Die Coronapandemie mit ihren Ausgangsbeschränkungen hat dafür gesorgt, dass die Menschen in den vergangenen zwölf Monaten viel Zeit in den eigenen vier Wänden verbrachten. Um das häusliche Leben bequemer und die Arbeit im Homeoffice effizienter zu gestalten, stecken sie mehr Geld in Geräte und IT-Systeme, die den Alltag digital vernetzen. Es fehlen zwar noch Erhebungen für das Corona-Jahr 2020, doch eine vom Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom ) im September veröffentlichte Studie zur digitalen Haustechnik - auf Neudeutsch: Smart Home - gibt einen repräsentativen Einblick in deutsche Privathaushalte.
Demnach nutzten 37 Prozent aller Verbraucher 2019 Smart-Home-Anwendungen. Intelligente Lampen und Leuchten sind am meisten verbreitet. 18 Prozent aller smarten Haushalte besitzen eine per Internet steuerbare Alarmanlage, 15 Prozent digitale Heizkörperthermostate. Darüber hinaus steuern 52 Prozent der Nutzer ihr Zuhause per Sprachbefehl, darunter eine große Mehrheit von 85 Prozent mit stationären Sprachassistenten wie Amazon Echo, Apple HomePod oder Google Home.
Finanzexperten kommen zu unterschiedlichen Einschätzungen, welche Technologiebereiche aus Anlegersicht am aussichtsreichsten sind. Gerhard Wagner, Fondsmanager bei Swisscanto Invest, warnt vor zu viel Euphorie, dass der aktuelle Boom eine Sonderkonjunktur bescheren werde: "Natürlich investieren Personen, die infolge von Lockdowns mehr Zeit zu Hause verbringen und etwas angespart haben, jetzt mehr in ihr Eigenheim. Allerdings sehe ich bislang kaum belastbare Daten, aus denen hervorgeht, dass Anbieter von digitaler Technik davon in besonderer Weise profitieren." Stattdessen hat Wagner langfristige Trends im Kontext von Klimaschutz im Blick: "Um die CO2-Emissionen deutlich zu reduzieren, müssen Gebäude besser isoliert und energieeffizienter gemanagt sein."
Ivo Weinöhrl, Fondsmanager bei Pictet Asset Management, ist dagegen überzeugt, dass der Trend zum Homeoffice einen dauerhaften Digitalisierungsschub mit sich bringt: "Das Arbeiten von zu Hause wird auch in einer Zeit nach der Covid-19-Pandemie im Alltag vieler Wissensarbeiter ein fester Bestandteil bleiben." Davon werden Weinöhrl zufolge vor allem drei Technologiebereiche profitieren. So komme Netzwerkausrüstern und Anbietern von Datencentern zugute, dass die digitale Infrastruktur weiter ausgebaut werden muss, um genügend Bandbreite für Videokonferenzen und Datenvolumina zu gewährleisten. Unverzichtbar seien auch spezifische Anwendungen für Videokonferenzen, wie sie Zoom, Cisco Systems mit Webex oder Microsoft mit Teams anbieten. Gut im Geschäft bleiben für den Pictet-Experten auch Spezialisten, die die Konnektivität und Datensicherheit zwischen Homeoffice und Firmennetzwerk sicherstellen.
Bluechips mit Smart-Home-Geschäft
Die digitalen Helferlein für zu Hause bieten für Anleger eine Depotbeimischung. Die meisten Technologie- und Nachhaltigkeitsfonds investieren vor allem in Aktien großer Konzerne, bei denen Smart-Home-Anwendungen ein Teilbereich sind oder die bei Software und Internetanwendungen wie Videotelefonie führend sind.
Wer am Smart-Home-Faktor übersichtlich dosiert mitverdienen will, kauft Telekom- und Elektronikkonzerne, die in der digitalen Haustechnik mitmischen. Zum Beispiel die Deutsche Telekom. Deren Smart-Home-Set verbindet über eine gemeinsame Schnittstelle technische Komponenten und Geräte wie Wandthermostate, Bewegungsmelder und Türsensoren und ermöglicht, per Knopfdruck Heizung, Beleuchtung und Elektrogeräte fernzusteuern. Das operative Geschäft auf Konzernebene läuft rund. Beim um Sondereffekte bereinigten operativen Ergebnis schaffte die Deutsche Telekom 2020 ein Plus von 42 Prozent auf 35 Milliarden Euro. Im laufenden Jahr sollen es 37 Milliarden Euro werden. Zugleich sollen sich die Investitionen, etwa in den Aufbau des 5G-Netzes, auf 18,4 Milliarden Euro erhöhen. Für langfristig orientierte Anleger bietet die Aktie einen guten Mix aus stabilem Wachstum, günstiger Bewertung und hohen Dividendenausschüttungen.
Der Netzwerkpionier Cisco Systems mischt überall mit, wo es um Hardware geht, die unterschiedlichste intelligente Geräte miteinander verbindet. Im Softwarebereich liefert Cisco die Kinetic-Plattform und andere Systeme für die Datensteuerung im Internet der Dinge. Auch in der Cybersicherheit ist der Konzern mit Hardware und Software dabei. Indes ist das operative Geschäft den globalen konjunkturellen Schwankungen ausgesetzt. Nach einem Durchhänger im Vorjahr rechnet Cisco in diesem Jahr wieder mit anziehenden Erlösen. Das für die nächsten zwei Geschäftsjahre erwartete Gewinnwachstum im oberen einstelligen Bereich ist in der Aktienbewertung allerdings schon eingepreist.
Wesentlich mehr Kurspotenzial bietet der französische Konzern Schneider Electric, der in der Stromversorgung und Gebäudetechnik aktiv ist. Eines der am stärksten wachsenden Geschäftsfelder sind die Produkte für den Ausbau von digital verbundenen Stromnetzen (sogenannte Smart Grids). Dazu kommen Haustechnikprodukte, die Licht, Jalousien, Heizung und Energie im Wohnbereich mit einer einzigen App steuern können. Für 2021 peilt der Konzern ein Umsatzwachstum um fünf bis acht Prozent sowie einen Zuwachs des bereinigten operativen Gewinns (Ebitda) von neun bis 15 Prozent an. Wir erhöhen das Kursziel und ziehen den Stopp nach.
Drei Haustechniknischenanbieter
Somfy kommt ebenfalls aus Frankreich und hat sich auf Steuerungstechnik für Rollläden, Jalousien und Tore spezialisiert. Das Familienunternehmen hatte ein starkes Geschäftsjahr 2020, in dem der Konzerngewinn um fast 31 Prozent auf 213 Millionen Euro nach oben schoss. Wegen der unsicheren Lage hinsichtlich der Coronapandemie vermied das Management allerdings eine konkrete Prognose für 2021. Die Aktienbewertung ist mittlerweile stattlich. Anleger sollten die Aktie deshalb erst einmal beobachten.
Günstiger bewertet ist Haier Smart Home, ein chinesischer Hersteller von Haushaltsgeräten. Die selbst entwickelte Smart Home Experiential Cloud verbindet Haushalte, Benutzer und Unternehmen. Aktuell ist Haier das einzige Bluechip-Unternehmen aus China, das über sogenannte D-Shares in Frankfurt gelistet ist. Die D-Shares weisen eine Eigenart auf: Sie notieren - etwa bezogen auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis - mit einem deutlichen Abschlag zur Hauptnotiz in China. Mit dem Listing der H-Shares in Hongkong wird Haier Smart Home an einem weiteren Handelsplatz gehandelt. Das US-Unternehmen Alarm.com hat Cloud-basierte Lösungen für interaktive Sicherheit, Videoüberwachung, Automatisierung und Energiemanagement im Angebot. Einnahmen über Software-Abomodelle und monatliche Lizenzgebühren stehen für zwei Drittel des Gesamtumsatzes. Der Rest entfällt auf den Verkauf von Videokameras, Bildsensoren, Thermostaten und anderen Produkten rund um Gebäude und Privathaushalte. Alarm.com erzielte 2020 damit einen Umsatz von 618 Millionen US-Dollar, der Konzerngewinn legte um 45,6 Prozent auf 77,9 Millionen US-Dollar zu. Alarm.com sieht sich erst am Anfang seiner internationalen Expansion: Den global fragmentierten Markt für intelligente Sicherheitslösungen beziffert das Management für 2022 auf 21 Milliarden US-Dollar - bei jährlichen Wachstumsraten von 24 Prozent.
Auf einen Blick
Haustechnik
Globaler Trend Per Smartphone und Sprachassistent gesteuerte Haustechnik ist weltweit auf dem Vormarsch. Schätzungen von Statista gehen davon aus, dass sich die Zahl der smarten Privathaushalte von 2018 bis 2025 auf 482,8 Millionen verdreifachen wird.