Die Flucht der Anleger aus den Schwellenländern hat die positive Entwicklung der Emerging-Markets-Bonds in den Hintergrund gedrängt. Dennoch gilt: Strukturell ist dieses Anlagesegment heute deutlich besser aufgestellt als noch vor einigen Jahren. Sowohl mit Blick auf Größe als auch Tiefe zählt der Markt für Schwellenländeranleihen zu den Schwergewichten. Aus einem Nischenmarkt ist ein etabliertes Segment mit rund 1,7 Billionen US-Dollar Volumen geworden. Gleichzeitig stieg der Anteil der Corporates von etwa fünf Prozent auf heute über 17 Prozent. Zudem nahm der Anteil der Anleihen in lokaler Währung zu - und damit das Risiko von Währungsschwankungen ab.
Die hohe Qualität des Marktes spiegelt sich auch in der verbesserten Kreditwürdigkeit von Staatsanleihen und Corporate Bonds wider. Im Bereich der Corporates hat das kräftige Wirtschaftswachstum bei vielen Unternehmen zu einer stabilen Finanzstruktur geführt. Insgesamt drückt sich dies in einer kontinuierlichen Verbesserung der Bonität von EM-Bonds aus. Ein Nebeneffekt der Reifung des Marktes war die Etablierung heimischer Kapitalbildung im privaten Sektor - und damit eine Verbreiterung der Investorenbasis. Versicherungen sind mittlerweile eine wichtige Säule der Stabilität. Ihr Marktvolumen betrug Ende 2012 rund 3,4 Billionen US-Dollar. Auch Pensionsfonds sind mit rund 2,1 Billionen US-Dollar starke "Player".
Die beschriebene Entwicklung ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist geprägt durch die Notwendigkeit der Schwellenländer, ihre Volkswirtschaften auf ein nachhaltiges Fundament zu stellen. Problemzonen bleiben in manchen Ländern unausgewogene, stark vom Export abhängige Wachstumsmodelle, Fehlallokationen von Ressourcen sowie fehlende Strukturreformen. Die gute Nachricht aber lautet: Einige der Schwellenländer lassen erkennen, dass sie durchaus bereit sind, den Weg der Reformen zu beschreiten. Deshalb glauben wir, dass die Anlageklasse der Emerging-Markets-Bonds weiterhin gute Chancen bietet, der Stellenwert der Selektion aber zugenommen hat. Anleger sollten sich vor allem auf drei Analysefelder konzentrieren.
Erstens: In einigen Schwellenländern, vor allem China, wurde das investitionsgetriebene Wirtschaftswachstum bislang stark über Schulden finanziert. Der daraus resultierende starke Schuldenanstieg stellt ein Hauptrisiko für die Emerging Markets dar. Nicht nur die Höhe der Verschuldung ist problematisch, sondern auch die Struktur der Kreditgeber. Die Dominanz von Bankkrediten im Markt macht den Bankensektor fast zum Monopolisten in Sachen Kreditrisiko. Das ungezügelte Wachstum eines Schattenbankensystems muss unterbunden werden und bleibt eine große Herausforderung für die Politik.
Zweitens: Wichtig ist der Blick auf die Haushalts- und Leistungsbilanzen einzelner Schwellenländer. Einige zeigen ein nur geringes Maß an fiskalischer Disziplin bei wenig nachhaltiger Expansion und steigenden Importen. Dadurch verschlechtert sich sukzessive der Kurs der lokalen Währung. Die mögliche Folge ist ein Zwillingsdefizit - also ein gleichzeitiges Haushalts- und Leistungsbilanzdefizit. Manche Staaten, insbesondere die sogenannten "Fragile Five" - Brasilien, Südafrika, Indonesien, Indien und die Türkei - geben hier Anlass zur Sorge.
Drittens: In manchen Ländern speist sich ein großer Anteil des Wachstums aus den Rohstoffen. Die hohe Abhängigkeit von natürlichen Ressourcen kann jedoch auch negative Effekte haben, wie das Beispiel der Niederlande zeigt. Dort hatten die entdeckten Erdgasvorkommen über Wechselkurseffekte zu abnehmender Wettbewerbsfähigkeit der exportorientierten Wirtschaft geführt - und damit unerwartete Wohlstandseinbußen bewirkt. Besonders rohstoffreiche Länder wie zum Beispiel Brasilien, Russland, Chile und Südafrika scheinen für dieses Problem anfällig.
Yerlan Syzdykov
Syzdykov startete seine Karriere nach seinem MBA-Abschluss im Jahr 1997 als Aktienanalyst bei Renaissance Capital in Moskau. Er hat sich sein ganzes Berufsleben lang mit den Emerging Markets beschäftigt und ist Leiter des Teams für Emerging Markets - Bond & High Yield - bei Pioneer Investments. Seit 14 Jahren spielt er dort eine maßgebliche Rolle bei der Entwicklung von Investmentstrategien für Anleihen.