten große Institutionelle und Hedgefonds in den Markt eingestiegen, der bisher eher ein Nischendasein führte. So erklärte vor wenigen Tagen ein Analyst des in Rohstoffkreisen sehr bekannten Hedgefonds-Managers Pierre Andurand öffentlichkeitswirksam gegenüber dem Nachrichtendienst Bloomberg, dass er mittelfristig mit einem CO2-Preis von 100 Euro pro Tonne rechne.
"Der Markt scheint zunehmend Spekulanten anzuziehen. Das könnte den CO2-Preis viel höher treiben, und das deutlich eher, als die meisten Marktbeobachter bisher erwartet haben", sagt Bjarne Schieldrop, Chef-Rohstoffstoffanalyst der schwedischen Bank SEB. Gleichzeitig sieht er die Preisentwicklung aber durchaus von fundamentalen Daten untermauert. "Im vergangenen Jahr hat sich der politische Hintergrund für das Bullen-Szenario deutlich verstärkt", so Schieldrop.
Höhere Preise sind Teil des Systems
Aufgrund des verschärften Klimaziels der EU - die Staatengemeinschaft strebt bis 2030 nunmehr eine Reduktion der Emissionen um 55 Prozent gegenüber 1990 an statt zuvor 40 Prozent - werde die Union voraussichtlich Mitte des Jahres eine Revision des Emissionshandelssystems vornehmen und die ausgegebene Menge an CO2-Zertifikaten weiter kürzen. Außerdem könnte die Schifffahrt in das System aufgenommen und CO2-Grenzabgaben eingeführt werden.
Das EU-Handelssystem verpflichtet bestimmte Industriezweige dazu, für ihre Emissionen CO2-Zertifikate zu kaufen. Die Gesamtzahl der Zertifikate wird zunehmend verknappt, um den Preis zu erhöhen und so Anreize für einen geringeren Ausstoß von Treibhausgasen beziehungsweise für Investitionen in alternative Technologien zu schaffen.
Grundsätzlich positive Stimmung
Zusätzlich ließen der Wintereinbruch und der geringe Füllstand europäischer Gasspeicher die Gaspreise steigen. Zusammen mit den deutlich höheren Ölpreisen stützt dies die Notierungen der Emissionsrecht-Zertifikate. Auch wenn die meisten grundsätzlich positiv bezüglich des CO2-Preises gestimmt sind, warnen Analysten vor Rückschlägen. Das Tempo des Aufstiegs könne Industriekunden, also die eigentlichen Adressaten des Emissionshandels, an die Seitenlinie drängen und dort in Ruhe auf niedrigere Preise warten lassen. Denn Prognosen zufolge dürften sich Angebot und Nachfrage im laufenden Jahr ungefähr ausgleichen.
"Trotz unserer grundsätzlich positiven Haltung in längerfristiger Perspektive wegen der starken politischen Unterstützung sind die CO2-Preise aus fundamentaler Sicht kurzfristig zu hoch", erklärt Eugen Weinberg, Rohstoffanalyst der Commerzbank. Er rechnet mit einer baldigen Korrektur. Wer Rücksetzer zum Einstieg nutzen will, kann das Indexzertifikat der Société Générale (ISIN: DE 000 CU3 RPS 9) erwerben. Es bildet die Entwicklung der Emissionsrechts-Papiere im Verhältnis eins zu eins ab. Das Anlegern vielleicht geläufigere Indexzertifikat (DE 000 DR1 WBM 0) wurde zu Ende März gekündigt.