Deutschlands Versicherungsriesen Allianz, Munich Re, Hannover Rück und Talanx verkraften Belastungen aus der verheerenden Serie der Erbeben in der Türkei gut. Warum auch der Kursrutsch bei Hannover Rück nach den Zahlen eine Kaufgelegenheit ist
Das verheerende Erdbeben im Südosten der Türkei und in Syrien kostet die Versicherer und Rückversicherer nach Branchenschätzungen zwischen 3,5 und vier Milliarden Dollar. Das sei nach den Schadenmodellen von Experten zu erwarten, sagte der Vorstandschef der Hannover Rück Jean-Jacques Henchoz auf der Bilanzpressekonferenz am Donnerstag. Weil in den Regionen jedoch ein großer Teil der zerstörten Häuser und Infrastruktur nicht versichert sei, dürfte der wirtschaftliche Schaden für die beiden Länder weitaus höher sein. Nach Schätzungen der Weltbank beläuft sich der Sachschaden in der Türkei auf rund 34 Milliarden Dollar und in Syrien auf gut fünf Milliarden. Versichert sind also gerade mal ein Zehntel der Schäden.
Moderate Belastungen
Auf die Hannover Rück kämen rund 200 Millionen Euro zu, sagte der für die Schaden-Rückversicherung zuständige Vorstand Michael Pickel. Talanx, die Muttergesellschaft des Rückversicherers Hannover Rück, mit der Türkei als einer der Kernmärkte des Erstversicherers, rechnet mit rund 50 Millionen Euro Belastung, Rückversicherungsprimus Munich Re, auch als Münchener Rück bekannt, taxierte seine Belastung auf einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag. Von Europas größtem Erstversicheer Allianz gibt es bisher keine offiziellen Schätzungen zu den Belastungen durch die Erdbeben in der Türkei und in Syrien.
Allianz, Munich Re und Hannover Rück sind breiter diversifiziert als die meisten ihrer Konkurrrenten und mit soliden Bilanzen ausgestatet. Ein Indiz für die Kapitalstärke der Versicherer sind ihre hohen Solvency II Kennzahlen. Damit sind sie auch gegen Belastungen durch Schäden aus größeren Naturkatastrophen finanziell besser gerüstet als viele Konkurrenten. Dazu kommt dass das gegenwärtige Umfeld für Assukranz-Unternehmen sehr gut ist. Die Unternehmen profitieren doppelt: von den steigenden Versicherungsprämien und von den höheren Zinsen an den Kapitalmärkten, die den Unternehmen bei der Anlage der Prämien, hauptsächlich in festverzinslichen Anleihen, zugutekommen.
Anders als die Papiere der Allianz und Munich Re, die für 2022 starke Bilanzen präsentiert hatten und Anlegern zudem signifikante Erhöhungen der Dividenden in Aussicht stellten, ist der Kurs des drittgrößten Rückversicherers Hannover Rück, auch bekannt als Hannover Re, derzeit unter Druck, trotz einer soliden Bilanz für 2022 und der Aussicht auf eine moderate Erhöhung der Dividende. Für 2022 meldeten die Niedersachsen 2,09 Milliarden Euro operativen Gewinn (Ebit), einen Tick mehr als die von Analysten bei Bloomberg geschätzten 2,08 Milliarden Euro. Die Schaden/Kosten-Quote in der Sachrückversicherung, einschließlich Naturkataststophen lag bei 99,8 Prozent - etwas höher als die von Analysten geschätzten 98,5 Prozent. Aufgrund der Belastung durch Naturkatastrophen war das Geschäft damit etwas weniger profitabel als erwartet.
Das Prämienvolumen lag mit 33,28 Milliarden Euro etwas höher als die geschätzten 33,18 Milliarden. Die schwächer als erwartete Entwicklung im Schlussquartal: 536,1 Millionen Euro Nettogewinn, etwas weniger als die erwarteten 541,8 Millionen und eine deutlich höhere Schadensquote 101,2 statt der erwarteten 95,7 Prozent - Werte über 100 Prozent signalisieren Verluste der Sachversicherung - drückten die Kursfantasie.
Hannover Rück - höhere Nettoprämien, höhere Eigenkapitalrendite (RoE)
Dass die Niedersachsen bei den Nettoprämien im vierten Quartal mit 8,09 Milliarden besser waren als die Schätzung 7,23 Milliarden Euro und auch die Eigenkapitalrendite (RoE) von 26,2 Prozent höher war als die von Analysten taxierten 23,8 Prozent, fiel bei Analysten und Anlegern nicht stark ins Gewicht. Für 2023 ist der Rückversicherer beim Nettogewinn mit 1,7 Milliarden Euro vorsichtiger als die Marktprognose von 1,85 Milliarden Euro. Bei der Dividende für 2022 sollen Aktionäre mindestens das Niveau des Vorjahres erhalten, voraussichtlich etwas mehr, sechs Euro pro Aktie. Das wären aktuell rund 3,4 Prozent Dividendenrendite - solide aber deutlich weniger als bei Allianz und Rückversicherungsprimus Munich Re mit jeweils mehr als sechs und mehr als fünf Prozent Dividendenrendite. Die sechs Euro Dividende pro Aktie der Hannover Rück setzen sich aus einer regulären, fünf Euro und einer Sonderausschüttung, ein Euro pro Aktie, zusammen. Für 2021 waren es 4,50 Euro und 1,25 Euro pro Aktie.
Fazit
Die Aktien des weltweit größten Sachversicherers Allianz und des Rückversicherungsprimus Munich Re bleiben aussichtsreiche, dividendenstarke Investments für turbulente Börsenphasen und für langfristig orientierte Anleger. Privatanleger, die Papiere des drittgrößten Rückversicherers Hannover Rück im Depot haben, sollten die aktuelle Kursschwäche zum Kauf nutzen. Eine besondere Stärke der Niedersachsen in ihrem Anlageportfolio ist im gegegenwärtigen Umfeld eine große Position inflationsgeschützter Anleihen.
Die robusten Wertsteigerungen der Aktien der drei Versicherer in Marktphasen, die von höheren Inflationsraten und Unsicherheiten als Folge von Russlands Krieg in der Ukraine gepägt sind, belegen die Gesamtrenditen (Kursteigerung plus Dividenden) der Papiere von Januar 2022 bis heute: knapp 33 Plus bei Munich Re; 26,5 Prozent ohne Dividende; 13 Prozent bei der Allianz, 7,3 Prozent ohne Ausschüttungen und knapp zehn Prozent bei der Hannover Rück,; 5,4 Prozent ohne Dividenden. Das zeigt deutlich: die Dividenden der Versicherer sind ein wesentlicher Wert-Faktor: Die Rendite des DAX im gleichen Zeitraum: minus 1,6 Prozent, trotz der Rally des Leitindex seit Oktober.
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Hinweis auf Interessenkonflikte
Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Allianz, Munich Re