von Franz-Georg Wenner






Chart 1: DAX Intradaychart auf Fünf-Minuten-Basis



Gier und Verstand, Hoffnungen und Ängste - welcher Anleger kämpft nicht mit den psychologischen Herausforderungen der Börse. Natürlich ist es äußerst schmerzhaft, wenn man den kräftigen Anstieg seit Jahresbeginn verpasst hat und auf eine Kurskorrektur hofft, die aber nicht erfolgt. Stattdessen laufen die Kurse langsam immer weiter aufwärts. Irgendwann ist ein Zeitpunkt erreicht, an dem auch Investoren einsteigen, die eigentlich zu wesentlich niedrigeren Kursen ihre Positionen eröffnen wollten. Je mehr Anleger in Performancerückstand geraten und in den Markt gezwungen werden, desto schneller steigt der DAX. Die Hausse nährt die Hausse und führt nicht selten zu Übertreibungen.

Genau in dieser Situation befinden sich derzeit viele Akteure. Dabei kommt der 11.000er-Marke eine übergeordnete Bedeutung zu. Aus rein charttechnischer Sicht hatte die Schwelle zunächst keine Relevanz, es handelt sich lediglich um eine runde Zahl. Erst aufgrund der schwierigen Verhandlungen mit Griechenland in den vergangenen Tagen bildete sich hier ein Widerstand aus. Kurse darüber wären eigentlich als Kaufsignal einzuordnen. Doch ganz so einfach ist die Sache leider nicht.

Neben den politischen Ereignissen darf auch der kleine Verfallstag am vergangenen Freitag nicht ganz außer Acht gelassen werden. Um kurz nach 13 Uhr und somit zum Abrechnungszeitpunkt schoss der DAX auf die neue Bestmarke von 11.081, danach ging es wieder abwärts. Auch das mit sechs Mrd. Euro auf Xetra weit überdurchschnittliche Handelsvolumen hat keine Relevanz, denn am Verfallstag ziehen die Umsätze immer an. Zumindest eine Vorentscheidung ist allerdings im nachbörslichen Handel gefallen. Der erste Chart zeigt den DAX sowie in rot eingezeichnet den X-DAX. In der Spitze notierte das Barometer im späten Geschäft bereits bei 11.162, vorbörslich zeichnet sich eine Eröffnung bei 11.120 ab. Sollte der DAX auf dem erhöhten Niveau auch in den regulären Handel starten und der Markt im Tagesverlauf nicht mehr unter die 11.000er-Marke zurückfallen, wäre dies eindeutig positiv. Im Idealfall steigen die Kurse weiter an, begleitet von hohen Umsätzen.

Die hier zuletzt erwähnten positiven Signale scheinen sich somit durchzusetzen. Seit dem 10. Februar bildete sich eine Serie von steigenden Tagestiefpunkten, zudem beendete der DAX die vergangenen vier Handelstage mit jeweils höheren Schlusskursen. Während mit den Methoden der klassischen Charttechnik nun kaum noch seriöse Kursziele identifiziert werden können, spielt das Konzept der Differenzmethode zu Gleitenden Durchschnitten nun seine Vorteile aus. Mit einem Abstand zur 21-Tage-Linie von zwei Prozent liegt der Index in einem Wohlfühlbereich, von dem aus weitere Kursgewinne möglich sind. Erst ab einer Differenz von mehr als 3,6 Prozent nimmt die Gefahr wieder zu, dies entspräche einem Kursniveau von rund 11.230. Kurzzeitig waren in den vergangenen drei Jahren auch Werte von 5,5 Prozent messbar. Damit sind Kurse von 11.400 durchaus noch in Reichweite, spätestens hier wird die Luft dann aber sehr dünn. Ähnlich starke Übertreibungen wie Ende Januar mit acht Prozent (11.716) sind hingegen wegen der langfristig überhitzten Lage unwahrscheinlich.

Nach wie vor darf vor allem das Risiko nicht unterschätzt werden. Der DAX notiert mit 13,4 Prozent ungewöhnlich weit oberhalb seiner 200-Tage-Linie. Seit 2010 waren ähnliche Niveaus sechs Mal messbar. Im besten Fall kam es im Anschluss zu einer Seitwärtsbewegung, nicht selten folgte ein Rücksetzer bis an den langfristigen Durchschnitt, der aktuell bei 9750 verläuft. Anzeichen für einen solch kräftigen Absturz sind derzeit nicht zu erkennen, zumal vorgelagert einige Haltemarken existieren. Neben der Region um 10.800 sind die Zonen bei 10.550 / 10.600 sowie 10.300 und 9950 / 10.100 zu nennen.

Auf Seite 2: Chart 2 - Tageschart mit Abstand zur 21-Tage-Linie in %



Chart 2 - Tageschart mit Abstand zur 21-Tage-Linie in %



Nach der kleinen Konsolidierung in den vergangenen zwei Wochen hat sich die überkaufte Lage von Ende Januar / Anfang Februar deutlich abgebaut. Dennoch kann nicht grundsätzlich Entwarnung gegeben werden. Es gibt zwar keine Wiederholungsgarantie, doch folgt auf eine Übertreibung in eine Richtung häufig auch ein stärkerer Ausschlag zur Gegenseite - das ist mehr oder weniger ein Gesetz der Marktphysik und lässt sich auch mit gesundem Menschenverstand nachvollziehen. Anleger mit längerem Zeithorizont sollten entsprechend vorsichtig agieren und nicht zwangsläufig jetzt frisches Kapital investieren. Es ist aus dem oben geschilderten Blickwinkel wahrscheinlich, dass wir auf absehbare Zeit noch einmal tiefere Indexstände zu sehen bekommen.

Auf Seite 3: Chart 3 - Wochenchart mit Abstand zur 200-Tage-Linie



Chart 3 - Wochenchart mit Abstand zur 200-Tage-Linie



Wie weit kann es langfristig nach den neuen Allzeithochs nun noch gehen? Die Statistik hilft, diese Frage zu beantworten: Unter dem Kursverlauf des DAX haben wir im Wochenchart den Abstand der Kurse zur 200-Tage-Linie (entspricht etwa dem 40-Wochen-Durchschnitt) abgebildet. Mit dieser Methode lassen sich Kursziele auf der Oberseite bei maximal rund 11.090 bis 11.670 Zählern errechnen - diese Werte entsprechen den in der Vergangenheit im Idealfall gemessenen 14 bis 20 Prozent Abstand des Index zu seinem langfristigen Durchschnittspreis.

Zu Beginn des Jahrtausends waren es auch mal 33 Prozent und mehr - doch das sollten sich Anleger lieber nicht wünschen, auch wenn der DAX dadurch noch rechnerisches Potenzial bis jenseits der 12.940er-Marke hätte. Denn anschließend startete damals der dreijährige Abwärtstrend, im Zuge dessen sich der Indexstand fast viertelte.

Auf Seite 4: Chart 4 - Kerzenchart auf Tagesbasis



Chart 4 - Kerzenchart auf Tagesbasis



Auf Seite 5: Tabelle Unterstützungen und Widerstände



Tabelle Unterstützungen und Widerstände



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Trading-Ideen

























































Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar".

www.index-radar.de