Wachstumsstory Aktie
Die langfristige Erfolgsgeschichte der Aktien ist eigentlich wenig überraschend: Über die letzten 200 Jahre ist der Breitenwohlstand vor allem in den Industriestaaten enorm gewachsen und mit dem langfristigen Wirtschaftswachstum geht zumeist ein Gewinnwachstum einher, von dem der Aktionär profitiert.
Ein Blick in die Vergangenheit der USA - wo die längste historische Zeitreihe verfügbar ist und sich Erkenntnisse daraus vielfach auch auf andere Regionen übertragen lassen - zeigt: Die Unternehmensgewinne sind seit 1871 um knapp 4 % p. a. nominal gestiegen, trotz zahlreicher tiefer Rezessionen und Krisen.
In Einklang mit dem Wachstum der US-Unternehmensgewinne kletterten auch die Kurse des amerikanischen Aktienmarktes. Der Kursindex des S&P 500 (Standard & Poor's) stieg im Zeitraum 01.01.1871 bis 31.12.2013 von 4,44 auf 1.843 Indexpunkte, ein Anstieg von im Durchschnitt nominal rund 4,3 % p. a. Werden die reinvestierten Beiträge der Dividenden hinzugerechnet, deren Rendite im Mittel circa 4,4 % betrug und die gut die Hälfte der Performance ausmachten, so ergibt sich umgerechnet ein sogenannter Total Return (Performanceindex) von über 800.000 Indexpunkten. Das entspricht einem historischen Anstieg des S&P 500 von 8,7 % p. a. Mit dem Aktiendepot der Ur-ur-ur-Großeltern im Gegenwert von damals 100 US-Dollar wären die Erben heute Millionäre mit einem Vermögenswert von circa 15 Millionen US-Dollar.
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Aber : Sind Aktien sicherer als Anleihen?
Zugegeben - eine provokante These. Es kommt vor allem darauf an: Wie definiert der Anleger Sicherheit bzw. Risiko? Und welchen Anlagehorizont betrachtet er? Vielfach wird das Risiko einer Anlageklasse gemessen an ihrer jährlichen Schwankungsbreite, sprich Volatilität per annum. Und mit Blick auf diesen Risikomaßstab war die Aktie in der Vergangenheit in der Tat risikoreicher als andere Anlagen. Die jährlichen Schwankungen reichten von -38 % (im Jahr 1932) bis +66 % (Jahr 1862). Der maximale Verlust bei Staatsanleihen während eines Jahres von -22 % (1864) fiel dagegen etwas geringer aus, es wurden aber auch "nur" rund +35 % im Optimum erzielt (1982). Der Einstiegszeitpunkt spielte somit keine ganz unbedeutende Rolle. Überraschend: Selbst mit kurzläufigen Geldmarktpapieren (3-Monats-T-Bills) erlitten die Sparer im Zuge inflationärer Tendenzen durchaus einen größeren Verlust. Die Renditespanne erstreckte sich hier von knapp -16 % (1948) bis circa +24 % (1801).
Das Risiko lässt sich zwar nicht ausschalten, aber es lässt sich steuern. Je länger der Anlagehorizont, desto unbedeutender scheint der Zeitpunkt des Aktienkaufs zu werden. Wer seine Ersparnisse zum Beispiel über einen Zeitraum von fünf Jahren für sich arbeiten lassen konnte, der musste über den Zeitraum während der letzten 213 Jahre in 36 Fällen Verluste erleiden. Bei einem rollierenden Zehnjahreszeitraum war das nur 16 Mal der Fall. Eine Beispielrechnung mit US-amerikanischen Aktien des S&P 500 verdeutlicht dies: Von 1800 an wurde die Performance für einen rollierenden Zeitraum über fünf Jahre gemessen. Im schlechtesten Fall mussten im Durchschnitt der Jahre 1916 bis 1921 gut 11 % Verlust per annum realisiert werden, im besten Fall wurden circa 27 % Gewinn erzielt (1924 bis 1929). Interessant: Auch 10-jährige Staatsanleihen erlitten größere Verlustperioden über fünf Jahre. Von 1976 bis 1981 und von 1914 bis 1919 betrug hier der durchschnittliche jährliche Verlust sogar mehr als 10 %.
Definiert der Anleger Sicherheit nicht als Schwankungsbreite der Kurse, sondern als Kaufkrafterhalt, das heißt unter Einbeziehung der steigenden Inflationsraten, so waren Aktien in der Historie über einen langen Anlagehorizont von über 10 Jahren sogar "sicherer" als Anleihen. Bei der Analyse der 10-jährigen rollierenden Durchschnittsrenditen im selben Zeitraum der letzten 213 Jahre waren die negativen Ausreißer für Aktien im Vergleich mit kurz- und langlaufenden Staatsanleihen sogar geringer. Ein Aktionär konnte in der Spitze im Zeitraum 1949 bis 1959 real durchschnittlich circa 17 % p. a. verdienen, während er im Zuge des Ersten Weltkrieges von 1911 bis 1921 und der ersten Ölkrise 1965 bis 1975 beim Aktienkauf rund 4 % p. a. verloren hätte.
US-Anleihebesitzer verzeichneten hingegen mit über -5 % p .a. den größeren realen Verlust in der Anlageperiode 1971 bis 1981 - eine Phase stark gestiegener Inflation. Im Vergleich dazu fiel die negative Aktienmarkt-Performance von 2000 bis 2009 während des Platzens der Technologieblase und der Finanzkrise in Höhe von -3 % p. a. noch moderat aus. Im Nachhinein wäre das Jahr 2009 übrigens ein guter Einstiegszeitpunkt gewesen, was die alte Börsenweisheit bestätigt: "Kaufen, wenn die Kanonen donnern."
Bei noch weiterer Verlängerung des Anlagehorizontes stellen wir in der Analyse von rollierenden 30-jährigen Zeitperioden der letzten 213 Jahre immer positive reale Renditen bei Aktien fest. Im Schnitt betrug der Vermögenszuwachs nach Inflation 6,94 % p. a. Die niedrigste 30-Jahresrendite betrug im Zeitraum 1903 bis 1933 2,81 % p. a., die höchste 10,6 % p. a. in der Periode 1857 bis 1887. Aber auch die jüngste 30-jährige Aktienmarktperiode kann sich trotz zahlreicher Kapitalmarktverwerfungen im historischen Vergleich sehen lassen. Hätte ein Aktionär im Jahr 1983 US-Aktien gekauft, hätte er einen realen Vermögenszuwachs von knapp 7,5 % p. a. verbuchen können.
Hingegen war das Risiko eines realen Vermögensverlustes bei Festgeldanlagen (3-Monats-T-Bills) und Staatsanleihen (10-jährige Laufzeit, US-Treasuries) in den USA durchaus gegeben. So verzeichneten Anleger in Festgeldern in den Zeiträumen 1923 bis 1953 und den folgenden 30-Jahresperioden bis 1980 jeweils einen Kaufkraftverlust. Bei US-Staatspapieren waren es die Periode 1934 bis 1964 und die Folgeperioden bis 1985 - die Zeit der "Finanziellen Repression". In der Spitze betrug der Verlust bei Festgeldern -1,75 % p. a. (1933 bis 1963) und bei 10-jährigen Staatspapieren -2,00 % p. a. (1950 bis 1980).
Ob Aktien "sicherer" sind als Anleihen ist am Ende also nur eine Frage der Betrachtungsweise. Sicher ist: Sie gehören in (fast) jedes Depot."