Eine Nachricht war schon vor dem Siemens-Aktionärstreffen durchgesickert: Aufsichtsratschef Gerhard Cromme wird Siemens in einem Jahr verlassen. Der ehemalige Co-Vorstand von SAP, Jim Hagemann Snabe, soll Cromme ab der nächsten Hauptversammlung ablösen. Nach zeitweise harter Kritik an Cromme, die sich einst etwa an den schlechten Ergebnissen seines Schützlings, des einstigen Vorstandschefs Peter Löscher, entzündete, neigt sich dieses Kapitel damit dem Ende.

Mit Snabe schlägt Siemens ein neues Kapitel auf. Dass der Däne sich in der Softwarebranche bestens auskennt, passt zur neuen Strategie des größten deutschen Industriekonzerns. Vorstandschef Joe Kaeser hat zuletzt viele Milliarden in Zukäufe von Unternehmen investiert, die Spezialisten sind auf dem Gebiet der industriellen Digitalisierung. Kaeser will Siemens fit machen für die Industrie 4.0, für das Zeitalter, in dem Terabyte an Daten von Maschinen per Sensoren erfasst und an Computer gesendet werden - auf denen dann nach Möglichkeit Software von Siemens laufen soll. Hier sind die Münchner jetzt schon Weltspitze.

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Industriekonzern ist fit für das neue Zeitalter



Zumindest ein Teil von Siemens ist bereits Softwarefirma, das unterstrich Chef Joe Kaeser vor den geschätzt knapp 8000 Aktionären in der Münchner Olympiahalle gerne. "21000 Software-Entwickler hat Siemens heute und es werden immer mehr", sagt der Chef. Das ist auch eine Folge der zuletzt getätigten Akquisitionen, die jüngste der geplante Kauf des US-Softwareunternehmens Mentor Graphics für 4,5 Milliarden Dollar. Die Aktionäre applaudieren Kaeser - und das nicht nur, weil die Dividende zum dritten Mal in Folge erhöht wurde: Zehn Cent mehr gab es für das abgelaufene Geschäftsjahr und somit 3,60 Euro pro Aktie. Das ist verdient: Umsatz, Auftragseingang und Gewinn waren allesamt 2016 stiegen.

Kaeser stellt Siemens zukunftsfähig auf. Besser noch: Der Vorstandschef hatte die Nachricht eines erfolgreichen Starts in die neue Geschäftsperiode im Gepäck. In den Monaten Oktober bis Dezember hatte der Umsatz um drei Prozent zugelegt. Das operative Ergebnis des industriellen Geschäfts stieg gleich um 26 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf über 2,5 Milliarden Euro, die operative Gewinnmarge lag damit bei 13 Prozent. Auch wenn hier ein positiver Sondereffekt eingeschlossen war, um den bereinigt die Marge noch bei 12,1 Prozent lag - so rentabel war Siemens lange nicht.

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Die Zahlen von Siemens sind gut



"Wir hatten ein gutes und starkes Quartal und erhöhen deshalb unsere Jahresprognose", gab Kaeser ein Signal auch an den Kapitalmarkt, dass der Konzern auf Kurs ist. Statt einer operativen Rendite von 10,5 bis 11,5 Prozent soll Siemens nun elf bis zwölf Prozent Marge im industriellen Geschäft schaffen. Der Gewinn pro Aktie soll zwischen 7,20 und 7,70 Euro pro Aktie liegen, zuvor waren 6,80 bis 7,20 Euro angepeilt.

Ein Glanzlicht war das Ergebnis der Sparte Digital Factory, in der das Digitalisierungs- und Softwaregeschäft gebündelt ist. Umsatz und Auftragseingang steigen, die operative Rendite kletterte auf 26,1 Prozent, den Einmaleffekt aus dem Verkauf des Elektrofahrzeuggeschäfts ECar herausgerechnet blieben herausragende 19,4 Prozent. In China würden sich die Geschäfte auch mit der Automobilindustrie wieder beschleunigen, meldete Spartenchef Klaus Helmrich. Das ist eine gute Nachricht für Siemens: Dieser Bereich ist zwar sehr zyklisch, bringt aber - wenn er läuft - hohe Margen.

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Trump bereitet Kaeser Sorgen



Den guten Nachrichten aus China steht indes große Unsicherheit im Hinblick auf das Handelsklima mit den USA gegenüber. Zu den wiederholten protektionistischen Äußerungen des neuen US-Präsidenten Donald Trump, der mit hohen Strafzöllen auf Importe droht, äußerte sich der Siemens-Chef kritisch. "Es besorgt uns, dass wir aus den USA Töne hören, die nicht zu unserer bisherigen Wahrnehmung des Landes passen, das bislang für Freiheit, Freizügigkeit und Offenheit stand. Wir hoffen, dass die USA sich an Werte erinnern, die sie groß gemacht haben", sagte Kaeser. Für Siemens sind die USA der größte Einzelmarkt, der Konzern macht dort rund 21 Prozent des Umsatzes.

Börsengang von "Healthineers" weiter unklar



Auf Neuigkeiten zur Zukunft der Medizintechnik waren Aktionäre und Analysten besonders gespannt. Doch konkrete Antworten blieb der Siemens-Chef einstweilen schuldig. Wann und in welchem Umfang die "Healthineers" getaufte, bereits weitgehend selbstständig agierende Sparte an die Börse gebracht werden soll - dazu gab es nicht Neues. Man werde den Kapitalmarkt zu gegebener Zeit informieren, sagte Finanzchef Ralf Thomas.

Die Vertreter institutioneller Anleger lobten die guten Quartalszahlen und die anhaltenden operativen Fortschritte im Konzern, der 2016 erstmals seit Jahren keine Belastungen aus negativen Einmaleffekten zu verbuchen hatte - ganz anders etwa als zu Zeiten von Peter Löscher, der zeitweise mehr als eine Milliarde Euro Wertverlust in einem Geschäftsjahr wegen Fehlern bei Projekten vermelden musste. "Die Vision 2020 zeigt erste Früchte. Die alte Siemens-Krankheit der Sonderbelastungen darf aber nicht wieder ausbrechen", forderte Ingo Speich, Fondsmanager der Gesellschaft Union Investment, den Vorstand zur weiteren Umsetzung der Konzernstrategie auf.

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Empfehlung der Redaktion



Operativ hat sich der Industriekonzern deutlich positiv entwickelt. Die operative Rendite hat ein sehr attraktives Niveau erreicht. In der Industrieautomatisierung kann Siemens Kunden eine Softwareplattform bieten, die die Zeit von der Entwicklung bis zur Marktreife erheblich verkürzt. Die Nachfrage zieht hier vor allem auch in China an. Der geplante Börsengang der Medizintechnik bringt Fantasie. Solide Dividendenrendite. Die Aktie ist im Begriff, das Hoch aus dem Jahr 2000 zu überwinden.

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