An der Börse kam Kaesers Optimismus gut an. Die Siemens-Aktien legten gegen den Trend um fast neun Prozent zu und setzte sich damit an die Spitze im Leitindex Dax. Kaeser halfen nicht nur Milliardenaufträge unter anderem aus Ägypten, sondern auch die planmäßigen Einsparungen im Zuge des Konzernumbaus. Der Großteil der angepeilten Sparsumme von einer Milliarde Euro werde bereits im laufenden Jahr erreicht, kündigte Finanzchef Ralf Thomas an. Im zweiten Quartal kann Siemens zudem einen Buchgewinn von etwa 50 Millionen Euro aus dem Verkauf des restlichen Anteils an der Hörgerätesparte an den Finanzinvestor EQT einstreichen.
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MILLIARDE FÜR "DIGITALE FABRIK"
Einen Großteil des Quartalsgewinns von 1,6 Milliarden Euro investiert Kaeser gleich wieder: Für knapp eine Milliarde Dollar kauft er die US-Firma CD-adapco. Mit dem Spezialisten für Simulationssoftware will er stärker in der Autoindustrie Fuß fassen und das Konzernsegment Digitale Fabrik auszubauen, in dem Siemens seine Aktivitäten mit Industrie- und Planungssoftware zusammengefasst hat.
Kaeser beteuerte vor rund 7500 Aktionären, die Ergebnisse des ersten Quartals (per Ende Dezember) und die angehobene Gewinnprognose beruhten auf wiedergewonnener eigener Stärke von Siemens. Der Umsatz kletterte im Auftaktquartal um acht Prozent 18,9 Milliarden Euro, der Auftragseingang um gut ein Viertel auf 22,8 Milliarden Euro. Damit schnitten die Münchner besser ab als Erzrivale General Electric (GE), wenn auch Siemens nicht an die Margen der Amerikaner herankommt. "Der Konzernumbau ist im Wesentlichen abgeschlossen. Die frei werdende Energie werden wir in den Markt und die Technologie investieren", versprach Kaeser. In den vergangenen Jahren war Siemens vor allem mit sich selbst beschäftigt, ein Sanierungsprogramm jagte das nächste, zahlreiche Firmenteile wurden verkauft und letztlich konnte Siemens seine Einnahmen nicht steigern. Kaeser versprach nun ab dem laufenden Quartal ein Umsatzplus.
Analysten waren voll des Lobes. "Die Zahlen überzeugen auf ganzer Linie", urteilte Volker Stoll von der Landesbank Baden-Württemberg. "Die robuste industrielle Leistung im Quartal dürfte Siemens zu einem der besten Branchenunternehmen in dieser Bilanzsaison machen", erklärte Fredric Stahl von Schweizer Großbank UBS. Siemens habe vor allem mit den Ergebnissen in der Energietechnik Sorgen zerstreut, der seit Monaten stark fallende Ölpreis habe tiefe Bremsspuren im Geschäft hinterlassen. Kaeser hatte eingeräumt, dass Förderunternehmen weniger neue Technik bestellten, allerdings profitiere sein Haus von der Wartung der installierten Anlagen. Das Servicesegment hat traditionell sehr hohe Margen und kann kleinere Einbußen komfortabel wegstecken.
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"NICHT ZUM DINOSAURIER WERDEN"
Im Kraftwerksbereich konnte Siemens entgegen aller Befürchtungen GE und Alstom Marktanteile abjagen. Bei großen Gasturbinen, wie sie in modernen Kraftwerken zum Einsatz kommen, sei der Marktanteil auf 25 von zuvor 20 Prozent gestiegen, sagte Kaeser. Im laufenden Jahr werde er voraussichtlich weiter wachsen. Allerdings herrscht in der Energietechnik ein knüppelharter Preiskampf.
Aktionäre kritisierten die Abhängigkeit von der Ölbranche und die Milliardenübernahme des US-Fördertechnikspezialisten Dresser-Rand. "Ob das Öl- und Gasgeschäft noch ein Wachstumsfeld mit großer Zukunft ist, erscheint fraglich. Das Ende des fossilen Energiezeitalters ist eingeläutet, ein 'Weiter so' kann es nach dem Klimagipfel in Paris nicht geben, sagte Fondsmanager Ingo Speich von Union Investment. "Siemens darf nicht zum Dinosaurier werden! Die Übernahme von Dresser-Rand war weder in ökologischer noch in ökonomischer Hinsicht ein Glücksgriff. Wenn der Ölpreis sich nicht erholt, drohen massive Abschreibungen."
Mehrere Redner warnten auf dem Aktionärstreffen vor einer Trennung von der hochrentablen Medizintechnik, die derzeit rechtlich innerhalb des Konzerns verselbständigt wird. Marcus Poppe, Fondsmanager bei der zur Deutschen Bank gehörenden Deutsche Asset Management: "Ohne die Gesundheitssparte würde Siemens eine stabile Gewinnbasis verlieren. Ein wichtiger Stützpfeiler der Konglomeratsstruktur wäre nicht mehr vorhanden."
Reuters