"Das ist in diesem Umfeld eine mutige Prognose", sagte Siemens-Vorstandschef Joe Kaeser am Donnerstag zu Reuters TV. "Wenn sich jeder Sorgen macht, muss es einen geben, der Hoffnung macht und den Leuten den Weg zeigt." Finanzvorstand Ralf Thomas sagte vor Analysten, bisher zeigten sich im Geschäft mit Industriesoftware und anderen kurzzyklischen Gütern keine negativen geopolitischen Einflüsse.

Dabei kämpft Siemens im Infrastruktur-Geschäft, wo die Kunden meist staatliche Stellen sind, durchaus mit politischen Faktoren. Im Ringen um den Ausbau der Energieversorgung im Irak etwa hatte sich die US-Regierung mit Verweis auf die Befreiung des Landes vehement für den Siemens-Rivalen GE stark gemacht. Kaeser macht sich nun darauf gefasst, dass man sich den Milliardenauftrag mit den Amerikanern zumindest teilen muss: "Wir möchten nur Geschäfte machen. Wir schicken keine Kampfhubschrauber hin." Die Reise zu einer Konferenz in Saudi-Arabien hatte Kaeser nach dem Mord an einem saudischen Journalisten nach langem Zögern abgesagt, obwohl dem Konzern dort ebenfalls ein Großauftrag winkte. Zu den Chancen, diesen doch noch zu ergattern, äußerte sich Kaeser nicht.

Die Orders wären vor allem der angeschlagenen Kraftwerks-Sparte zugute gekommen. Ihr Gewinn brach im Geschäftsjahr um drei Viertel ein - auch weil der Abbau von weltweit rund 6000 Stellen allein im vierten Quartal 300 Millionen Euro kostete. Die Kosten sollen damit um eine halbe Milliarde Euro pro Jahr gesenkt werden. Das reiche wohl aus, sagte Finanzchef Thomas. "Aber am Ende des Tages entscheidet die Nachfrage darüber." Vor allem große Turbinen für Gas- und Dampfkraftwerke sind weniger gefragt. Immerhin liegt die operative Umsatzrendite der Sparte noch bei fast fünf Prozent. Das schaffe kein anderer in dieser umkämpften Branche, sagte Kaeser.

"DIGITALE FABRIK" MIT TRAUMRENDITEN



Der Umbau der Kraftwerkssparte ließ den Gewinn von Siemens im Industriegeschäft 2017/18 um sechs Prozent auf 8,8 Milliarden Euro schrumpfen. Dabei sei es in sechs der acht Sparten besser gelaufen als ein Jahr zuvor. Aushängeschild bleibt die "Digital Factory", die vor allem Software für die Industrie-Automation verkauft und auf eine Umsatzrendite von 20 Prozent kommt. "In der industriellen Digitalisierung sind wir heute die eindeutige Nummer eins", sage Kaeser. Der Konzernumsatz stieg währungsbereinigt um zwei Prozent auf 83,0 Milliarden Euro, der Auftragseingang um acht Prozent auf 91,3 Milliarden.

Der Nettogewinn stagnierte bei 6,1 Milliarden Euro, auch weil die Ausgliederung der Zug-Sparte zu höheren Steuerlasten führte. Die Dividende will Siemens trotzdem um zehn Cent auf 3,80 Euro je Aktie erhöhen. Zudem beginnt im November erneut ein drei Milliarden Euro schweres Aktienrückkaufprogramm, das vierte seit 2012.

KAESER ZU ZUGESTÄNDNISSEN FÜR ZUG-FUSION BEREIT



Die Zug-Sparte Siemens Mobility soll mit dem französischen Rivalen Alstom fusionieren, das Vorhaben stößt aber auf Widerstand der EU-Kommission. Kaeser sagte, Siemens sei bereit, Geschäfte in bestimmten Regionen zu verkaufen, um die Übernahme genehmigt zu bekommen. China, die Heimat des Weltmarktführers CRRC, habe sie bereits ohne Auflagen durchgewinkt. Wenn es trotzdem nicht gelinge, die Brüsseler Wettbewerbshüter umzustimmen, habe Siemens andere Optionen. "Dann haben wir das beste Mobilitätsunternehmen der Welt." Medienberichten zufolge könnte Siemens Mobility dann an die Börse gebracht werden.

Das laufende Geschäftsjahr steht bei Siemens ganz im Zeichen des Umbaus. Kaeser will die Sparten neu zuschneiden, ihnen mehr strategische Freiheiten lassen - und ihnen höhere Renditeziele stecken. Stichtag für die neue Struktur ist der 1. April 2019. Die Zentrale soll schlanker werden. Finanzchef Thomas sagte, das könne auch "Effizienzmaßnahmen in einigen Supportfunktionen" nach sich ziehen. Dass mit dem Umbau ein massiver Stellenabbau verbunden sei, wies Kaeser aber erneut zurück.

rtr