"Das haben ja viele nicht geglaubt, dass es was wird. Jetzt sind wir an der Ziellinie", sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) am Freitag kurz vor Ankunft in der norditalienischen Lagunenstadt. Das Projekt sei nicht mehr in Gefahr. "Bei der globalen Mindeststeuer gibt es keine Knackpunkte mehr."

Sie werde Deutschland erhebliche zusätzliche Einnahmen für den Fiskus bringen, hatte er zuvor in Interviews für die ARD und den Deutschlandfunk bekräftigt. Genaue Zahlen nannte er erneut nicht. EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sagte der Funke-Mediengruppe, es werde erhebliche Konsequenzen für EU-Mitglieder geben. "Ein Mindeststeuersatz von 15 Prozent würde bedeuten, dass de facto elf EU-Länder ihre Steuersätze erhöhen müssten." Es werde zwar weiterhin Unterschiede geben, es könne so aber verhindert werden, dass diese zu groß würden, so der Italiener.

Unter dem Dach der Industriestaaten-Organisation OECD haben sich mittlerweile 131 Länder auf eine umfassende Steuerreform verständigt, acht Staaten zogen zunächst nicht mit. Die Pläne enthalten eine globale Mindeststeuer für Unternehmen von 15 Prozent. Außerdem sollen große Schwellenländer mehr Steuern von den größten und profitabelsten Konzernen der Welt abbekommen.

Das G20-Treffen soll die OECD-Einigung von vergangener Woche bestätigen. Dazu sind am Freitag und Samstag Beratungen geplant. Im aktuellen Entwurf für das Abschlusskommunique zum G20-Treffen heißt es, die OECD werde aufgefordert, bis Oktober letzte technische Details zu klären und einen Plan zur Umsetzung auszuarbeiten. Weitere Länder werden zudem aufgerufen, sich dem Projekt anzuschließen. Die Steuerreform soll nächstes Jahr in Gesetzesform gegossen werden und ab 2023 greifen.

FRANKREICH PLÄDIERT FÜR NOCH HÖHERE MINDESTSTEUER


Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire warb in Venedig für eine noch höhere Mindeststeuer. "Wir müssen ambitioniert sein", sagte er Bloomberg TV. Ein höherer Satz als 15 Prozent gilt unter Experten aber als unrealistisch.

Schon jetzt haben einige Länder in den OECD-Verhandlungen nicht mitgezogen - darunter mit Irland, Ungarn und Estland drei EU-Staaten, die allesamt dafür bekannt sind, global agierende Konzerne mit niedrigen Steuern anzulocken. In den vergangenen Jahren haben viele davon Teile ihrer Gewinne in Niedrigsteuerländer verlagert und zahlen so am Ende oft deutlich weniger Steuern als etwa Mittelständler. Diese Praxis soll mit der Reform beendet werden, außerdem sollen die Regeln an das Digitalzeitalter angepasst werden.

"Der globale Mindeststeuersatz muss sich an den von den USA ins Spiel gebrachten 15 Prozent orientieren", forderte Joachim Lang vom deutschen Industrieverband BDI. "Unternehmen sind auf dauerhafte Rechtssicherheit und möglichst wenig Bürokratie angewiesen." Digitalsteuern einzelner Länder oder in ganz Europa seien nicht der richtige Weg.

Die EU-Kommission wird laut Gentiloni trotzdem an ihren Plänen für eine europäische Digitalabgabe für Unternehmen festhalten, obwohl es dagegen massive Einwände der US-Regierung gibt. "Wir werden den Vorschlag dazu in Kürze vorlegen." Die Digitalabgabe werde aber etwas anderes sein als frühere Pläne für eine Besteuerung von digitalen Dienstleistungen oder entsprechende Digitalsteuern in einzelnen Ländern. "Unser Plan richtet sich nicht gegen amerikanische Konzerne." Beobachtern zufolge haben die USA die internationalen Verhandlungen über die Mindeststeuer zuletzt stark vorangetrieben, um einen Flickenteppich aus zahlreichen nationalen Digitalsteuern zu verhindern.

rtr