Der Börsendienst "Viceroy" hat am Dienstag Bilanzbetrugsvorwürfe gegen den MDAX-Konzern Grenke erhoben. Die Aktie des Leasingunternehmens brach daraufhin um über 20 Prozent ein. Der Vorgang ist brisant. Zum einen, weil Unternehmenskenner tatsächlich hohe versteckte Risiken in der Bilanz vermuten. Das Geschäftsmodell sei stark auf Wachstum ausgerichtet. Als Folge des hefigen Corona-Einbruchs im ersten Halbjahr könnte enormer Abschreibungsbedarf entstanden sein, heißt es.
Brisant sind die Vorwürfe aber auch deshalb, weil hinter "Viceroy" der umstrittene Investor Fraser Perring, der bereits Anfang 2016 in seinem Dienst "Zatarra" Betrugsvorwürfe gegen den mittlerweile insolventen Zahlungsabwickler Wirecard erhoben hatte und damit einen spektakulären Kurssturz um rund 25 Prozent bei dem Aschheimer Konzern auslöste. "Viceroy" hat nicht nur einen detaillierten, 64seitigen Bericht über Grenke veröffentlicht, sondern ist gleichzeitig Leerverkäufer, setzt also auf fallende Kurse, wie der Dienst klar zu erkennen gibt. Die Aktie brach am Dienstag zeitweise um 24 Prozent auf 42 Euro ein. Der Kurssturz setzte sich am Mittwoch fort. Zu Handelsbeginn lag die Aktie fast neun Prozent im Minus.
Bei den Vorwürfen gegen Grenke wiederholt sich das Wirecard-Muster: Es geht um Bilanzbetrug, fehlerhafte Buchführung, ein mangelhaftes Kontrollsystem. In einer kurzen Pressemitteilung wies die Grenke AG die Vorwürfe am Dienstagabend "aufs Schärfste zurück". Dass angeblich liquide Mittel von gut einer Milliarden Euro nicht existierten, sei nachweislich falsch. "849 Millionen Euro, also fast 80 Prozent der liquiden Mittel, befanden sich zum 30. Juni 2020 auf Konten der Deutschen Bundesbank - wie im Halbjahresbericht veröffentlicht", heißt es in der Grenke-Stellungnahme. Der Bericht enthalte zahlreiche weitere falsche Anschuldigungen. Grenke bereite derzeit eine ausführliche Replik vor. Zudem behalte man sich rechtliche Schritte vor.
Unterdessen prüft auch die Finanzaufsicht Bafin die Vorgänge bei Grenke. Konkret analysiere sie mögliche Marktmanipulationen durch die Grenke AG, etwa durch unrichtige Informationen zu Bilanzierungssachverhalten. Zudem untersuche sie, ob es mögliche Manipulationen durch Dritte in Form einer Leerverkaufs-Attacke gegeben habe. Außerdem werde mutmaßlicher Insiderhandel vor Erscheinen des Reports der Perring-Firma Viceroy Research geprüft, teilte die Behörde mit.
Fraser Perring hatte unter dem Namen Viceroy bereits kritische Analysen unter anderem zu den MDAX-Konzernen ProSiebenSat.1 und Steinhoff veröffentlicht, worauf es zu Kurseinbrüchen kam. Die Staatsanwaltschaft München ermittelte unter anderem wegen Verdachts auf Marktmanipulation gegen Perring. Die Finanzaufsicht Bafin wiederum untersuchte 2018 den Börsendienst wegen seiner ProSiebenSat.1-Berichterstattung.
Der Finanzdienstleister Grenke hat im ersten Halbjahr 2020 einen deutlichen Rückgang des Neugeschäftsvolumens und des Konzerngewinns verzeichnet. Michael Seufert, Analyst der NordLB, hatte erst vergangene Woche die Geschäftsentwicklung kommentiert, unmittelbar bevor die Vorwürfe bekannt wurden. Aufgrund der Corona-Pandemie hätten sich die Kosten für Schadensabwicklung und Risikovorsorge verdoppelt, beschrieb Seufert die Lage. Die Aktie stufte er auf "Halten" bei einem Kursziel von 60 Euro ein.
Kepler Chevreux stufte die Aktie noch am 9.9. mit "Verkaufen" ein. Das Geschäftsmodell sei zwar grundsätzlich stark, doch sei wegen der Corona-Krise Vorsicht angebracht.