Die Geschäfte für Siemens laufen rund. Die Münchener profitieren von der wirtschaftlichen Erholung weltweit. Zudem trägt der Umbau von einem Konglomerat hin zu einem Konzern mit Konzentration auf digitale Technologien Früchte. Dabei beherrschten zuletzt mit Siemens Healthineers und Siemens Energy jedoch eher die börsennotierte Tochter beziehungsweise Beteiligung die Schlagzeilen - im Guten und im Schlechten.

Hauptversammlung am Donnerstag


Die Hauptversammlung des Technologiekonzerns findet diesen Donnerstag online statt - früher hielt die Konzernspitze ihre jährliche Veranstaltung in der Olympiahalle in München ab. Für das Geschäftsjahr 2020/2021 (1. Oktober 2020 bis 30. September 2021), schlagen Vorstand und Aufsichtsrat vor, eine Dividende von 4,00 Euro je dividendenberechtigter Stückaktie ausgezahlt. Damit steigt die Dividende im Vergleich zum Vorjahr um 0,50 Euro.

Zudem steht immer wieder die Frage im Raum, wie der DAX-Konzern mit den Anteilen an Siemens Healthineers (derzeit gut 75 Prozent) sowie Siemens Energy umgeht. Das dürfte auch erneut Thema bei der Hauptversammlung werden. So hat etwa die Fondsgesellschaft Union Investment eine entsprechende Frage dazu eingereicht. Konzernchef Busch betonte bislang, dass Healthineers zum Kerngeschäft gehöre. Dagegen will sich Siemens von weiteren Anteilen an Energy trennen - diese aber auch nicht unter Wert verscherbeln. Der Siemens Pensionsfonds, der ebenfalls Aktien an Energy hält, hatte bereits im vergangenen Jahr Anteile verkauft.

Abseits dessen mistet Siemens sein Portfolio weiter aus und verkauft Randgeschäfte, wie zuletzt die Verkehrstechniktochter Yunex. Insgesamt sollen Verkäufe von Randbereichen oder deren Ausgliederungen im laufenden Geschäftsjahr zum Gewinn nach Steuern mit etwa 1,5 Milliarden Euro soviel beitragen wie im Vorjahr.

Lage bei Siemens


Das Münchner Traditionsunternehmen kann sich derzeit auf eine gute Nachfrage in seinen drei Kernbereichen Digital Industries mit dem Software- und Automatisierungsgeschäft, intelligenter Infrastruktur sowie Mobility stützen. Die Auftragsbücher sind dabei gut gefüllt. Nach deutlichen Zuwächsen bei Umsatz und Gewinn im vergangenen Geschäftsjahr will das Management um den seit rund einem Jahr amtierenden Konzernchef Roland Busch daher den Wachstumskurs auch 2021/22 (per Ende September) fortsetzen, wenn sich die Dynamik auch abschwächen dürfte.

Zumindest für die erste Hälfte des Geschäftsjahres erwartet Busch unter anderem wegen Engpässen bei Bauteilen weiter längere Lieferzeiten. Zusätzlichen Gegenwind bringen höhere Materialpreise, steigende Transportkosten sowie ein teilweiser Mangel an Fachkräften. Durch die geplanten Preiserhöhungen sollen die Belastungen bis zur zweiten Hälfte des Geschäftsjahres weitgehend kompensiert werden. Über den Verlauf des ersten Quartals will Siemens an diesem Donnerstag (10.2.) berichten.

Dabei sorgt die Medizintechniktochter Healthineers für große Zufriedenheit in der Vorstandsetage. Nach einem Rekordjahr setzte das Unternehmen seinen guten Lauf jüngst auch im ersten Geschäftsquartal fort und erhöhte die Prognose. Mit der milliardenschweren und von Siemens unterstützten Übernahme des US-Krebsspezialisten Varian hat sich Healthineers zudem eine große Wachstumshoffnung ins Haus geholt.

Das gegenteilige Bild bietet derzeit Siemens Energy. Siemens hatte das Energietechnikgeschäft 2020 abgespalten und hält selbst noch 35 Prozent. Schlechte Geschäfte im zugehörigen, ebenfalls börsennotierten Windkraftgeschäft Gamesa (Siemens Gamesa Renewable Energy SA), die auch durch hausgemachte Probleme verursacht sind, haben bereits zweimal die Planungen von Energy zunichtegemacht - mit entsprechenden Folgen für den Aktienkurs.

Das sagen Analysten zur Siemens-Aktie


Analysten sind größtenteils optimistisch. Von den 31 bei Bloomberg erfassten Experten empfehlen 23 das Papier zum Kauf und nur zwei zum Verkauf. Dabei haben sie Ziele aufgerufen, die dem Kurs aktuell noch viel Spielraum nach oben lassen. Das durchschnittliche Kursziel liegt mit etwas mehr als 170 Euro fast 30 Prozent über dem aktuellen Niveau.

Die US-Bank JPMorgan etwa hat ein Ziel von 190 Euro gesetzt. So geht Analyst Andreas Willi etwa davon aus, dass Siemens den bestehenden Bewertungsrückstand, den der Konzern weiterhin zur Konkurrenz aufweist, verringern wird. Er sieht Siemens dabei als einen der strukturellen Gewinner in der Branche. Trotz des kurzfristigen Gegenwinds zeigt er sich dabei mittelfristig zuversichtlich für die Investitionsgüterindustrie insgesamt. Im Software-Geschäft sei der Übergang zu Cloud-Angeboten gut gestartet, was das Wachstum und die Margen antreiben sowie die Volatilität verringern sollte, so Willi. Zudem habe Siemens eine führende Stellung im weltweiten Automations- und Industriesoftwarebereich.

Das Analysehaus Jefferies hob das Kursziel Ende Januar sogar auf 195 Euro an. Analyst Simon Toennessen begründete dies mit einer deutlich verbesserten Bilanz des Industriekonzerns. Er rechnet überdies mit einem guten ersten Quartal 2022. Im Fokus stehen dürfte hierbei ein über Erwarten gutes Digitalgeschäft.

Bei der Deutschen Bank lobt Gael de-Bray mit Blick auf den Yunex-Verkauf die anhaltende Portfoliooptimierung. Zudem zeigte er sich zuversichtlich für die Branche insgesamt. Der europäische Investitionsgütersektor zeichne sich weiterhin durch einen hohen Auftragsbestand und wachsende Bestelleingänge aus, notierte er. Er sieht für 2022 ein solides Wachstum mit den Themen Nachhaltigkeit, Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung als starken Wachstumstreibern. Das Schlussquartal von Siemens nannte er zwar "durchwachsen", hält die Prognose für 2021/22 aber "ermutigend".

Zu den Pessimisten zählt Lars Brorson von der britischen Barclays-Bank. Er hatte zwar Mitte Januar das Kursziel von 130 Euro auf 141 Euro erhöht, die Einstufung aber auf "Underweigt" belassen. Ein noch niedrigeres Kursziel unter den großen Analysehäusern hat derzeit nur Bernstein mit 114 Euro.

Unsere Einschätzung zur Siemens-Aktie


Die seit 1899 an der Börse gehandelten Papiere laufen in diesem Jahr bislang eher durchwachsen. Zwar erreichte der Kurs Anfang Januar mit fast 158 Euro noch einmal einen Rekordstand - danach ging es jedoch deutlich abwärts.Dies war zum einen der insgesamt schwächeren Marktlage mit Zins- und Inflationsängsten geschuldet. Die Gewinnwarnungen von den Beteiligungen Energy und Gamesa setzten dem Kurs dann noch einmal zu. Derzeit notiert die Aktie bei gut 133 Euro.

Im laufenden Jahr kommt Siemens damit bislang auf ein Minus von knapp 13 Prozent und damit deutlich mehr als der Dax. Und auch für die vergangenen zwölf Monate sieht die Bilanz insgesamt mit einem kleinen Minus insgesamt eher mau aus. Dabei hatte sich das Papier im Zuge des Konzernumbaus und dem Abbau der Konglomeratsstrukturen zwischenzeitlich in immer neue Höhen bewegt. Im vergangenen Jahr erklomm Siemens eine Rekordmarke nach der anderen. Dabei trieb den Konzern auch die gute Entwicklung bei der Tochter Healthineers an. Jedoch folgten auch immer mal wieder erhebliche Dämpfer.

Auf Drei-Jahressicht ist die Bilanz mit einem Plus von etwas mehr als 50 Prozent dagegen deutlich positiv - zum Vergleich: Der Dax legte in dem Zeitraum 35 Prozent zu. Über zehn beziehungsweise 20 Jahre gesehen liegt die Siemens-Aktie mit einem Anstieg von knapp 100 Prozent beziehungsweise 127 Prozent im Mittelfeld der Dax-Titel. An der Börse gehört Siemens mit einer Marktkapitalisierung von knapp 114 Milliarden Euro weiterhin zu den drei Schwergewichten des Leitindex Dax. SAP (135 Milliarden) und Linde (134 Milliarden) sind höher bewertet. Der Volkswagen-Konzern (110 Milliarden Euro) kommt den Münchenern aber verdächtig nahe.

Wir empfehlen die Aktie weiterhin zum Kauf.

dpa-AFX/ak