"Die meisten unserer Geschäfte, vor allem die digitalen Angebote, zeigten eine beeindruckende Stärke und konnten die strukturellen Herausforderungen der fossilen Energieerzeugung operativ mehr als ausgleichen", fasste Vorstandschef Joe Kaeser am Mittwoch zusammen.
Dank eines Buchgewinns von 900 Millionen Euro mit Aktien des IT-Dienstleisters Atos konnte Siemens die Prognose für das Nettoergebnis für das Geschäftsjahr 2017/18 (Ende September) sogar anheben. Erwartet werden nun 7,70 bis 8,00 Euro je Aktie, bisher waren es 7,20 bis 7,70 (Vorjahr vergleichbar: 7,09) Euro. Das trieb die Siemens-Aktie zeitweise um fünf Prozent nach oben. Das neue Ergebnisziel entspräche einem Nettogewinn von 6,25 bis 6,5 Milliarden Euro.
Die absehbaren Kosten für den Abbau von bis zu 6900 Stellen in der Kraftwerks- und der Antriebssparte sind dabei allerdings ausgeklammert. Auf die Sparte kämen zum Ende des Geschäftsjahres "beträchtliche Personalrestrukturierungs-Aufwendungen zu", sagte die im Vorstand dafür verantwortliche Lisa Davis. In den USA, wo allein gut 2000 Stellen wegfallen, habe der Abbau längst begonnen.
RAUS AUS DEM LA-LA-LAND
Siemens hatte sich am Dienstag mit Betriebsräten und der Gewerkschaft IG Metall in Grundzügen darauf geeinigt, wie der Abbau in Deutschland vonstatten gehen soll. Finanzvorstand Ralf Thomas sprach am Mittwoch von einem "großen Schritt nach vorne". Nun sei allen klar, wie dringend es sei zu handeln und wie tiefgreifend die Einschnitte sein müssten. "Niemand ist jetzt noch im La-La-Land und glaubt, dass es einen einfachen Ausweg gibt. Was sein muss, muss sein, um voranzukommen." Im zweiten Quartal brach der Gewinn von Power & Gas um drei Viertel ein, der Umsatz ging währungsbereinigt um ein Fünftel zurück. "Die Marge war mit 3,9 Prozent so schlecht wie erwartet", konstatierte Morgan Stanley.
Bei großen Turbinen für Gas- und Dampf-Kraftwerke sei keine Besserung absehbar, sagte Davis. Der Markt werde sich bald im Vergleich zu 2015 halbiert haben. "Es wird Zeit brauchen, bis wir dort sind, wo wir hin wollen." Das schrumpfende Neugeschäft drücke auch auf die Preise. Davis setzt auf das Wartungs- und Dienstleistungsgeschäft. Operativ lasse sich in der Sparte eine mittlere bis hohe einstellige Umsatzrendite erwirtschaften.
Das liegt aber deutlich unter den elf bis zwölf Prozent, die sich Siemens für 2017/18 vorgenommen hat. Im zweiten Quartal lag die Umsatzrendite im Konzern bei 11,7 Prozent. Mit der "Digital Factory" kam Siemens von Januar bis März auf 20,9 Prozent - bei einem Umsatzzuwachs von 20 Prozent. "Es wäre naiv zu glauben, dass man solche Wachstumsraten halten kann", schränkte Finanzchef Thomas ein.
Konzernweit blieb der Umsatz im Quartal mit 20,1 Milliarden Euro stabil, für das Gesamtjahr erwartet Siemens weiterhin ein leichtes Wachstum. Der Auftragseingang ging vor allem aufgrund einer geringeren Zahl von Großaufträgen um ein Prozent auf 22,3 Milliarden Euro zurück.
US-POLITIK VERUNSICHERT SIEMENS UND SEINE KUNDEN
Kopfzerbrechen macht dem Siemens-Vorstand die geopolitische Lage. Protektionistische Tendenzen könnten die Investitionen der Kunden des Konzerns bremsen, der in rund 200 Ländern aktiv ist - auch wenn davon bisher nichts zu spüren sei, warnte der Konzern. In der Nacht zum Mittwoch kündigten die USA das Atomabkommen mit dem Iran auf, dort drohen nun erneut Sanktionen. "Wir nehmen zur Kenntnis, dass eine der wichtigsten Wirtschaftsnationen der Welt eine politische Entscheidung getroffen hat", äußerte sich Thomas betont schmallippig. Vor fünf Jahren hätte ein solcher Beschluss auf jeden Fall das weltweite Investitionsklima eingetrübt, heute sei er sich da nicht so sicher.
Beim Nettogewinn lag Siemens im Quartal mit 2,02 Milliarden Euro 39 Prozent über Vorjahr. Das lag aber vor allem daran, dass der Konzern eine 11,8-prozentige Beteiligung am IT-Dienstleister Atos gewinnbringend an den eigenen Pensionsfonds weiterreichte. Die Aktien mit einem Marktwert von 1,4 Milliarden Euro hatte Siemens 2010 beim Verkauf der IT-Tochter SIS an Atos bekommen. Aber auch ohne diesen Effekt hätte das Ergebnis zehn Prozent über den Erwartungen gelegen, rechneten die Analysten von Morgan Stanley vor.