Ausverkauf, Schuldenkrise, Währungsverfall - die negativen Schlagworte im Zusammenhang mit den Emerging Markets häufen sich. Da es zwischen den Ländern große Unterschiede gibt, sollten sich Anleger von Pauschalurteilen nicht verunsichern lassen oder gar auf ein langfristiges Engagement in aufstrebenden Volkswirtschaften verzichten.
Der Assetmanager Robeco rechnet für die kommenden fünf Jahre bei Schwellenländeraktien mit einer Rendite von 6,75 Prozent pro Jahr, bei Aktien aus Industrieländern sind es lediglich 4,75 Prozent. Der Fondsanbieter Pictet kommt in seinem ebenfalls jüngst veröffentlichten Fünfjahres-Ausblick zu einem tendenziell ähnlichen Ergebnis. Und auch im Anleihebereich zählen Bonds aus Emerging Markets in beiden Langfristprognosen zu den Investments mit den besten Aussichten.
Für Unruhe sorgten die Daten des Weltbankenverbands IIF zu den Kapitalflüssen im September: Aus Schwellenländeraktien sind 10,8 Milliarden Dollar abgezogen worden. Weniger Beachtung fand, dass Emerging-Markets-Anleihen laut IIF im selben Monat 12,9 Milliar- den Dollar an Zuflüssen verzeichnen konnten. Unterm Strich wurden in Schwellenländerpapiere 2,1 Milliarden Dollar gesteckt. Im August waren dies 0,7 Milliarden Dollar. Und auch wenn die Abflüsse gegen Ende des Monats September zugenommen haben - Anlegerflucht und Ausverkauf sehen anders aus.
Xavier Hovasse vom Vermögensverwalter Carmignac zählt zu den Strategen mit positiver Sicht auf Schwellenländeraktien. "Der richtige Zeitpunkt, um in diesem Universum anzulegen, wird immer schwer einzuschätzen sein", sagt er. Stets seien mögliche Risikofaktoren zu bedenken, aktuell der Verlauf der Corona-Pandemie, die US-Wahlen, Inflationsgefahren durch lockere Geldpolitik und Druck auf die Währungen. "Wegen des besseren Ausblicks und attraktiver langfristiger Wachstumstreiber bieten Schwellenländer aber Wertpotenzial und verdienen einen Platz im breit aufgestellten Portfolio", sagt Hovasse.
Unterschiedliche Sektoren
Auf Unterschiede in der Finanzlage der Staaten und der Zusammensetzung der Aktienindizes verweist man bei Aberdeen Standard Investments. Im asiatischen Schwellenländerindex entfielen 20 Prozent auf Informationstechnologie. In den beiden Aktienindizes für lateinamerikanische und europäische Schwellenländer seien dagegen Finanzen, Grundstoffe und Energie die größten Sektoren - und IT-Titel mit weniger als einem Prozent kaum vertreten.
Auch bei der Staatsverschuldung, die nach der IWF-Warnung vor einem zunehmenden Risiko von Schuldenkrisen in den Blickpunkt rückte, gilt es zu differenzieren. "Asiatische Länder wie China, Südkorea und Taiwan, die zusammen 80 Prozent des asiatischen Aktienmarkts ausmachen, profitieren von einer niedrigeren Staatsverschuldung sowie relativ moderaten Zahlungsbilanzdefiziten", so die Aberdeen-Experten. In starkem Kontrast dazu stünden Länder wie Brasilien, das 60 Prozent des lateinamerikanischen Aktienindex ausmacht, und Südafrika, das einen Anteil von 30 Prozent im Schwellenländerindex der Region Europa, Nahost und Afrika hat. Steigende Haushaltsdefizite und ausufernde Staatsverschuldung beunruhigten hier die Investoren.
Ausländisches Kapital
Ende September litten vor allem Aktien aus dem Banken- und Rohstoffbereich, sagt Colin Croft von Jupiter Asset Management. Zudem seien Länder wie die Türkei, die von externer Finanzierung abhängig sind, besonders betroffen gewesen. Dort schlage sich der massive Einbruch im Tourismus sowohl in der Binnenkonjunktur als auch in den Deviseneinnahmen negativ nieder, erläutern die Analysten von Raiffeisen Capital Management: "Die Notwendigkeit ständiger ausländischer Kapitalzuflüsse ist seit jeher die Achillesferse der türkischen Volkswirtschaft." Zur Pandemie kommen hausgemachte Probleme wie die Zweifel an der Unabhängigkeit der Notenbank, woran auch die Leitzinserhöhung im September nichts änderte. Die Lira befindet sich in einer Abwertungsspirale. Immerhin ist der Kapitalmarktzugang weiter offen: Die Türkei konnte vor Kurzem eine Dollar-Anleihe platzieren, allerdings mit einem deutlich höheren Zins als zu Jahresanfang.
Asiatischer Vorsprung
Die Schwellenländerfavoriten vieler Investoren befinden sich in Asien. Maya Bhandari von Columbia Threadneedle sagt, diese Region sei die einzige, für die Gewinnsteigerungen der Unternehmen sowohl für 2020 als auch für 2021 erwartet werden. Auch die Raiffeisen-Experten stellen fest: "Asien ist am wenigsten weit von einer Form der Normalität entfernt. Insbesondere in China lassen sich kaum mehr Einschränkungen der wirtschaftlichen Leistungen durch Corona erkennen." In Lateinamerika und Osteuropa seien die Spuren der Covid-19-Krise dafür überdeutlich zu sehen.
In der Divergenz von China sowie anderen asiatischen Ländern gegenüber dem Rest der Welt sieht man auch bei Amundi große Chancen. "Angesichts der nach wie vor hohen Unsicherheit über die Entwicklung des Zyklus in Europa und den USA entwickelt sich China zum Wachstumsmotor", meinen die Anlagestrategen Pascal Blanqué und Vincent Mortier. Die Stärke Chinas stehe hinter dem Appetit auf ausgewählte Aktien und Anleihen, aber auch Währungen der Schwellenländer, die von einer erwarteten Dollar-Schwäche profitieren. Auf diese Chancen sollten Anleger nicht wegen ein paar negativer Schlagzeilen und der Untergangsszenarien einiger Crash-Propheten verzichten.
INVESTOR-INFO
Candriam SRI Equity Em. Mkts.
Aktien mit Schwerpunkt Asien
Der mit FondsNote 1 ausgezeichnete Aktienfonds, bei dem auch Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt werden, setzt zurzeit vor allem auf die asiatischen Schwellenländer: China, Taiwan und Südkorea stehen für zwei Drittel des Portfolios. 2020 ist der Fonds bisher zehn Prozent im Plus, binnen drei Jahren gab es im Schnitt eine Rendite von sechs Prozent per annum. Für Anleger, die sich ganz auf Asien konzentrieren wollen, ist der Fidelity Asia Focus eine gute Wahl.
JPM Em. Mkts. Inv. Grade Bond
Anleihen mit Absicherung
Der Note-1-Fonds setzt auf Staats- und Unternehmensanleihen mit gutem Rating, die in Dollar begeben werden. Das Währungsrisiko ist in Euro abgesichert. Mexiko hat mit neun Prozent den größten Anteil, vor Indonesien und China mit je sieben Prozent. 2020 liegt das Plus bisher bei fünf Prozent, binnen drei Jahren gab es im Schnitt drei Prozent jährlich. Schwellenländerinvestment für Vorsichtigere.