Die Weltbörsen haben einen denkbar schlechten Start in das neue Jahr erwischt. Auch die europäischen Börsen sind arg unter die Räder gekommen. Weil die Kurse dabei querbeet eingebrochen sind, war 2016 somit bisher kein gutes Pflaster für die zahlreichen Aktien-Empfehlungen, die Investmentbanken für das inzwischen laufende Jahr ausgesprochen haben. Doch der verpatzte Jahresauftakt kann auch sein Positives haben. Zumindest aus Sicht jener Anleger, die davon ausgehen, dass die jüngsten Kursverlusten nur ein Ausrutscher waren und der im März 2009 aufgenommene Bullenmarkt letztlich doch wieder aufgenommen werden kann. Denn wenn sich diese Erwartungshaltung erfüllt, dann hätte man jetzt die Chancen, noch größere Kursgewinne einzufahren, nachdem sich die Notierungen in der Regel weiter von den Kurszielen nach unten hin entfernt haben.
Das gilt im Schnitt auch für die zwölf von der Société Générale für 2016 als Top-Empfehlungen herausgestellten europäischen Standardaktien. Geografisch ist diese Liste mit 8 Unternehmen aus unserem Nachbarland sehr Frankreich-lastig. Hinzu kommen zwei britische, zwei italienische und ein niederländischer Titel. Auf Branchenebene liegt mit jeweils vier Werten der Schwerpunkt auf dem Finanz- und dem Konsumbereich. Zwei Aktien stammen aus dem Rohstoffsektor, einer aus dem Versorgersektor, einer aus dem Baubereich und einer aus dem Pharmasegment.
Die Aufteilung spiegelt dabei fünf Grundthesen wider. Gefallen finden die Analysten der Société Générale an Öl-Aktien, weil sie im Jahresverlauf mit einem steigenden Ölpreis rechnen Französische Titel sind über proportional stark vertreten, weil man an die Restrukturierungsstory Frankreichs glaubt. Außerdem bergen die Unternehmen dort auch Restrukturierungspotenzial, was ebenfalls ein in diesem Jahr bevorzugter Anlageschwerpunkt ist. Zudem gelten Gesellschaften aus Frankreich im Schnitt als besonders währungssensibel. Will heißen, von einem schwachen Euro, von dem man bei der Société Générale ausgeht, profitieren sie besondere stark. Zu guter Letzt enthält die Liste auch noch relativ dividendenstarke Werte, weil eine ansehnliche Dividendenrendite in einem anhaltenden Niedrigzinsumfeld als weiterhin zugkräftiges Kaufargument gesehen wird.
Zu den Top-Kaufempfehlungen aus dem europäischen Standardwertebereich zählen Accor, Akzo Nobel, AXA, Crédit Agricole, Enel, Intesa Sanpaolo und Renault. Die restlichen fünf Top-Picks für 2016 stellen wir Ihnen auf den nachfolgenden Seiten etwas näher vor. Die Kursziele bewegen sich dabei zwischen 41 Prozent und 57 Prozent und die erwartete Dividendenrendite beträgt bis zu Prozent.
Europa-Top-Pick der Société Générale mit dem fünfgrößten Performance-Potenzial: Royal Dutch Shell Plc. (WKN: 13,55 britische Pfund, A0D94M, 18,16 Euro, alle Kurs- und Bewertungsangaben beziehen sich auf dem Stand vom 14.01.)
Der Ölpreis befindet sich derzeit nach wie vor praktisch im freien Fall. Wer weiß, vielleicht hat SocGen-Analystin Irene Himona vor diesem Hintergrund ihre Empfehlung für Royal Dutch Shell inzwischen zumindest was das Timing angeht bereits bereut. Denn im Sog des schwachen Ölpreises geht es wie nicht anders zu erwarten war auch mit dem Aktienkurs des britisch-niederländische Ölkonzerns kontinuierlich immer weiter nach unten. Inzwischen rückt dadurch sogar das im Oktober 2008 bei 12,94 Pfund aufgestellte Tief gefährlich nahe. Aber auch aktuell hat der Titel gegenüber dem Hoch aus dem Jahr 2014 bereits 44 Prozent verloren.
Trotz des sich daraus ergebenden langfristigen charttechnischen Abwärtstrends qualifiziert sich der Stoxx 50 Index-Vertreter gleich in zwei Punkten für die Favoritenlese der französischen Bank. Denn zum einen würde das Unternehmen natürlich vom Ölpreis profitieren, falls dieser wie von der Société Générale erwartet, den Dreh hinbekommt und wieder zu steigen beginnt. Zum anderen kommt Royal Dutch Shell mit einer richtig fetten Dividendenrendite daher. Zumindest dann, falls die Annahme von Himona stimmt und erneut eine Gesamtjahresdividende von 1,73 Euro je Aktie ausgeschüttet wird. Schließlich wäre das dann umgerechnet gleichbedeutend mit einer wirklich satten Dividendenrendite von 9,5 Prozent. Bei einem Kursziel von 18 Pfund und dem daraus resultierenden Kurspotenzial von 32,8 Prozent ist laut Société Générale eine Gesamtperformance von fast 41 Prozent drin.
Die Höhe der Dividende ist ein echtes Krisensignal und lädt unter normalen Umständen förmlich zum Einstieg ein. Doch der dynamische Ölpreisverfall hat eben viele potenzielle Käufer in eine Art Schockstarre versetzt. Wobei als zusätzlicher Belastungsfaktor bei Royal Dutch Shell auch noch die Mega-Übernahme des britischen Gas-Konzerns BG Group für Verunsicherung sorgt. Hier steht einerseits die Frage im Raum, ob man sich im aktuell schwierigen Umfeld mit dem rund 51 Milliarden Dollar schweren Deal nicht verhebt. Andererseits hat sich der Abschluss der Offerte lange hingezogen, aber zumindest der letztgenannte Punkt könnte nun bald wegfallen. Denn am 27. und 28. Januar werden die Aktionäre der beiden Unternehmen über das Geschäft abstimmen.
Himona steht der Übernahme grundsätzlich positiv gegenüber und sie geht auch davon aus, dass ein Restrukturierungsprogramm nennenswerte Verbesserungen bringen wird. Außerdem gefallen ihr die defensiven Qualitäten des Titels, die aus einer robusten Bilanz und einer im Branchenvergleich geringen Verschuldungsquote resultieren. Das Unternehmen selbst hat unlängst mit dem Vorschlag, die die Investitionen im kommenden Jahr um weitere zwei Milliarden auf 33 Milliarden Dollar zu kürzen, versucht, die etwas blank liegenden Nerven der Anleger zu beruhigen. Was das Ergebnis angeht, rechnet die Société Générale für 2015 mit einem deutlichen Rückgang von 3,57 Dollar auf 1,69 Dollar je Aktie. Im nächsten Jahr soll sich der Gewinn dann mit 1,65 Dollar auf dem tieferen Niveau stabilisieren, bevor 2017 wieder höhere 2,39 Dollar je Aktie herausspringen sollen. Auf letztgenannter Basis ergibt sich ein geschätztes KGV von 8,2.
Europa-Top-Pick der Société Générale mit dem viertgrößten Performance-Potenzial: Aviva Plc. (WKN: 854013, 4,716 britische Pfund, 6,241 Euro)
Schon seit zwei Jahren bewegt sich der Aktienkurs von Aviva in einem relativ langweiligen Seitwärtstrend. Langfristig gesehen war der Titel dagegen sehr volatil, wobei unter dem Strich in Sachen Kursgewinne nichts für Langfristanleger herausgesprungen ist. Denn schon 2002 notierte der Kurs teilweise noch deutlich höher als aktuell. Mit dem FTSE 100 Index, in dem Aviva enthalten ist, konnte der Titel in dieser Zeit nicht mithalten. Aber immerhin konnte seit 2013 relative Stärke gegenüber dem britischen Leitindex aufgebaut werden.
SocGen-Analyst Abid Hussain scheint von einem Fortbestand dieser relativen Stärke auszugehen. Zumindest spricht dafür die Berücksichtigung dieses Wertes in den europäischen Top-Picks für 2016. Hoffnungen werden vor allem aus Synergien aus der Integration von Friends Life erhofft. Diese sollten sich auf mindestens 225 Millionen Pfund belaufen. Hinzu kommen interne Synergie-Potenziale sowie Kosteneinsparungen, die jeweils rund 500 Millionen Pfund betragen dürften und 2016 sowie 2017 realisiert werden dürften. Allerdings beschäftigen sich andere Marktteilnehmer auch immer wieder mit der Frage, wie sich der lange verfolgte Ausbau der Geschäfte in den asiatischen Schwellenländern auswirken wird, falls sich die Krise in den Emerging Markets dieser Region weiter ausweiten sollte.
Hussain rechnet aber mit erfüllten Ergebniserwartungen im abgelaufenen Jahr und für 2016 und 2017 geht er von leicht steigenden Gewinnen aus. Auch bei der Dividende, die er als generös bezeichnet, geht er von einer stetigen, moderaten Erhöhung aus. Auf Basis dieser Annahme hält Hussain die Aktie im Vergleich mit anderen Branchenvertretern für deutlich unterbewertet. Gestützt wird diese These zumindest auf den ersten Blick von den Bewertungskennziffern, die sich auf Basis der Analysten-Konsensschätzungen ergeben. Denn daraus resultiert ein geschätztes KGV von 9,5, was moderat ist, und eine erwartete Dividendenrendite von 5,2 Prozent, was als attraktiv einzustufen ist.
Unterbewertet ist die Aktie laut Hussain derzeit nicht zuletzt deshalb, weil sich die Investoren übertriebene Sorgen um die Geschäfte in den USA machen sowie um die finanzielle Verfassung der Gesellschaft. Doch den letzten Aussagen des Unternehmens zufolge seien diese Ängste überzogen. Das Kursziel gibt die Société Générale mit 700 Pence an. Daraus ergibt sich theoretisch ein Kurspotenzial von 48,4 Prozent. Rechnet man dazu noch die erwähnte Dividendenrendite, wittert die französische Bank hier somit eine Performance-Chance von fast 54 Prozent.
Europa-Top-Pick der Société Générale mit dem drittgrößten Performance-Potenzial: Carrefour S.A. (WKN: 852362, 24,78 Euro)
Wie bei so vielen anderen Aktien auch, macht das Chartbild von Carrefour derzeit leider nicht den besten Eindruck. Mittel- sowie langfristig war mit einem Investment in dem Titel nur mit dem jeweils richtigen Timing etwas zu verdienen und kurzfristig hat sich ein Abwärtstrend herausgebildet. Neben der allgemeinen Marktschwäche wird der jüngste Kursdruck am Markt mit fallenden Anteilen auf dem französischen Markt begründet sowie mit den starken Aktivitäten in den Schwellenländern, die der französische Einzelhandelskonzerns eingegangen ist.
Doch wenn es nach den Analysten von Jefferies geht, dann werden sich diese Bedenken bald legen. Denn die US-Investmentbank rechnet für das vierte Quartal mit einer überproportionalen Entwicklung in Lateinamerika und guten Fortschritte in Europa. Außerdem sollen positivere Inflationserwartungen für Frankreich im laufenden Geschäftsjahr helfen. Ebenfalls zuversichtlich ist SocGen-Analyst Arnaud Joly. Er sieht Carrefour am Anfang einer viel versprechenden neuen Phase. Ermöglicht werden diese durch die Einführung einer Multi-Format-strategie, die für 2017 geplant ist.
Beim organischen Wachstum rechnet Joly mit einer Beschleunigung und er sieht etliche Möglichkeiten vor eine Verbesserung der Gewinnspannen. Auf Sicht der nächsten Jahre hält er vor diesem Hintergrund deutliche Verbesserung bei der Generierung von freiem Cash Flow für möglich. Eine Annahme, die durch die für das dritte Quartal 2015 vorgelegten Ergebnisse durchaus bestätigt wurden. Deutete das Zahlenwerk doch darauf hin, dass Carrefour trotz anhaltender Probleme in einigen großen Märkten mit seiner Restrukturierung vorankommt.
Auf der Bewertungsseite ist der CAC 40 Index-Vertreter mit einem geschätzten Konsens-KGV von 14,2 ausgestattet. Die von Analysten im Schnitt erwartete Dividendenrendite bewegt sich bei 3,2 Prozent. Das Kursziel taxiert die Société Générale auf 38 Euro, was um 53,3 Prozent über den derzeit gültigen Notierungen liegt.
Europa-Top-Pick der Société Générale mit dem zweitgrößten Performance-Potenzial: Publicis Group S.A. (WKN: 859386, 52,72 Euro)
Abgesehen von temporären Aussetzern hat die Aktie von Publicis seit Ende 2008 eine sehr gute Kursentwicklung hingelegt. Doch seit April 2015 ist es vorbei mit der Herrlichkeit. Seitdem hat der Titel mehr als 30 Prozent an Wert verloren und der langfristige Aufwärtstrend scheint dadurch nachhaltig gebrochen worden zu sein.
Beigetragen zu der schwachen Bilanz hat auch eine bei der Vorlage der Drittquartalszahlen ausgesprochene Ergebniswarnung, die den Markt auf dem völlig falschen Fuß erwischt hat. Weil viele Werbekunden, etwa aus der Autoindustrie, der Konsumgütersparte oder dem Pharmasektor, ihre Kampagnen schrumpfen oder gleich ganz streichen würden, hatte der auch bei digitaler Werbung stark vertretene französische Werbekonzern damals seine Jahresprognose für den Umsatz gesenkt. Für die Franzosen selbst war das ein weiterer herber Rückschlag, nachdem bereits 2014 eine angestrebte Fusion mit dem Wettbewerber Omnicom geplatzt war.
Bei der Société Générale bleibt man aber dennoch optimistisch gestimmt. Das hat auch damit zu tun, dass sie von nur begrenzten Auswirkungen auf den Gewinn durch die leichte Senkung der Umsatzprognose ausgehen. Außerdem wird der Konzern, der Anfang des Jahres der Holding eine neue als revolutionär bezeichnete Struktur verpasst hat, als Profiteur des zum Dollar schwachen Euro gesehen. Das muss man wissen, dass fast die Hälfte der Umsätze in Nordamerika generiert werden. Hinz kommt eine als attraktiv eingestufte Bewertung. Gegenüber den Konkurrenten werde der Titel mit einem deutlichen Abschlag gehandelt.
In Sachen Bewertung kommt die Aktie auf ein geschätztes KGV von knapp zwölf und eine erwartete Dividendenrendite von 3,1 Prozent. Den Kurs sieht SocGen-Analyst Christophe Cherblanc auf 83 Euro steigen. Bei Zielerreichung wäre das ein Niveau, das sogar über den bisherigen Rekordkursen von Euro liegen würde. Um die Vorgaben zu erreichen, müsste die Notiz um 57,4 Prozent zulegen.
Europa-Top-Pick der Société Générale mit dem größten Performance-Potenzial: Sanofi S.A. (WKN: 920657, 73,25 Euro)
Mit der Aktie von Sanofi verbinden die Anleger schon lange viele Hoffnungen. Aber leider hat der französische Pharmakonzern diese hohen Erwartungen in den vergangenen Jahren nicht immer erfüllt. Im November beispielsweise hieß es von Seiten der Verantwortlichen beispielsweise, angesichts des zunehmenden Preisdrucks auf dem für Sanofi wichtigen Markt für Medikamente gegen Diabetes werde in den nächsten beiden Jahren nicht mehr mit einem nennenswerten Gewinnwachstum gerechnet. Das war ein herber Dämpfer und erklärt, warum sich der Kurs deutlich vom August-Rekordhoch von gut 100 Euro abgesetzt hat.
Die Aufgabe lautet nun, die flaue Phase möglichst gut zu überstehen und zumindest langfristig möglichst viel aus den 18 neuen Produkten zu machen, die in den kommenden fünf Jahren auf den Markt kommen sollen. Der neue Vorstandschef versucht Hebel an verschiedenen Stellen anzusetzen, um den Konzern wieder auf Vordermann zu bringen. Auf positive Resonanz stieß dabei die jüngste Ankündigung, die Krebs-Forschung mit Investitionen in Biotech-Firmen von insgesamt knapp 1,1 Milliarden Euro zu stärken. Überaus erfreut wurde sogar eine andere Meldung aufgenommen, wonach mit Boehringer Ingelheim Geschäftsteile getauscht werden sollen. Sanofi soll dabei den Geschäftsbereich für Tiergesundheit abgeben, während man im Gegenzug von Boehringer den Bereich Consumer Healthcare bekommen soll.
Für SocGen-Analyst Florent Cespedes ist dieser Deal im Einklang mit dem Ziel, sich von Aktivitäten zu trennen, die nicht zum Kerngeschäft gehören. Wird dieses Vorhaben umgesetzt, winkt zur Belohnung eine höhere Bewertung, die normalerweise reinen Pharmaunternehmen zugebilligt wird. Cespedes begrüßt alle Maßnahmen, die zu einer besseren Vorhersagbarkeit der Geschäftsentwicklung beitragen und die dabei helfen, das Anlegervertrauen wieder herzustellen. Große Hoffnungen setzt er außerdem auf die attraktiv bestückte Pipepline, die unter anderem den potenziellen Super-Blockbuster Praluent enthalte - einem Medikament zur Verbesserung der Cholesterinwerte.
Als Kaufargument führt Cespedes zudem einen Bewertungsabschlag im Vergleich zu den Konkurrenten an. Der Analysten-Konsens sieht das geschätzte KGV bei 13,2 und die erwartete Dividendenrendite bei 4,1 Prozent. Beim Kursziel peilt die Société Générale 115 Euro und damit neue Rekordkurse an. Eine Vorgabe, die dem Kurs theoretisch 57 Prozent Luft nach oben lässt.