Der 1819 von Sir Thomas Raffles gegründete Handelsposten der East India Company und heutige Stadtstaat besticht vor allem durch seine Innovationskraft. Mit einem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von knapp 60 000 US-Dollar belegt Singapur einen Spitzenplatz in Asien und liegt damit deutlich vor Ländern wie Australien, Hongkong oder Neuseeland. 2019 zog Singapur knapp 80 Milliarden Dollar an ausländischen Direktinvestitionen an und konnte damit das rohstoffstarke Australien mit 60 Milliarden Dollar hinter sich lassen. Von den weltweit 100 größten und erfolgreichsten Unternehmen haben gut 75 Prozent ihre asiatischen Niederlassungen in dem Stadtstaat. Singapur ist der weltweit viertgrößte Exporteur von Hightechprodukten und gilt noch vor Japan als global führend im Bereich hochwertiger und komplexer Herstellungstechnologien.
Mit der schnellsten Breitbandgeschwindigkeit, der höchsten mobilen Durchdringung und der größten Datencenterkapazität wurde das Land kürzlich auch mit dem 1. Platz für digitale Infrastruktur ausgezeichnet. Dass diese Aufzählungen nicht abschließend sind, ist für Singapur selbstredend. In den zurückliegenden Jahren hat sich der Straits Index, welcher die 30 größten und liquidesten Aktien aus Singapur umfasst, unterdurchschnittlich entwickelt. Ergeben sich da attraktive Investitionsmöglichkeiten? Mit einem Enterprise Value zu einem Ebitda von 13,8 (globaler Aktienmarkt liegt bei 12,4), einer Eigenkapitalrendite von 8,3 Prozent (globale Aktien bei 12,5 Prozent) und einer Free-Cash-flow-Rendite von 3,5 Prozent scheint Singapur auf den ersten Blick nicht attraktiv genug bewertet zu sein. Ganz anders sieht es allerdings aus, wenn man die Bewertungsspannweite auf Einzeltitelebene heranzieht. Diese Kenngröße ist nichts anderes als die Relation zwischen den 30 Prozent am attraktivsten bewerteten Titeln im Index und dem Marktdurchschnitt. Sie liegt bei über 2,2 Standardabweichungen und war selten so hoch.
Das heißt für den Investor: Singapur ist ein klassischer Stockpicker-Markt. Wir glauben, mit dem Technologieunternehmen Venture Corp. eine sehr interessante Aktie gefunden zu haben. Das Unternehmen ist ein führender globaler Anbieter von Technologielösungen, Produkten und Dienstleistungen in den Bereichen Marketingresearch sowie Design für Produkte. Zudem hat die Firma Stärken im Prozess-Engineering, Supply-Chain-Management und technischen Support. Kunden von Venture sind beispielsweise die US-Unternehmen Illumina, Waters, HP, Agilent und Broadcom. Mit einem Enterprise Value zu einem Ebitda von 11,1, einer Free-Cashflow- und Eigenkapitalrendite von 8,5 Prozent beziehungsweise 13 Prozent besticht das Unternehmen durch eine attraktive Bewertung. Venture Corp. verdient seine Kapitalkosten und war in den vergangenen Jahren mit einer durchschnittlichen Ebitda-Marge von über elf Prozent hochprofitabel.
Dem Titel fehlt es momentan einzig an Momentum. Wir glauben, dass sich dies ändern könnte, da etwa Erstausrüster aufgrund der Streitigkeiten zwischen China und den USA ihre Lieferketten anpassen. Venture, das seine Produktionsstätten in Singapur und Malaysia hat, dürfte davon profitieren. Nova Seq 6000 von Illumina, das als erstes Covid-19-Testgerät eine genetische Sequenzierung zulässt, wurde von Venture entwickelt. Auch die von Philip Morris angebotene Zigarettenalternative Iqos, die den Tabak nur erhitzt, wurde ebenfalls von Venture entwickelt und entsprechend dürfte das Unternehmen von dem Markttrend profitieren. Im Bereich der Netzwerk- und Halbleitersparte hat Venture eine Vielzahl von Systemen entwickelt, die im Bereich Work und Stay at Home ihre Anwendung finden. Biowissenschaft, Genomik, molekulare Diagnostik wie auch Gesundheits- und Wellnesstechnologie sind weitere zukunftsträchtige Bereiche, in denen sich Venture positioniert. Das dürfte sich künftig auch in den Zahlen niederschlagen.
Über Christoph Hilfiker
Der Autor, geboren 1970 in Basel (Schweiz), ist verantwortlich für das Research und das Equity-Management der Asien-Pazifik-Region bei der LLB Asset Management AG (ASM) in Vaduz, Liechtenstein. Er studierte Wirtschaftsrecht an der Universität St. Gallen (HSG) und Finanzökonomie an der European Business School (ebs). Von 1993 bis 1997 diente er als Major in der Schweizer Luftwaffe.