Am vergangenen Montag war es bekanntlich soweit: Die in der Energieübertragung und -erzeugung tätig Siemens Energy vollzog mit der Notierungsaufnahme im Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse den eigenen Börsengang. In einem ersten Schritt hat die Siemens AG dabei 55 Prozent der Siemens Energy AG an die Siemens-Aktionäre abgespalten und damit in den Streubesitz gegeben, weitere 9,9 Prozent wurden an den Siemens Pension-Trust e.V. übertragen.

Die Aktionäre bekamen für je zwei Siemens-Aktien zusätzlich jeweils eine Aktie von Siemens Energy. Weitere 9,9 Prozent gingen an den Pensionsfonds und 35,1 Prozent behielt die Siemens AG. Der Sitz von Siemens Energy soll künftig in Berlin sein. Die Siemens AG beabsichtigt, binnen 12 bis 18 Monaten ihren Anteil an Siemens Energy weiter deutlich zu reduzieren.

Die nunmehr selbstständigen Siemens-Unternehmen Siemens AG, Siemens Healthineers AG und Siemens Energy AG sollen laut den internen Plänen künftig in einem Ökosystem gleicher Interessenslagen zusammen. Gleichzeitig konzentrieren sie sich dabei jedoch auch auf die jeweiligen Prioritäten und Charakteristika ihrer Geschäfte und Branchen. Als starke, fokussierte und global aufgestellte Gesellschaft soll beispielsweise Siemens Energy künftig die eigenen Ressourcen effizienter einsetzen können. Durch die eigenständige Börsennotierung soll zusätzliche Transparenz und Eigenverantwortung entstehen. Die Eigenständigkeit soll zudem mit einer weiter verbesserten Profitabilität einhergehen.

"Mit dem Listing der Siemens Energy schließen wir einen wesentlichen Meilenstein der strukturellen Neuausrichtung von Siemens erfolgreich ab", kommentierte Joe Kaeser, Vorstandsvorsitzender der Siemens AG, das Ereignis. "Mit drei leistungsfähigen, fokussierten und selbständigen Unternehmen sind wir hervorragend für die Zukunft aufgestellt. Die eigenständigen Börsennotierungen werden die Wertschaffungspotentiale der jeweiligen Geschäfte deutlich besser als im Konglomerat erschließen können", so seine Wunschvorstellung.

"Durch den Spin-off entsteht ein unabhängiger und agiler Energie-Champion, mit einer starken Marke und der Ingenieurs-DNA von Siemens", ergänzt Ralf Thomas, Finanzvorstand der Siemens AG und Mitglied des Aufsichtsrats der Siemens Energy AG. "Siemens Energy agiert künftig unabhängig und verfügt über eine starke finanzielle Basis. Die Siemens AG wird zugleich transparenter und schlanker mit klarem Fokus auf das Kerngeschäft ihrer industriellen Einheiten. Umso mehr sind wir überzeugt, dass dieser Börsengang langfristig nachhaltig Wert für die Aktionäre schafft", so Thomas.

Los ging es an der Börse zum Wochenauftakt mit einem Starkkurs von 22,01 Euro. Im Tagestief ging es im Xetra-Handel dann bis auf 19,21 Euro nach unten. Den kleinen Schwächeanfall hat die Aktie aber schnell überstanden. Am Mittwoch stand nach einem Tagesplus von 4,55 Prozent eine Schlussnotiz von 2,00 Euro angeschrieben. Nach dem ersten Handelstag stand aus Sicht der Siemens-Altaktionäre unter Berücksichtigung der neu zugeteilten Aktien ein Kursplus von rund acht Prozent angeschrieben.

Das Interesse an dem Aktienmarkt-Neuling ist groß, wie Platz zwei in der BÖRSE ONLINE-Rangliste der meistgesuchten Aktien (https://www.boerse-online.de/aktien/meistgesuchte-aktien) zur Wochenmitte bestätigt. Grund genug, um uns nachfolgend intensiver mit der Frage zu beschäftigen, wie Analysten die Aussichten für den Titel beurteilen und wie sie die Chancen auf eine Einlösung des Versprechens von Siemens-Finanzvorstand Thomas einschätzen, mit dem Börsengang langfristig nachhaltig Wert für die Aktionäre schaffen zu wollen. Wobei es so ist, dass die derzeitigen Kursziele in der Spitze ein Aufwärtspotenzial von fast 44 Prozent versprechen.

Berenberg Bank-Einschätzung zur Siemens Energy-Aktie


Die deutsche Privatbank Berenberg hat die Abdeckung der Aktien von Siemens Energy mit einem Kaufvotum aufgenommen, das mit einem Kursziel von 28,00 Euro versehen ist. Das heißt, bei einer Schlussnotiz zur Wochenmitte von 23,00 Euro kann sich der zuständige Analyst Philip Buller einen Anstieg von fast 22 Prozent vorstellen.

Die Bewertung hat man mit Hilfe einer abgezinsten Cashflow-Methode berechnet, wobei aus Vorsichtsgründen eine Reihe konservativer Annahmen Verwendung fanden und nicht der mittelfristige Leitfaden, den das Unternehmen selbst auf dem jüngst am 01. September abgehaltenen Kapitalmarkttag vorgelegt hatte.

Den Schätzungen von Buller zufolge wird das Gas- und Stromgeschäft mit einem Umsatz von 19 Milliarden Euro heute effektiv nur mit dem 0,3-fachen des Umsatzes bewertet, obwohl 40 Prozent der Einnahmen hochprofitabel seien. Wobei es sich dabei auch oft um wiederkehrende Umsätze handele.

Die sich somit ergebende Fehlbewertung sei vor dem Hintergrund einer Welle von Gewinnmitnahmen durch traditioneller Aktionäre der Siemens AG zu sehen, die sich mehr von den strukturellen Triebkräften angezogen fühlen, welche die Siemens-Aktie selbst nach wie vor zu bieten habe. Eine Ansicht, die man bei der Berenberg Bank teilt, was sich daran zeigt, dass man den bei 107,86 Euro gehandelten Siemens-Aktien einen Anstieg bis auf 146,00 Euro zutraut.

Die Anteilsscheine von Siemens Energy seien aber ebenfalls falsch bewertet und man geht davon auf, dass sich der Titel dem fairen Wert annähern kann, sobald die derzeit noch zu registrierenden Kapitalabflüsse aufgrund der Abgaben der Altaktionäre durch neue Käufer verdrängt werden, die auf der Suche nach interessanten Value-Aktien sind.

Buller vertritt wie bereits geschrieben die Meinung, dass sich der faire Wert bei 28,00 Euro bewegt, wobei darin ein Umstrukturierungsprogramm einbezogen ist, das auf dem erwähnten Kapitalmarkttag detailliert beschrieben wurde. Die Zielvorgabe bedeutet, dass der Analyst mit Blick auf das Geschäftsjahr 2022 beim Verhältnis von Unternehmenswert zum Umsatz einen Multiplikator von 0,6 für angemessen hält und beim Verhältnis von Unternehmenswert zum bereinigten EBITA einen zehnfachen Multiplikator.

Bei der Berechnung wurde das Energiegeschäft als Ganzes auf abgezinster Cashflow-Basis berechnet und der Bereich G&P als eigenständiges Unternehmen modelliert. Hinzu kommt der aktuelle Marktwert der 67-prozentigen Beteiligung an Siemens Gamesa. Berücksichtigung fand auch die 24-prozentige Beteiligung an Siemens Indien (die einen aktuellen Marktwert von rund eine Milliarde Euro hat) sowie rund 0,5 Milliarden Euro aus anderen Joint Ventures.

Im Zuge der Modellberechnungen habe sich gezeigt, dass die Bewertung auf abgezinster Cashflow-Basis angesichts der relativ dünnen Margen in der nahen Zukunft sehr empfindlich auf Wachstums- und Margenannahmen reagiert. Doch es sei geleichzeitig auch schwierig, sich ein Szenario vorstellen, bei dem sich die Aktien nicht wieder erholen könnten.

Ansonsten heißt es, das Siemens-Energy-Geschäft werde voraussichtlich wachsen, die Margen steigen und es gebe eine signifikante Netto-Cash-Ausgangsposition (zwei Milliarden Euro, ohne Pensionen). Trotz der angestrebten Dividendenausschüttungsquote (40-60 Prozent) gestalte sich die Entwicklung des Cash-Bestandes als solide, was auch noch durch die Möglichkeit zur Verbesserung des Betriebskapitals in Höhe von 1,2 Milliarden Euro gestützt werde.

Auch Aktienrückkäufe könnten zu einem wichtigen Faktor werden, was man bisher aber nicht in die Prognosen einbezogen habe. Im Börsenprospekt stehe aber, dass nach dem Spin-off Aktienrückkäufe im Volumen von 393 Millionen Euro angedacht seien. Zudem beinhalte dieser den Hinweis, dass bis zu zehn Prozent der eigenen Aktien bis 2025 zurückgekauft werden könnten, falls das genehmigt werden sollte.

Den Umsatz von Siemens Energy sieht die Berenberg Bank von 2019 bis 2022 von 28,797 Milliarden Euro auf 29,208 Milliarden Euro steigen. Beim angepassten Gewinn je Aktie geht man gleichzeitig von einem Anstieg von 0,84 auf 1,22 Euro aus. Auf letztgenannter Basis ergibt sich damit ein geschätztes KGV von 18,85. Mit der ersten Dividendenzahlung rechnet man für das Geschäftsjahr 2021 und zwar in Höhe von 0,50 Euro je Aktie. Für 2022 sollen den Prognosen zufolge dann 0,62 Euro je Anteilsschein fließen.

Goldman Sachs-Einschätzung zur Siemens Energy-Aktie


Die US-Investmentbank Goldman Sachs hat die Abdeckung der Aktien von Siemens Energy mit einer Kaufempfehlung somit mit einem Kursziel von 25,20 Euro aufgenommen. Zum Vergleich: Den Vertretern aus dem Industrie-Sektor traut Goldman Sachs im Schnitt derzeit nur einen Anstieg von vier Prozent zu, so dass man momentan bei dem Börsen-Neuling vergleichsweise gute Chancen wittert.

Siemens Energy deckt laut dem zuständigen Analysten Ajay Patel die komplette Energie-Wertschöpfungskette von konventioneller zu erneuerbarer Energie ab und sei damit auf zahlreiche Megatrends wie steigende Nachfrage, Minimierung von Schadstoffausstoß und Digitalisierung ausgerichtet.

Patel betonte in seiner Ersteinschätzung des Titels auch das bestehende Potenzial durch Kostensenkungen und das langfristige Wachstum im Bereich der Erneuerbaren Energien. Auch Investitionen in den Bereich Wasserstoff, der noch in den Kinderschuhen stecke, böten erhebliche Chancen. Die Technologie von Siemens Energy werde derzeit zur Versorgung von etwa einem Sechstel der weltweiten Stromerzeugung eingesetzt.

Die Geschichte von Siemens Energy beinhalte Umsatzwachstum im Bereich der erneuerbaren Energien plus Margenverbesserung, die sich nicht zuletzt durch Kostensenkungen erzielen lassen könnten. Goldman Sachs prognostiziert einen Rückgang der EBITA-Margen von 5,3 Prozent im Geschäftsjahr 2019 auf 0,3 Prozent im Geschäftsjahr 2020 und eine Erholung auf 7,1 Prozent bis zum Geschäftsjahr 2023.

Gehe diese Rechnung auf, würde dies zu einem 50-prozentigen EBITA-Wachstum und einer Verdoppelung des bereinigten Gewinns vor Aktien (vor Sonderposten) von 2019 bis 2023 führen. Über das Geschäftsjahr 2023 hinaus erwartet Patel, dass die erneuerbaren Energien zu einem stärkeren Motor des Umsatzwachstums werden, da weltweit mehr Länder grüne Initiativen ergreifen würden, die auf Netto-Null-Emissionen abzielten.

Die Investitionen von Siemens Energy in Wasserstoff steckten zwar noch in den Kinderschuhen, aber die Möglichkeiten seien hier riesig und hätten Auswirkungen auf das gesamte Portfolio des Unternehmens. Patel schätzt, dass die umweltfreundliche Wasserstoffpolitik der EU bis 2050 zu Investitionen in Höhe von mehr als zwei Billionen Euro führen könnte, was bei Siemens Energy ein Wachstum über den aktuellen Geschäftsplan hinaus ermöglichen würde.

Mit Blick auf die Margen erwartet Siemens Energy selbst für das Geschäftsjahr 2020 auf währungsbereinigter EBITA-Basis einen weitgehend ausgeglichen Wert. Bis zum Geschäftsjahr 2023 soll dann aber eine Marge von 6,5-8,5 Prozent erreicht werden, während daraus dann mittelfristig schrittweise eine EBITA-Marge von mehr als acht Prozent werden soll.

Um diese Margenziele zu erreichen, strebe das Management Einsparungen in Höhe von mehr als 800 Millionen Euro an, einschließlich der Neugestaltung der Präsenz, der Straffung des Portfolios und der Verbesserung der Projektabwicklung und Lieferketten. Goldman Sachs kalkuliert für mit einem Rückgang bei der EBITA-Marge von 5,3 Prozent auf 0,3 Prozent und bis 2023 mit einer Erholung auf 7,1 Prozent.

Der aktuelle Aktienkurs impliziere mit Blick auf das Geschäftsjahr für Gas & Strom ein 2-3-faches Verhältnis von Unternehmenswert zum EBITA. Der Vergleichsgruppe werde hier im Schnitt aber ein Multiplikator von acht zugestanden. Das Unternehmen weise vor diesem Hintergrund einen starken Bewertungsabschlag auf, der nicht die potenziellen Vorteile wider spiegele, welche das Erneuerbare Energien-Geschäft sowie - im Laufe der Zeit - das Wasserstoff-Geschäft bieten würden.

Konkret sehen die Vorhersagen von Goldman Sachs für Siemens Energy von 2019 bis 2022 einen Umsatzanstieg von 28,797 Milliarden Euro auf 30,209 Milliarden Euro vor. Der Gewinn je Aktie soll sich gleichzeitig von 0,67 Euro auf 0,97 Euro verbessern. Die Dividendenschätzung sieht für 2021 eine Zahlung von 0,02 Euro je Aktie vor und von 0,25 Euro für 2022.

Deutsche Bank-Einschätzung zur Siemens Energy-Aktie


Die Deutsche Bank hat ihre Ersteinschätzung zu Siemens Energy mit dem Titel "Die Schöne und das Biest" versehen. Das Fazit der Studie ist eine Kaufempfehlung, die mit einem Kursziel von 27,00 Euro einhergeht.

Für den zuständigen Analysten Gael de-Bray verfügt Siemens Energy über ein umfassendes Portfolio in den Bereichen Stromerzeugung und -übertragung, das eine gut 67-prozentige Beteiligung am Windkraftunternehmen Siemens Gamesa ("die Schöne") und die ehemalige Siemens-Division Gas & Power ("das Biest") umfasse.

Der Analyst erwartet zwar nicht, dass sich die Bestie in einen Prinzen verwandelt, aber eine erfolgreiche Transformation ei auf dem Weg, und er schätzt, dass die Kombination zu einer glücklichen Ehe führen könnte. Er rät zum Kaufen der Aktien von Siemens Energy anstelle der Anteilsscheine von Siemens Gamesa.

Die bisherigen Störungen auf dem Markt für große Gasturbinen lägen nun weitgehend hinter der Gruppe: Die Volumina seien in den vergangenen zehn Jahren bereits eine "Klippe hinuntergefallen", und es gebe deutliche Anzeichen für eine Stabilisierung der Nachfrage auf niedrigem Niveau.

Die Deutsche Bank geht davon aus, dass die Bewertungsmultiplikatoren von Siemens Energy im Laufe der Zeit steigen werden, da die Gruppe erstens ihre Kostensenkungsversprechen einlösen dürfte und sie zweitens mit ihrem Portfolio an erneuerbaren Energien, Netzstabilität, Kohle-zu-Gas-Umstellungslösungen, Elektrolyseuren und H2-betriebenen Gasturbinen demonstriere, dass sie den globalen Energiewandel auf eine reibungslose und wirtschaftlich machbare Weise für ihre Kunden anführen könne.

Commerzbank-Einschätzung zur Siemens Energy-Aktie


Am weitesten lehnt sich mit der Einschätzung zu Siemens Energy nach unserm Kenntnisstand derzeit die Commerzbank aus dem Fenster. Denn der zuständige Analyst Sebastian Growe hat seine Kaufempfehlung für den Wert mit einem Kursziel von 33,00 Euro ausgestattet. Das ist eine Vorgabe, die immerhin um 43,5 Prozent über der aktuellen Notiz von 23,00 Euro liegt.

Growe stellt in seiner Einschätzung zunächst fest, dass Siemens Energy nach der Abspaltung von Siemens mit einem anfänglichen Streubesitz von 55 Prozent an die Börse gekommen ist. Das Unternehmen sei Weltmarktführer in den Märkten für Stromübertragung und dezentrale Energieerzeugung und halte eine starke Position als Nummer 2 zwei in den Märkten für zentrale Energieerzeugung (große Gasturbinen) und industrielle Anwendungen.

Die Gesellschaft halte zudem eine gut 67-prozentige Beteiligung an Siemens Gamesa, dem Weltmarktführer im Bereich Offshore-Windenergie (Nr. 3 bei Onshore-Windenergie). Die Trennung von der Siemens AG sollte es Siemens Energy ermöglichen, schlankere und agilere Strukturen zu schaffen.

Investoren könnten von einer Wertsteigerung profitieren, wie sie bei vergleichbaren früheren Siemens-Abspaltungen zu beobachten sei. Der anfängliche faire Wert bewege sich in einer Spanne von 33-38 Euro, wobei das offizielle Kursziel von 33,00 der Basisfall sei.

Wie Growe ansonsten weiter ausführt, verändert sich der globale Stromerzeugungsmix rasch, wobei Kohle bei rund 35 Prozent oder mehr als 2.000 GW der Gesamtkapazität allmählich auslaufen dürfte. Es sei aber noch nicht sicher, ob die Erzeugung direkt auf erneuerbare Energien umgestellt werden könne oder ob Gas für eine Weile der Übergangsbrennstoff sein werde. Siemens Energy sei sowohl bei Wind als auch bei Gas stark und daher gut geeignet, von der Optionalität in beiden Märkten zu profitieren.

Der Bereich Stromübertragung sollte von der Notwendigkeit profitieren, die Stromnetze zu verbessern und zu modernisieren. Hydrogen Solutions sei gemessen an den Einnahmen klein, habe aber eine starke Position in einem Markt mit hohem langfristigen Wachstumspotenzial.

Es ist laut Growe natürlich schwierig, die genauen Folgen auf die Ergebnisse zu quantifizieren, die sich aus den Eigentums- oder Managementwechseln ergeben werden. Vergleichbare europäische Spin-offs signalisierten keine schlüssigen Beweise für eine Leistungsverbesserung nach der Trennung. Dennoch hätten Siemens-Abspaltungen in der Regel relativ gut abgeschnitten (Osram, Wincor Nixdorf, Infineon). Für Siemens Energy sei ein größerer Managementwechsel sowie angepasste Anreize ein starker Impuls für Veränderungen und bessere Leistungen.

Siemens ergreife Maßnahmen zur Anpassung seiner Gasturbinen-Kapazitäten an ein Marktniveau von 70-80 Einheiten pro Jahr (2004-15: rund 200 p.a., Spitzenwert 265 im Jahr 2011). Während die Kapazitäten der Wettbewerber intransparent seien, neigen General Electric und Mitsubishi Heavy Industries dazu, ähnliche Maßnahmen zu ergreifen. Das Management scheine fest entschlossen zu sein einen profitablen Rahmen für das Erzeugungsgeschäft zu schaffen, wobei dafür auch ein starkes Anreizsystem sprechen würde.

Growe rechnet beim Umsatz von 2020 bis 2023 mit einer jährlichen Wachstumsrate von im Schnitt 5,9 Prozent und er erwartet auch eine Margenausweitung um 310 Basispunkte von 2021 bis 2023, was eine Verbesserung des EBITA im Zeitraum von 1,2 Milliarden Euro bedeuten würde. Diese Margenausweitung werde durch verschiedene Faktoren in den verschiedenen Divisionen begünstigt. Den Gewinn je Aktie sieht die Commerzbank von 2019 bis 2022 von 0,72 Euro auf 1,41 Euro steigen.

NordLB-Einschätzung zur Siemens Energy-Aktie


Die NordLB schreibt zu Siemens Energy, dass der Titel das Börsenparkett als eine Restrukturierungsstory betreten hat. Hierzu sei dem Unternehmen ein solides finanzielles Fundament mitgegeben worden. Die Herausforderungen seien aber hoch. Der Umbau werde an vielen Stellen auf Widerstände treffen (z.B. Gewerkschaften) und sei damit kein Selbstläufer.

Gleichzeitig seien die globalen Marktchancen aussichtsreich. Die Aktie dürfte vor allem für sehr langfristig orientierte Anleger interessant sein. Der zuständige Analyst Wolfgang Donie hat die Coverage von Siemens Energy mit dem Rating "Halten" und einem Kursziel von 24,00 Euro aufgenommen.

Wie Dönie ansonsten weiter ausführt, betrage die Marktkapitalisierung des neu notierten Unternehmens gut 16 Milliarden Euro. In der Ausgliederung habe Siemens die bisherige Sparte Power and Gas sowie die Beteiligung (67,1 Prozent) an Siemens Gamesa Renewable Energy zusammengefasst. Zunächst seien 55 Prozent der Anteile von Siemens Energy an die Börse gebracht worden. Siemens halte weiterhin 35,1 Prozent, der Siemens Pensionsfonds 9,9 Prozent der Anteile.

Siemens Energy gehöre somit nun nicht mehr zum Konsolidierungskreis der Siemens AG. Nach 12 bis 18 Monaten beabsichtige Siemens, seinen Anteil weiter zu reduzieren. Mit der Abspaltung solle ein unabhängiger Marktführer im Energiegeschäft geschaffen werden. Die weltweiten Energiesysteme befänden sich im Wandel, wobei sich das Verhältnis von fossilen Brennstoffen kontinuierlich hin zu erneuerbaren Energien verschiebe.

Gleichzeitig lebten aktuell noch rund 850 Millionen Menschen ohne Zugang zu Elektrizität. Einige Studien gingen davon aus, dass sich die Nachfrage nach Elektrizität bis 2040 um bis zu 50 Prozent erhöhen könnte. Siemens Energy wolle von diesen Trends profitieren, wobei die Herausforderung darin liege, den steigenden Energiebedarf wirtschaftlich zu decken und gleichzeitig das Klima zu schützen.

Während über 50 Prozent des Siemens Energy Portfolios bereits dekarbonisiert seien, verlaufe die Transformation des Energiemarktes weltweit aus unterschiedlichen Startpositionen heraus und in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Das Unternehmen fordere daher auch Mut zu Zwischenlösungen, beispielsweise durch Effizienzsteigerungen und sauberere Brennstoffe im Bereich der fossilen Energien.

Siemens Energy befinde sich in der Restrukturierung und dürfte das gerade abgelaufene Geschäftsjahr 2019/20 voraussichtlich mit einem Verlust abgeschlossen haben. Zur Profitabilitätssteigerung sei beabsichtigt, die weltweiten Betriebsabläufe zu optimieren, das Portfolio weiter an die veränderten Marktanforderungen anzupassen und den Innovationsschwerpunkt schrittweise auf Nachhaltigkeit und Service zu verschieben.

Ein entscheidender Werttreiber werde das Servicegeschäft sein. Zur Steigerung der Leistungsfähigkeit seien Kosteneinsparungen von bis zu 1,3 Milliarden Euro p.a. bis zum Jahr 2023 geplant. Damit verbunden sei auch ein Stellenabbau. Hiervon seien bereits 500 Millionen Euro umgesetzt worden, die allerdings durch ein geringeres Geschäftsvolumen (COVID-19, Probleme bei Siemens Gemesa) aufgezehrt worden seien.

Mit diesen Maßnahmen solle die angepasste EBITA-Marge von 1,5 Prozent im Geschäftsjahr 2018/19 auf 6,5-8,5 Prozent bis zum Jahr 2023 gesteigert werden. Über diesen Zeitraum hinaus werde eine Größenordnung von über 8% angestrebt. Gleichzeitig solle das Geschäftsvolumen moderat wachsen.

Einschätzungen zur Siemens Energy-Aktie von Kepler, JPMorgan und Credit Suisse


Die Studien des Analysehauses Kepler Cheuvreux und der US-Bank JPMorgan sowie von der Schweizer Großbank Credit Suisse liegen uns zwar nicht vor, in den Nachrichtenagenturen ist zu deren Meinung zu den Aktien von Siemens Energy aber folgendes zu lesen.

Kepler Cheuvreux hat Siemens Energy mit einem Kaufvotum und einem Kursziel von 28,00 Euro in die Bewertung aufgenommen. Mit Blick auf das Jahr 2022 seien für die Siemens-Abspaltung sogar Kurse bis zu 33,00 Euro möglich. Als ein führender Akteur in der gesamten Energiewertschöpfungskette sei Siemens Energy ideal aufgestellt.

JPMorgan dagegen gibt das Anlageurteil mit "Neutral" an und das Kursziel mit 25,00 Euro. Kurzfristig gebe es zwar Aufwärtspotenzial, aber über die bestehenden längerfristigen Herausforderungen könne nicht hinweg gesehen werden, schreibt Analyst Andreas Willi in seiner Einschätzung. Um auf den Energiewandel zu setzen, sollten Anleger die Aktien von Siemens Gamesa bevorzugen, so sein Urteil.

Die Schweizer Bank Credit Suisse zu guter Letzt hat die Bewertung der Papiere von Siemens Energy bei einem Kursziel von 26,00 Euro mit der Einstufung "Outperform" aufgenommen. Analystin Iris Zheng begrüßt in einer am Dienstag veröffentlichten Studie insbesondere den klaren Fokus auf Profitabilitätssteigerung. Hier die Ziele zu erreichen sei entscheidend, zitiert dpa-AFX die Expertin.

Profil


Siemens Energy ist weltweit nahezu entlang der gesamten Energie-Wertschöpfungskette tätig. Das Unternehmen beschäftigt weltweit rund 91.000 Mitarbeiter (Stand: 31. März 2020). Zu seinen Produkten zählen Gasturbinen, Dampfturbinen, Generatoren, Transformatoren und Kompressoren. Mit einem Anteil von 67 Prozent an Siemens Gamesa Renewable Energy gehört Siemens Energy zu den weltweiten Marktführern im Bereich der erneuerbaren Energien.

In der Siemens Gas and Power GmbH & Co. KG ist das global aufgestellte Energiegeschäft des Siemens-Konzerns gebündelt, der seit mehr als 150 Jahren gemeinsam mit seinen Kunden an Lösungen für die sich weiter entwickelnden Anforderungen von Industrie und Gesellschaft arbeitet. Mit dem Börsengang agiert das Energiegeschäft künftig als Siemens Energy eigenständig. Siemens Energy wird ein breites Spektrum von Kompetenzen entlang der Energiewertschöpfungskette abdecken und ein umfassendes Portfolio für Energieversorger, unabhängige Stromerzeuger, Betreiber von Übertragungsnetzen, die Öl- und Gasindustrie sowie andere energieintensive Branchen anbieten.

Mit ihren Produkten, Lösungen, Systemen und Dienstleistungen will Siemens Energy die Branchen Gewinnung, Verarbeitung und den Transport von Öl und Gas, Strom- und Wärmeerzeugung in zentralen und dezentralen Wärmekraftwerken sowie Stromübertragung und Technologien für die Energiewende einschließlich der Energiespeicherung und Sektorkopplung adressieren. Die Mehrheitsbeteiligung an Siemens Gamesa Renewable Energy rundet das zukunftsorientierte Portfolio ab. Mit der Verpflichtung, eine treibende Kraft der Dekarbonisierung der globalen Energiesysteme zu werden, will Siemens Energy ein bevorzugter Partner für Unternehmen, Gesellschaften und Kunden auf ihrem Weg in eine nachhaltigere Zukunft sein.

Zum finanziellen Fundament von Siemens Energy muss man folgendes wissen: Der Konzern wurde mit liquiden Mitteln in Höhe von rund 6,4 Milliarden Euro ausgestattet, was Stand 30. Juni 2020 bei Siemens Energy (ohne SGRE-Geschäftsaktivitäten) zu einer Nettoliquidität von rund 2,2 Milliarden Euro führte. Hinzu kommt, ebenfalls Stand 30. Juni 2020, der umfangreiche Auftragsbestand von 82 Milliarden Euro. Zum Ende des Geschäftsjahres 2019 beliefen sich der Auftragseingang auf 33,7 Milliarden Euro und der Gesamtumsatz auf 28,8 Milliarden Euro. Somit ergab sich ein Verhältnis von Auftragseingang zu Umsatz (book to bill ratio) von 1,2.

Die finanzielle Kernzielgröße des Konzerns, das angepasste EBITA vor Sondereffekten, ist von 1,46 Milliarden Euro im Geschäftsjahr 2018 auf 1,52 Milliarden Euro im Geschäftsjahr 2019 gestiegen. Davon wurden 0,8 Milliarden Euro des angepassten EBITA vor Sondereffekten im Berichtssegment Gas and Power erwirtschaftet. Für das Geschäftsjahr 2023 strebt Siemens Energy eine angepasste EBITA-Marge vor Sondereffekten zwischen 6,5 Prozent und 8,5 Prozent an.