Die Energiewirtschaft befindet sich im Umbruch: Die meisten Länder haben sich dazu bekannt, die Energiewende voranzutreiben. Europa will in 30 Jahren der erste klimaneutrale Kontinent werden. Allein bis zum Ende dieses Jahrzehnts will die Europäische Union über ihren beschlossenen "Green Deal" eine Billion Euro investieren. Ein Teil davon wird dann in sogenannte Smart Grids fließen. Das sind intelligente Stromnetze, die von der Erzeugung über den Transport und die Speicherung bis zum Verbrauch in unterschiedlicher Form miteinander kommunizieren.

Diese Smart Grids werden deswegen so wichtig, weil die Stromproduktion mit erneuerbarer Energie extrem volatil ist. Weht der Wind, gibt es Windstrom, scheint die Sonne, gibt es Sonnenstrom. Beides ist flüchtig, da noch nicht ausreichend Speichersysteme zur Verfügung stehen. Höchst intensiv wird allerdings daran gearbeitet, denn der Druck steigt. Je höher dieser wird - politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich -, desto schneller schreitet die Entwicklung voran. "Durch die zunehmende Elektrifizierung wird der Stromverbrauch stark steigen. Deswegen klettern auch die Investitionen in den Netzausbau kräftig. Denn diese sind das Rückgrat der Energiewirtschaft", sagt Susanne Reisch, Portfoliomanagerin für Infrastruktur bei Bantleon.

Auch die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt, dass der Strombedarf weltweit bis 2040 kräftig zunehmen wird. Und dies unter der Prämisse, Emissionen aus fossilen Brennstoffen drastisch zu reduzieren. Vor allem in den wachstumsstarken asiatischen Ländern, in Südamerika und Afrika wird der Verbrauch stark steigen.

Aber auch in den klassischen Industrieregionen wächst der Verbrauch. Elektronische Geräte und die Elektromobilität steigern den Bedarf. Umso mehr gilt es, Einsparpotenziale zu heben und den Strom intelligent zu steuern. Die dezentrale Produktion erneuerbarer Energie verlangt eine Neugestaltung des Netzes. Laut einer Studie der RWTH Aachen werden bis 2050 für den Aufbau der deutschen Energieinfrastruktur 110 Milliarden Euro benötigt. Geld fließt in Haushalte, die sich selbst mit Strom versorgen, der gespeichert und intelligent verteilt wird. Es fließt jedoch insbesondere auch in Investitionen der Industrie.

Für Anleger ist das Thema spannend, allerdings nicht ganz trivial, da unterschiedlichste Sparten beteiligt sind. Je nach Risikoneigung lässt sich das Thema eher defensiv, aber auch mit höherem Risiko angehen. Bei den großen Konzernen spielt Smart Grid lediglich eine Nebenrolle. Bei den kleineren sind auch einige Spezialisten dabei. BÖRSE ONLINE hat einige spannende Unternehmen ausgesucht.

Französischer Stromgigant


Ein Schwergewicht im Markt ist der französische Konzern Schneider Electric. Direkter Wettbewerber ist etwa der Münchner DAX-Konzern Siemens. Beim Euro-Stoxx-50-Wert stehen Soft- und Hardwarelösungen für die Automation und das Energiemanagement im Vordergrund. Die Lösungen zielen vor allem auf die Effizienz und Nachhaltigkeit des Strommanagements in Gebäuden und der Produktion ab. So verkauft Schneider etwa Hardware, um Anlagen zu automatisieren und sie miteinander zu verbinden.

Über Internet-of-Things-(IoT-)Lösungen ermöglicht der Konzern anderen Unternehmen die Nutzung erneuerbarer Energie und unterstützt sie zum Beispiel beim Umstieg auf Elektrofahrzeugflotten oder bei der bestmöglichen Stromverteilung. Zwar kann es vor allem bei Endkonsumenten aufgrund der Pandemie zu Verzögerungen der Nachfrage kommen, allerdings sollte diese lediglich aufgeschoben sein. Nach der positiven Entwicklung im Sommer hob der Konzern seine Prognose wieder etwas an. Für das Gesamtjahr soll der Umsatzrückgang etwas geringer ausfallen und lediglich um fünf bis sieben Prozent zurückgehen und nicht mehr wie bisher geplant um sieben bis zehn Prozent. Im Gegensatz zum Wettbewerber Siemens legte der Aktienkurs bereits kräftig zu. Das liegt vor allem daran, dass Schneider Electric fokussierter die Zukunftsthemen abdeckt. Deswegen sollte der Titel auch künftig besser performen.

Deutscher Netzriese


Jede Solaranlage, jedes Windkraftwerk, jede Ladesäule muss ans Netz angeschlossen werden. Mehr als drei Viertel des Umsatzes kommen bei Eon aus dem regulierten Geschäft. Die Essener haben rund 50 Millionen Kunden in Europa, sie besitzen Gas- und Stromleitungen in einer Länge von 1,5 Millionen Kilometer. Zu den Hauptaufgaben gehört der sichere Betrieb dieser Netze. Künftig liegt es an dem designierten Vorstandschef Leonhard Birnbaum, den Konzern ab April 2021 in eine digitale und grüne Zukunft zu führen. Eine erhebliche Herausforderung, die für Anleger jedoch attraktive Vorzeichen hat.

Eons Vorteil: Durch die Regulierung sind die Umsätze gut planbar. Zwar sind auch diese nicht immer ganz sicher. Das zeigte sich etwa an Deutschlands Ausstieg aus der Kernkraft nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima im Jahr 2011. Eon brachen sicher geglaubte Erlöse weg. Aktuell ist dies im Bereich der Netze allerdings nicht absehbar. Zwar wird Eon künftig viel in die Infrastruktur investieren müssen, doch sinken durch die Minizinsen die Kapitalkosten.

Spanischer Versorger


International stark vertreten, was erneuerbare Energie angeht, ist der spanische Versorger Iberdrola. Vor allem in diesen Bereich will er kräftig investieren. In den kommenden sechs Jahren sollen es 75 Milliarden Euro sein. Einen Großteil davon wollen die Spanier aus eigener Tasche finanzieren - vor allem in grüne Energie und in Netzwerke soll das Geld fließen. Die Kapazität der Erneuerbaren soll bis 2025 im Vergleich zu 2019 auf 60 Gigawatt verdoppelt werden. In Bilbao entwickelt Iberdrola einen Smart-Grid- Hub, der künftige Herausforderungen der intelligenten Stromverteilung lösen soll.

Im Frühjahr 2021 soll es losgehen. Der Aktienkurs entwickelte sich stark, nachdem er sich selbst im Abschwung relativ gut gehalten hatte. Große Investoren glauben an die Story des Versorgers. BÖRSE ONLINE empfiehlt den Titel weiterhin zum Kauf.

Italienischer Kabelproduzent


Die Ansprüche an intelligente Netze kennt auch der italienische Kabelhersteller Prysmian. Spezialisiert hat er sich auf Kabel, die unter Wasser verlegt werden. Zudem unterstützen die Italiener Netzbetreiber und Versorger beim Aufbau von Übertragungs- und Verteilnetzen. Nachdem bereits im Mai Aufträge über ein Volumen von jeweils 500 Millionen Euro an Land gezogen wurden, bekamen die Italiener Ende Juni den Zuschlag für das weltgrößte Kabelprojekt mit einem Auftragswert von 800 Millionen Euro. Die Italiener entwerfen ein Erdkabelsystem mit einer Leistung von zwei Gigawatt, das unterirdisch 700 Kilometer lang von Schleswig-Holstein bis nach Bayern verläuft.

Zwar lag der Umsatz der Italiener in den ersten neun Monaten etwas mehr als zehn Prozent unter dem des Vorjahres, allerdings sollte der Konzern ein Profiteur der Energiewende sein. Der Bedarf an Kabeln, die über große Entfernung erneuerbare Energie übertragen, wird steigen. Analysten rechnen mit deutlichen Umsatz- und Gewinnsteigerungen. Die Bewertung ist noch günstig.

Niederländischer Netzspezialist


Einer unserer Jahrestipps, Alfen, kennt nur den Weg nach oben. Seit unserer Empfehlung bei 16 Euro Anfang des Jahres hat sich der Titel verfünffacht. Spezialisiert sind die Niederländer auf Smart Grids und Ladestationen für Elektroautos. Der größte Anteil des Umsatzes kommt aktuell noch von Smart Grids. Doch ergänzen sich die einzelnen Produkte gut: Verbunden über das Internet, kann die ans Stromnetz angeschlossene Infrastruktur in Echtzeit überwacht und gesteuert werden. Dazu gehören Umspannstationen, Energiespeichersysteme und Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Per Fernzugriff können Produkte verwaltet werden. Im Schnitt stieg der Umsatz in jedem der drei Quartale des laufenden Jahres um rund 45 Prozent.

Allerdings ist schon viel Fantasie in die Aktie eingepreist. Anleger ziehen den Stoppkurs nach. Die Branche ist angesagt, Bewertungen spielen momentan keine große Rolle. Alfen profitiert mit den Ladesäulen vom Boom bei Elektroautos und von der Förderung der dazugehörigen Infrastruktur.

Amerikanischer Gerätehersteller


Sepzialist für sogenannte Smart Meter ist Itron: Schon seit Jahrzehnten produziert der US-amerikanische Konzern intelligente Messgeräte. Diese ermitteln den Stromverbrauch und senden die Daten unter anderem an Stromanbieter und Netzbetreiber. Weltweit hat der Konzern mehr als 200 Millionen Geräte im Einsatz, davon über 14 Millionen in Europa.

Eingesetzt werden die schlauen Systeme in Haushalten, Windkraftwerken, Solarparks, aber auch bei Wasserkraftwerken. Itron musste ein Umsatzminus von rund 14 Prozent in den ersten neun Monaten des Jahres hinnehmen. Auch das operative Ergebnis rutschte ins Minus. Die Aussichten stimmen aber zuversichtlich. Seit September legte die Aktie deutlich zu. Das Hoch bei 81,50 Euro sollte bald übersprungen werden.