Zuletzt sind Ströer im MDAX und Wirecard im TecDAX zum Ziel solcher Attacken geworden und haben zeitweise bis zu einem Drittel ihres Börsenwerts eingebüßt. Neben dem Kursverlust drohen massive Reputationsschäden. Begünstigt werden solche Attacken durch die hohe Volatilität an den Börsen: Nervöse Anleger sind schneller und zu niedrigeren Kursen bereit, ihre Aktien zu verkaufen. Auch der elektronische Handel erleichtert das Geschäft der Shortseller, weil die Nutzung von Algorithmen Tempo und Ausmaß von Kursausschlägen verschärfen kann.
Wie können sich Emittenten gegen Angriffe von Shortsellern schützen? Zunächst sollten mögliche Schwachstellen identifiziert werden. Dazu muss das Unternehmen die Kriterien kennen, die typischerweise von Hedgefonds angelegt werden. Das können etwa eine zu enge Verflechtung mit verbundenen Unternehmen, fehlende Unabhängigkeit oder Vielfalt im Aufsichtsrat sowie Vergütungsfragen sein. Wichtig sind auch eine intensive Pflege der Investor Relations und hohe Transparenz, einschließlich einer verlässlichen Guidance der Analysten zur Finanzberichterstattung, um das Vertrauen der Marktteilnehmer zu stärken: Je größer das Vertrauen der Investoren ist, desto weniger werden sie voreilig Aktien verkaufen oder auf fallende Kurse wetten.
Daneben sollten Unternehmen die Handelsbewegungen genau beobachten und analysieren lassen, um Hinweise auf den Aufbau von Short-Positionen zu erhalten. Bestehen große Short-Positionen, sollten unverzüglich Gespräche mit großen Investoren und "Opinion Formers" wie Banken, Analysten und Wirtschafts- sowie Finanzpublikationen aufgenommen werden. Konkrete Kritikpunkte sind möglichst öffentlichkeitswirksam aufzunehmen und auszuräumen.
Um im Fall eines Angriffs schnell reagieren zu können, sollten börsennotierte Unternehmen einen Leitfaden in der Schublade haben, der die Reaktionsmöglichkeiten nach einem Angriff detailliert beschreibt. Darin ist unter anderem festzuhalten, welche Gremien, Abteilungen und Berater unter welchen Kontaktdaten unverzüglich zu informieren sind und aus welchen Personen das Team besteht, das die Verteidigung koordiniert. Ungerechtfertigte Vorwürfe sind unverzüglich mit einer oder mehreren hintereinander geschalteten Pressemeldungen zurückzuweisen. Ebenfalls in Betracht kommen die Veröffentlichung einer Printanzeige, eine (ausführliche) schriftliche Stellungnahme oder ein persönliches Anschreiben an alle Aktionäre. Besteht der Verdacht eines marktmissbräuchlichen Verhaltens, ist die Bafin zu kontaktieren. Zudem ist der Vorstand verpflichtet, mögliche Schadenersatzansprüche zu prüfen und gegebenenfalls geltend zu machen. Ebenso gehört es zur Abwehr eines öffentlichen Angriffs, die Gegenmaßnahmen bekannt zu geben.
War ein Angriff erfolgreich, ist es eine mühsame Aufgabe, das Vertrauen der Anleger wiederherzustellen. Eventuell kommen auch kurspflegende Maßnahmen wie ein Aktienrückkaufprogramm oder der Verkauf von Randbereichen in Betracht. Die beste Verteidigung besteht aber darin, den Shortsellern erst gar keine Angriffsfläche zu bieten, indem mögliche Defizite im Vorhinein analysiert und beseitigt werden - und natürlich solche Verbesserungen öffentlich bekannt zu machen.
Richard Mayer-Uellner
Unser Gastautor studierte Jura an der Universität zu Köln und am University College London. Nach einem Referendariat beim Oberlandesgericht Düsseldorf wechselte er 2006 zur Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, seit 2010 arbeitet er bei CMS Hasche Sigle. Mit über 600 Rechtsanwälten und Steuerberatern ist CMS in Deutschland eine der führenden Anwaltssozietäten auf dem Gebiet des Wirtschaftsrechts.