Vergessen hat Joe Kaeser diese Proteste sicher nicht. Anfang des Jahres griffen die Klimaschützer von "Fridays for Future" den Siemens-Chef heftig an. Auslöser waren Lieferungen der Münchner an eine große Kohlemine in Australien. Ein gutes Dreivierteljahr später steigt nun Siemens Energy, die abgespaltene Energiesparte des Konzerns, unter ihrem Chefkontrolleur Kaeser aus dem Geschäft mit Kohlekraftwerken aus.
"Wir beteiligen uns ab sofort nicht mehr an neuen Ausschreibungen für Kohlekraftwerke", sagt Christian Bruch, Chef von Siemens Energy (SE). Seit dem Frühjahr leitet der ehemalige Linde-Manager die jüngst an der Börse notierte Siemens-Tochter. Bruch soll unter Kaesers Aufsicht die Geschäfte mit konventionellen Kraftwerken, Windturbinen und Stromnetztechnik zum Renditebringer formen.
Der Ausstieg dürfte Bruch nicht leicht gefallen sein. Denn der Verzicht bedeutet Abstriche bei der Profitabilität. "Das Neugeschäft mit Kohlekraftwerken ist profitabel", sagt Bruch. Wie schwer dieses Signal zugunsten nachhaltiger Energien gefallen sein muss, lassen die Zahlen des Ende September abgelaufenen Geschäftsjahres vermuten: SE schrieb wegen Sonderlasten in Höhe von insgesamt rund 1,5 Milliarden Euro einen Nettoverlust von 1,9 Milliarden Euro. Auch die Siemens-Aktionäre, die Aktien der SE beim Spin-off Ende September erhielten, werden das dicke Minus mit Stirnrunzeln zur Kenntnis nehmen.
Ursächlich hierfür waren auch hohe Abschreibungen auf das Geschäft mit Gasturbinen, das Siemens 2014 von der britischen Rolls-Royce übernommen hatte. Bruch sieht für die kleineren Turbinen, die einen recht geringen Wirkungsgrad haben, auch wegen des Booms bei Erneuerbaren wenig Potenzial. Daneben drückten Restrukturierungen und Ausgaben für den Börsengang das Ergebnis.
Immerhin versprach Bruch in der laufenden Periode eine operative Rendite - vor Sonderaufwendungen - von drei bis fünf Prozent und bestätigte damit die Jahresprognose. Zuletzt war SE auch operativ noch hauchzart im roten Bereich gelandet.
Dafür muss der ausgewiesene Sanierer noch kräftiger sparen. Im Kraftwerksgeschäft wird nach dem Kohle-Aus erneut aufgeräumt. Auch bei den wachstumsträchtigen Windkraftanlagen herrscht Handlungsbedarf. Im Juni wurde daher mit Andreas Nauen ein erfahrener Manager an der Spitze der Windkrafttochter Siemens Gamesa (SGRE) installiert, an der die SE 67 Prozent hält. Die Spanier meldeten soeben 918 Millionen Euro Jahresverlust, Nauen soll die Wende schaffen.
Rückenwind bei den Orders
Was Aktionären Mut macht: Siemens Energy hat jetzt 79 Milliarden Euro an Aufträgen im Bestand, zwei Milliarden mehr als im Vorjahr. Das Plus stammt aus der Windkraft, im Geschäftsjahr legte der Auftragseingang um 16 Prozent zu. SGRE ist bei Offshore-Anlagen technologisch führend, produziert die derzeit größten Turbinen für die offene See mit Rotordurchmessern von 222 Metern.
Zudem verfügt SE über ein robustes und profitables Servicegeschäft, Kunden interessieren sich derzeit verstärkt für Fernwartung. Der Abschied von der Kohle fällt so auch nicht ganz so schwer. 60 Prozent der Umsätze entfallen auch hier auf den Service - und der läuft laut Bruch bei Altverträgen weiter.
INVESTOR-INFO
Siemens Energy
Prognose bestätigt
Nach dem Börsengang Ende September hat die Aktie unter starken Schwankungen tendenziell verloren. Die hohe Volatilität war keine Überraschung, viele Fonds und ETFs verabschiedeten sich nach dem Spin-off von dem Papier. SE bleibt eine Restrukturierungsstory. Hohen Verlusten im jüngsten Geschäftsjahr steht die bestätigte Prognose für das laufende Jahr gegenüber. Stromübertragung und Windkraft sind Bereiche, die künftig noch Wachstumspotenzial zeigen dürften.
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