"Wie sind ein Technologiekonzern, kein Konglomerat" - ein Jahr nach der Abspaltung der Energiesparte betonte Siemens-Chef Roland Busch die Bedeutung des Umbaus des DAX-Konzerns in den vergangenen Jahren. Busch legte die erste Jahresbilanz als Vorstandschef und Nachfolger von Joe Kaeser vor, unter dem der Umbau stattfand. Die Ergebnisse sprechen klar dafür, dass die größte Restrukturierung in der Konzerngeschichte mit der Fokussierung auf die Kernsparten Automatisierung und Digitalisierung (Sparte Digital Industries, DI), Infrastruktur und Gebäudetechnik (Sparte Smart Infrastructure, SI) sowie die Verkehrstechnik (Sparte Mobility) gelungen ist.
Die Münchner steigerten ihren Nettogewinn im Geschäftsjahr zum Ende September um 59 Prozent auf 6,7 Milliarden Euro. Der Umsatz kletterte um gut elf Prozent auf 62,3 Milliarden Euro, der Auftragseingang nahm stark überproportional um 21 Prozent zu. Im industriellen Geschäft erreichte Siemens eine operative Marge von 15 Prozent. Der freie Cashflow wuchs auf den Rekordwert von 8,2 Milliarden Euro an. Genug Geld, um die Dividende von 3,50 auf vier Euro pro Aktie zu erhöhen und zugleich ein neues Aktienrückkaufprogramm im Volumen von bis zu drei Milliarden Euro anzukündigen, das bis 2026 laufen soll.
Die Mittel will Siemens-Chef Roland Busch auch im laufenden Jahr teilweise wieder in Forschungs- und Entwicklung stecken, rund acht Prozent vom Umsatz sollen hier fließen, die Hälfte davon in neue Digitalisierungstechniken und die Entwicklung von Software auch in den Bereichen Künstliche Intelligenz oder Simulationstechnologien. Das digitale Geschäft um Software, dass zum Großteil in der Sparte Digital Industries gebündelt ist, erzielte im Geschäftsjahr einen Umsatz von 5,6 Milliarden Euro und soll bis 2025 pro Jahr im Schnitt um zehn Prozent wachsen. Im Geschäftsjahr fiel das Wachstum hier etwas schwächer aus. Derzeit wird der Bereich allerdings durch die Umstellung auf ein Abo-Modell im Vertrieb, so genannte Software as a Service (SaaS), belastet. Hier investiert Siemens in eine Verstetigung der Softwareerlöse, wie dies auch andere Unternehmen der Softwarebranche, etwa SAP, in den vergangenen Jahren getan haben. Insbesondere das Software-Geschäft soll weiter durch Zukäufe gestärkt werden.
Gewinnstärkste Sparte bleibt Digital Industries
Die gewinnstärkste Sparte bleibt DI, die im vierten Quartal ein beeindruckendes Wachstum der Auftragseingänge von 31 Prozent verzeichnete und im Gesamtjahr aus 16,3 Milliarden Euro Umsatz 3,4 Milliarden der konzernweit 8,8 Milliarden Euro operativen Gewinn (Ebita) ablieferte. Zum Vergleich: Die Medizintechniktochter Healthineers, an der Siemens 75 Prozent hält, schaffte bei 18 Milliarden Euro Jahresumsatz knapp 2,9 Milliarden Euro operativen Gewinn. Die zweitgrößte Kernsparte, Smart Infrastructure (SI), erreichte bei 15 Milliarden Euro Umsatz 1,7 Milliarden Euro operativen Gewinn. Von den drei Kernsparten ist DI mit einer operativen Marge von 20,4 Prozent die mit Abstand profitabelste, SI und Mobility folgen mit 11,6 und 9,3 Prozent.
Konzern Finanzchef Ralf Thomas berichtete von Vorziehbestellungen für Automatisierungstechnik bei DI auch von Kunden aus der Automobil- und Maschinenbauindustrie, die durch die Lieferengpässe dazu getrieben wurden. In China lief das Geschäft besonders stark, im vierten Quartal steigen die Auftragseingänge bei DI um 61 Prozent, der Umsatz legte um 21 Prozent zu. Chef Busch erklärte, dass es derzeit auch wegen Komponentenengpässen Verzögerung gebe, die Orders in Umsätze in diesem kurzzyklischen Geschäft zu wandeln. Man habe aber sehr gute Beziehungen zu Zulieferern auf die man sich konzentriere. Im angelaufenen Geschäftsjahr rechnet der Konzern jedoch allmählich mit einer Normalisierung im Automatisierungsgeschäft.
Das Umsatzwachstum der Sparte DI soll sich von zehn Prozent im abgelaufenen auf zwischen fünf und acht Prozent in diesem Geschäftsjahr verlangsamen. Ähnliches Wachstumstempo prognostiziert der Konzern auch für SI und Mobility. Alle drei Kernsparten sollen im Laufe der Periode ihre Profitabilitätszielbereiche atrotz steigender Rohstoff- und Materialpreise erreichen. Die Münchner wollen dafür ihre eigenen Preise sukzessive auf breiter Front erhöhen. "Wir gewinnen Marktanteile und haben die besten Vorraussetzungen hierfür", so Busch. Für Siemens insgesamt plant Busch beim Umsatz eine Wachstum von rund fünf Prozent im laufenden Jahr, eine Verlangsamung nach den gut elf Prozent Zuwachs im Vorjahr. Anhaltende Lieferengpässe seien ein Grund, man rechne aber mit einer weiteren Erholung der Weltkonjunktur.
Der Gewinn pro Aktie soll von 8,23 Euro auf zwischen 8,70 und 9,10 Euro pro Aktie steigen, ein Plus von zwischen knapp sechs und knapp elf Prozent - ein Bremsmanöver angesichts des vorgelegten Gewinnsprungs.
Einschätzung zur Siemens-Aktie
Siemens gewinnt Marktanteile in Kernbereichen wie der Automatisierung, das ist eine gute Nachricht. Obwohl Vorzieheffekte zu einer Verlangsamung des Wachstums im laufenden Geschäftsjahr führen setzt die schlankere Siemens das Geschäft weitaus effizienter in Gewinne und Cashflow um. Und: Der Konzern wächst nachhaltig. Davon wie auch vom anhaltenden Trend zur Digitalisierung profitieren Aktionäre langfristig.