Die Regierung in Athen und die Gläubiger-Institutionen IWF, EZB und EU-Kommission ringen schon Monate fieberhaft um die Auflagen für weitere Milliardenhilfen, finden bisher aber keinen gemeinsamen Nenner. Erst auf Basis eines Reformplans können die Euro-Finanzminister einen Beschluss fällen. "Die Entscheidungen liegen ausschließlich bei den Verantwortlichen in Griechenland, sie haben sich bisher eher rückwärts bewegt", kritisierte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Verstolpern beide Seiten einen Kompromiss, dürfte eine Staatspleite kaum zu vermeiden sein. Denn das Hilfspaket läuft am 30. Juni aus - und damit auch der Anspruch auf weitere bis zu 18 Milliarden Euro, die die Regierung dringend braucht, um ihre Kredite zu bedienen.
Eigentlich war eine Lösung bis zum Beginn des EU-Gipfels am Nachmittag anvisiert worden. Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem setzte nun für Samstag ein neues Ministertreffen an. Die Tür für Griechenland, die Vorschläge der Geldgeber zu akzeptieren, bleibe offen. Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis sagte, man werde weiter beraten, bis eine Lösung gefunden sei. Weil das Parlament in Athen und andere Parlamente in den Euro-Ländern, darunter der Bundestag, die Auszahlung neuer Hilfen billigen müssten, drängt die Zeit. Merkel mahnte Teilnehmern zufolge bei einem Treffen der Europäischen Volkspartei eine Lösung bis zur Öffnung der Finanzmärkte am Montagmorgen an.
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RINGEN UM STEUERN UND RENTEN
Den Finanzministern lagen zwei Dokumente zur Entscheidung vor, eines der Griechen und eines der Gläubiger-Institutionen. Aus dem Reuters vorliegenden Papier der drei Institutionen ging hervor, dass sie den Griechen bei den Themen Steuern und Renten entgegenkommen wollten. So sollten die umstrittenen Erhöhungen der Mehrwertsteuersätze Ende 2016 überprüft werden, wenn sich bis dahin neue Einnahmequellen für den Haushalt ergeben. Zudem sollte das Auslaufen der Aufschläge für die Bezieher kleiner Renten zwei Jahre länger bis Ende 2019 gestreckt werden.
Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, sagte, es werde weiter an einer Lösung gearbeitet. Die griechische Regierung besteht auch auf einen Schuldenerlass, den die Geldgeber aber ablehnen. Sie müssten dann einen Großteil ihrer Kredite abschreiben. Deutschland bürgt für Darlehen von über 50 Milliarden Euro. Seit 2010 hat Griechenland von seinen Partnern rund 240 Milliarden Euro erhalten.
Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) signalisierte bei dem Thema Kompromissbereitschaft. Griechenland könne ohne eine Erleichterung seiner Schuldenlast nicht wieder auf die Beine kommen. Neben einer Einigung auf ein Reformpaket sei es nötig, dass die Schuldentragfähigkeit für die nächsten zwei, drei Jahre bald geklärt werde. Am Ende solle eine Zusage stehen, dass dieses Thema als nächstes angegangen werde. Der griechische Schuldenberg entspricht fast 180 Prozent des BIP. Er ist damit drei Mal höher als die EU-Zielmarke von 60 Prozent.
In Athen liegen wegen der Dauerkrise die Nerven blank. Der Fraktionschef der regierenden Syriza, Nikos Filis, sagte dem Sender Mega TV: "Die Forderung der Geldgeber, vernichtende Maßnahmen wieder auf den Tisch zu legen, belegt, dass die Erpressung gegen Griechenland einen neuen Höhepunkt erreicht."
Reuters