Das bisherige Jahr 2016 hatte es in sich an der Frankfurter Börse. Schon der Jahresstart war mit einem Minus von in der Spitze 19 Prozent im DAX der schlechteste seit 2008. Gründe gab es zuhauf: der drastische Verfall der Ölpreise, Sorgen um die Konjunktur in China, Unsicherheiten über den weiteren geldpolitischen Kurs der US-Notenbank sowie Anzeichen für ein Wiederaufflammen der Eurokrise.
Dank der Erholung der Ölpreise und der erneuten Lockerung der Geldpolitik durch die EZB ging es dann zwar beinahe ebenso schnell wieder bergauf, ehe das Brexit-Votum Ende Juni erneut zu Turbulenzen führte. Doch auch diese Verluste konnte der Leitindex schnell wieder wettmachen. Nach einer mehrmonatigen Seitwärtsbewegung sorgte zuletzt die Unsicherheit über den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl für neue Kursverluste.
Highflyer unter Druck
Nebenwerte standen in den vergangenen Tagen ebenfalls unter Druck. Dabei erwischte es auch Titel, die im bisherigen Jahresverlauf zu den Highflyern zählten. Beispiel Helma Eigenheimbau: Nach einer Klettertour von 45 auf 62 Euro hat der Small Cap innerhalb von wenigen Tagen fast die kompletten Jahresgewinne wieder eingebüßt. Ähnliche Verluste gab es bei den Aktien der IT-Unternehmen Datagroup und Norcom. Solche Phasen hatten in den vergangenen Jahren stets gute Einstiegsgelegenheiten eröffnet.
Die Turbulenzen sind für die Redaktion von BÖRSE ONLINE Grund genug, sich unter den 100 größten Aktien unterhalb der Indizes DAX, MDAX, TecDAX und SDAX auf die Suche nach Kaufgelegenheiten zu begeben. Langfristig hat sich gezeigt, dass Engagements in solche Nebenwerte höchst lukrativ sein können. Denn in der Regel handelt es sich um Unternehmen, die in Nischen tätig sind und sich dort führende Positionen erarbeitet haben. Das schlägt sich in einer überdurchschnittlichen Profitabilität nieder. Das Ergebnis unserer Analyse: Bei 62 Aktien sehen wir derzeit eine Einstiegsgelegenheit (siehe Tabellen Seite 4, 5 und 6).
Viele unserer Kaufkandidaten präsentieren sich vom 21. bis 23. November auf dem Deutschen Eigenkapitalforum. Auf der seit 1996 von der Deutschen Börse organisierten Veranstaltung berichten überwiegend börsengelistete Unternehmen verschiedenster Branchen über ihre Geschäftsentwicklung und präsentieren ihre aktuellen Finanzkennzahlen. Dieses Jahr sind mehr als 180 Gesellschaften dabei (siehe auch Seiten 7 bis 14). Hinzu kommen circa 2500 "1on1-Gespräche" mit institutionellen Investoren und Analysten.
Die Profis sind schon gespannt, welche Antwort Isra-Chef Enis Ersü dieses Mal parat hat, wenn er nach einer möglichen Übernahme seines Unternehmens gefragt wird. In den vergangenen Jahren stritt der Manager ein Verkaufsinteresse stets ab. Doch nach dem jüngsten Kursanstieg, der die Aktie in den dreistelligen Bereich nach oben führte, dürften die Spekulationen noch lauter sein als sonst. Fundamental ist der Kursanstieg durchaus untermauert. Denn der Spezialist für Oberflächeninspektionssysteme und Bildverarbeitungsprogramme (Machine Vision) wächst seit Jahren unabhängig von der Konjunkturentwicklung mit prozentual zweistelligen Raten und verbesserte dabei die operative Marge beständig - auf zuletzt stattliche 19,2 Prozent. Für einen Schuss Extrafantasie sorgt der mögliche Aufstieg in den TecDAX.
Begehrter Gesprächspartner
Die Datagroup-Aktie sprang zwischen Mitte September und Mitte Oktober um rund 40 Prozent auf ein neues Allzeithoch nach oben. Allein schon aufgrund dieser starken Performance dürfte Datagroup-Chef Max Schaber auf dem Eigenkapitalforum ein heiß begehrter Gesprächspartner sein. Dem IT-Dienstleister spielen die voranschreitende Digitalisierung und der nachhaltige Wachstumstrend im Cloud-Computing in die Karten. Bis 2020 will Datagroup den Umsatz über die Marke von 500 Millionen Euro hieven und eine Marge von 13 bis 15 Prozent erreichen. Geht der Plan auf, hat die Aktie langfristig das Potenzial zu einem Vervielfacher.
Auch Grammer gehört zu den Unternehmen, deren Aktien zuletzt stark gelaufen sind. Die Papiere eilten bis in den September hinein völlig losgelöst von den Bewegungen am Gesamtmarkt von Hoch zu Hoch. Experten vermuten hinter dem Kursanstieg Zukäufe der Beteiligungsgesellschaft Halog von Nijaz Hastor. Der bosnische Unternehmer hatte im März dieses Jahres seinen Einstieg mit 10,2 Prozent bei dem in Amberg ansässigen Hersteller von Autositzen offengelegt und im Juli auf 15,23 Prozent aufgestockt. Abgesehen von der Übernahmefantasie wissen die Oberpfälzer auch operativ zu überzeugen. Obendrein ist die Aktie außerordentlich günstig bewertet.
Dieter Manz gehört auf dem Eigenkapitalforum zu den Dauergästen. Dieses Jahr hat der Gründer und Großaktionär von Manz viele Probleme, aber auch einen neuen Investor an Bord: Shanghai Electric ist bei dem Maschinenbauer eingestiegen. Die 2016er-Prognose musste Manz nun einkassieren. Denn es kommt zu Verschiebungen im Zusammenhang mit einem Großauftrag zur Errichtung einer schlüsselfertigen Produktionslinie zur Herstellung von Dünnschicht-Solarmodulen. Gleichwohl soll sich das operative Ergebnis "deutlich verbessern". Nach unten ist der Aktienkurs dank des neuen Ankeraktionärs abgesichert. Vielleicht lässt Dieter Manz in Frankfurt durchblicken, wann mit Shanghai Electric die beabsichtigte Stimmbindungsvereinbarung geschlossen wird. Dieser Schritt hätte ein Pflichtangebot zur Folge. Wir stufen den Titel auf "Beobachten" herauf.
Vor dem nächsten Kursschub
Als Geheimtipp wurde während des Eigenkapitalforums im vergangenen Jahr die Aktie von Surteco herumgereicht. Noch während der Veranstaltung kletterte der Kurs von 19 auf 22 Euro nach oben. Nun könnte der nächste Kursschub anstehen - vorausgesetzt Surteco-Chef Herbert Müller hat wieder ansprechende Zahlen und einen optimistischen Ausblick im Gepäck. Bereits im ersten Halbjahr konnte der Spezialist für Oberflächenmaterialien für die Möbelindustrie in zunehmendem Maße von der Integration der Süddekor-Gruppe profitieren. Am 14. November, also kurz vor dem Eigenkapitalforum, wird sich zeigen, ob sich dieser Trend im Quartal per Ende September fortgesetzt hat.
Auf gute Resonanz stieß im vergangenen Jahr auch der Vortrag von MBB-Chef Christof Nesemeier. Kostete ein Anteilschein der Berliner Beteiligungsgesellschaft kurz vor dem Eigenkapitalforum 2015 rund 22,50 Euro, waren es wenige Tage später in der Spitze fast 28 Euro. Knapp ein Jahr danach hat sich die Notiz bis auf fast 40 Euro nach oben geschraubt. Kern des Geschäftsmodells von MBB ist die langfristige Wertsteigerung der einzelnen Unternehmen und der Gruppe als Ganzes. Im August hat die Gesellschaft die Umsatzprognose für 2016 von 300 auf 310 Millionen Euro erhöht, der Gewinn je Aktie soll auf 2,10 Euro statt auf 2,00 Euro steigen. Bis 2020 ist ein Umsatzanstieg auf 500 Millionen Euro geplant - bei steigender Profitabilität.
Unsere Auswahlkriterien
Auswahluniversum der Top-100-Rangliste der größten Nebenwerte ist unsere Datenbank Deutsche Aktien. In dem umfangreichen Statistikteil trägt die Redaktion Woche für Woche die wichtigsten Daten zu derzeit 523 Aktien zusammen. Außen vor bleiben bei unserer Analyse die 160 Dividendenpapiere, die in einem der vier Auswahlindizes DAX, MDAX, TecDAX und SDAX gelistet sind. Zudem haben wir vorausgesetzt, dass mindestens zehn Prozent der Aktien frei handelbar sein müssen. Dieses Kriterium soll eine gute Handelbarkeit der ohnehin eher wenig liquiden Nebenwerte gewährleisten.
Darüber hinaus haben wir Sonderfälle aussortiert, vor allem Firmen mit Standort im Ausland. Eine Ausnahme ist Senvion: Der Windanlagenbauer sitzt zwar in Luxemburg, doch die GmbH, aus der heraus das operative Geschäft gesteuert wird, ist in Deutschland ansässig. Schlussendlich haben wir die Börsenschwergewichte Celesio, Innogy, MAN, Porsche, TUI und Uniper herausgefiltert, da sie keine Small Caps sind. Die Top-100-Rangliste ist nach dem Börsenwert sortiert.
Eigenkapitalforum: Prall gefüllter Terminkalender
184 Unternehmen, Tausende Einzelgespräche: Die Veranstaltung für Investoren- und Analysten ist ein Pflichttermin für die Nebenwerteszene. Die wichtigsten Termine.
Vom 21. bis 23. November verwandelt sich der Rhein-Main-Flughafen zum "Mekka der Nebenwerte". Denn im Sheraton Frankfurt Airport Hotel & Conference Center findet wieder das Deutsche Eigenkapitalforum statt. Mit mehreren Tausend Teilnehmern aus der Finanzindustrie, der deutschen und der internationalen Unternehmerschaft sowie Investoren und Analysten hat sich die Veranstaltung zu Europas größter Plattform rund um die Eigenkapitalfinanzierung gemausert. Dieses Jahr werden die Vorstände von mehr als 180 gelisteten Konzernen aktuelle Geschäftszahlen und Ausblicke präsentieren.
Windeln.de: 21.November 2016, 13:30 Uhr
Viel Anlegervertrauen hat Windeln.de-Chef Konstantin Urban verspielt. Weil die chinesische Regierung die Importregeln und Zölle für Warenlieferungen nach China geändert hat, brachen bei dem auf Baby- und Kinderprodukte spezialisierten Onlinehändler die Bestellungen ein. Daher musste Windeln.de eingestehen, dass das für das Gesamtjahr geplante Erlöswachstum von mindestens 50 Prozent nicht mehr erreicht werden kann. Stattdessen sollen es nur 30 Prozent werden, und der Verlust soll größer ausfallen. Nach dem drastischen Einbruch der Aktie um mehr als die Hälfte war auf einer Roadshow im Oktober die Zurückhaltung der Investoren zu spüren. Doch wenn neue negative Überraschungen ausbleiben, sollte sich das Sentiment aufhellen.
S&T: 21.November 2016, 16:00 Uhr
S&T-Chef Hannes Niederhauser hat auf dem Eigenkapitalforum (EKF) 2015 viele neue Investoren gewonnen: Seitdem hat sich die Aktie mehr als verdoppelt, zudem gelang sogar der Sprung in den TecDAX. Nun muss Niederhauser erneut Überzeugungsarbeit leisten. Denn die jüngsten Übernahmepläne verunsichern. Der österreichische IT-Technologiekonzern beteiligt sich mit 29,9 Prozent am deutschen Minicomputerhersteller Kontron. Die Mittel dazu hat S&T mit Sitz in Linz durch eine Kapitalerhöhung eingesammelt, im Zuge derer die Foxconn-Tochter Ennoconn aus Taiwan bei dem Konzern eingestiegen ist. S&T erhofft sich nun, bei den Zukunftstrends Industrie 4.0 und Internet der Dinge eine führende Rolle zu übernehmen. Auch die ehrgeizige Prognose der Österreicher sorgt für Erklärungsbedarf: Für 2018 sagt Niederhauser mehr als eine Milliarde Euro Umsatz voraus - doppelt so viel wie 2016.
Berentzen: 22.November, 09:00 Uhr
Nach dem Ausstieg der Beteiligungsfirma Aurelius ist der Hauptbelastungsfaktor für die Berentzen-Aktie in den vergangenen Jahren entfallen. Der Finanz-investor hat seine Beteiligung am traditionsreichen Spirituosenhersteller aus Haselünne von einst gut 50 Prozent auf rund 14,2 Prozent heruntergeschraubt. Entsprechend dürfte das Interesse seitens der Nebenwertekenner auf dem Eigenkapitalforum nun wieder spürbar zunehmen, zumal das Unternehmen auch fundamental auf Kurs ist. In den ersten neun Monaten des laufenden Jahres hat Berentzen ein Umsatzwachstum von 8,0 Prozent auf 124,7 Millionen Euro erzielt. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) kam um 49 Prozent auf 7,0 Millionen Euro voran. Für das Gesamtjahr 2016 rechnet der Hersteller von Puschkin-Wodka und Berentzen Doppelkorn unverändert mit einer deutlichen Verbesserung der Ertragskennziffern.
Siltronic: 22.November, 11:00 Uhr
Gäbe es eine Wette auf die Präsentation mit den meisten Teilnehmern, wir würden auf Siltronic setzen. Denn mit einem Kursplus von fast 200 Prozent allein in den vergangenen vier Monaten zählt der Halbleiter-Grundstoffspezialist derzeit zu den gefragtesten Aktien auf dem deutschen Kurszettel. Nachdem der Titel nach dem Börsengang im Juni 2015 vom Emissionspreis bei 30 Euro bis auf gut zwölf Euro abgerutscht war, hat die TecDAX-Aktie die kompletten Verluste wettgemacht. Neuen Auftrieb erhielt die Notiz von den Zahlen zum dritten Quartal. Das Management berichtete von einem stark verbesserten Marktumfeld in der Halbleiterindustrie. Daher hat Siltronic die Umsatzprognose für 2016 leicht angehoben. Zudem gilt der Konzern als heißer Übernahmekandidat.
Singulus: 22.November, 11:00 Uhr
Nach einer finanziellen Rosskur startet Singulus-Vorstand Stefan Rinck bei Investoren eine Charme-Offensive. Der Spezialmaschinenbauer aus dem unterfränkischen Kahl am Main hat gerade den letzten Schritt in seiner bilanziellen Restrukturierung hinter sich. Via Kapitalerhöhung wurden gut zwei Millionen neue Aktien ausgegeben. Für 2016 rechnet Singulus mit einem Umsatz von 68 bis 78 Millionen Euro. Bedingt durch Verzögerungen im Zusammenhang mit einem Großauftrag zum Bau einer Solarzellenfabrik werden große Teile des Umsatzes und Gewinns für diesen Auftrag erst 2017 anfallen. Sollte sich der Markt positiv entwickeln, winkt eine Umsatzverdoppelung auf rund 150 Millionen Euro. Angesichts dessen mutet der aktuelle Börsenwert zwar geradezu winzig an. Doch Singulus ist noch lange nicht über den Berg.
Nemetschek: 22.November, 15:00 Uhr
Brechend voll dürfte es bei der Präsentation von Nemetschek-Vorstand Patrik Heider werden. Denn die Aktie des Spezialisten für Bau- und Architektursoftware gehört zu den TecDAX-Superstars. Wer zu den Tiefstkursen 2008/09 eingestiegen ist, konnte seinen Einsatz mehr als vervierzigfachen. 2016 liegt der Titel mit einem Plus von rund einem Viertel im TecDAX weit vorn. Der Konzern profitiert von seiner Internationalisierung. Im dritten Quartal kletterte der Umsatz um 18,5 Prozent auf 83,9 Millionen Euro. Der Gewinn legte um fast 39 Prozent auf 12,1 Millionen Euro zu. Zudem wurde die Anfang Oktober angehobene Gesamtjahresprognose bestätigt. Obwohl die Zahlen eigentlich für sich sprechen, muss Heider Überzeugungsarbeit leisten. Denn die Aktie ist inzwischen sehr teuer.
Francotyp-Postalia: 22.November, 16:30 Uhr
Mit der Geschäftsentwicklung bei Francotyp-Postalia konnten Anleger in den vergangenen Jahren nicht zufrieden sein. Seit 2012 stieg der Umsatz des Postdienstleisters im Prinzip nur dank Portoerhöhungen durch die Deutsche Post. Gleichzeitig stagnierte der Gewinn. Nun soll der neue Vorstandsvorsitzende und Ex-Infineon-Finanzchef Rüdiger Andreas Günther das Ruder herumreißen. Auf dem Eigenkapitalforum tritt der Manager erstmals vor einem größeren Investorenkreis auf. Mit im Gepäck wird Günther neben den frischen Quartalszahlen die neue Wachstumsstrategie haben. Schon vorab ließ der Manager durchblicken, dass er eine Reihe von Anknüpfungspunkten sieht, um die Ertragskraft des Francotyp-Postalia-Konzerns zu verbessern. Für genügend Spannung ist also gesorgt.
SLM Solutions: 22.November, 17:00 Uhr
Zu den großen Verlierern auf dem Eigenkapitalforum gehört Uwe Bögershausen, Finanzvorstand von SLM Solutions. Nachdem die Übernahmen seiner früheren Arbeitgeber, des Fahrradherstellers Derby Cycle und des Solarmodulherstellers Aleo Solar, erfolgreich über die Bühne gegangen sind, ist der Verkauf des 3-D-Druckerherstellers geplatzt. Denn der Übernahmeinteressent, kein geringerer als der US-Mischkonzern General Electric, hat die Mindestannahmequote von 75 Prozent nicht erreicht und seine Kaufofferte zurückgezogen. Daraufhin ist der Titel regelrecht eingebrochen. Die Spekulation von Hedgefondsmanager Paul Singer, der mit rund 20 Prozent bei SLM Solutions eingestiegen war, auf eine Erhöhung des Angebots ist also nach hinten losgegangen. Nun erhoffen sich Investoren Aufschluss darüber, ob ein anderer Bieter auf den Plan treten könnte und ob der Konzern aus Lübeck die ehrgeizige 2016er-Prognose einhalten kann.