Deutsche Banken sind mittlerweile sehr engagiert, was Kooperationen mit FinTech-Unternehmen angeht. Bekannt werden jedoch nur vergleichsweise wenige FinTech-Beteiligungen deutscher Institute. Die Sparkassenorganisation hat über die DSV-Gruppe gerade Payone gekauft und sieht das als strategisches Investment. Mit Payone verfolgt die Sparkassenorganisation klare Produktinteressen und erweitert das Angebot für Zahlungsdienstleistungen für ihre Geschäftskunden, die Onlineshops betreiben.
Vor einigen Wochen hat ein Unternehmen der Commerzbank-Gruppe sich mit einem für deutsche Verhältnisse großen Betrag an einem aufstrebenden Start-up aus dem Finanzbereich beteiligt. Zusammen mit drei weiteren Partnern investiert Commerz-Ventures 39 Millionen Dollar in die israelische Social-Investment-Plattform eToro, die manche ebenfalls zu den FinTech-Unternehmen rechnen. Die Commerzbank will mit diesem Investment nach eigenen Angaben den Zugang zu Innovationen und Trends im Finanzsektor weiter verbessern.
eToro ist ein interessantes Unternehmen, weil es eine Synthese aus alter und neuer Finanzwelt versucht. Im Kern ist eToro ein Handelshaus für sogenannte CFDs. CFD steht für "Contract for Difference". Die BaFin definiert das etwas trocken als zweiseitigen Vertrag, "in dem sich die eine Seite (der Käufer des CFD) der anderen (dem Verkäufer des CFD) verpflichtet, ihm eine eventuelle Differenz des Marktpreises eines Basiswertes zu einem späteren Zeitpunkt zum Marktpreis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu zahlen." Im Kern sind CFDs "Cash Settled Total Return Equity Swaps", also schuldrechtliche Verträge, mit denen Vertragspartner Preisdifferenzen von zugrunde gelegten Finanzinstrumenten ausgleichen. Ich rechne diese Produkte zur klassischen Finanzwelt. Es werden hier nicht die eigentlichen Wertpapiere, also Aktien, Anleihen oder Devisen gehandelt, sondern die Vertragsparteien zahlen sich gegenseitig nur die wirtschaftlichen Differenzen aus den Preisveränderungen der zu Grunde liegenden Aktien, Devisenoder Rohstoffpreisen.
Das Geschäft ist nicht ohne Risiko, denn Anleger benötigen theoretisch und praktisch nur einen Bruchteil des eigentlich gehandelten Volumens als Geldeinsatz. Treten die Erwartungen einer bestimmten Preisentwicklung bei Differenzkontrakten nicht eine, können Anleger mehr Kapital verlieren, als sie eingesetzt haben (siehe dazu finanzen.net: Wie Trader der Pleite entgehen). Diese Instrumente sind also nur etwas für Spezialisten oder Anleger, die sich gegen Wertschwankungen absichern wollen (Hedging).
eToro hat eine europäische Lizenz für Finanzdienstleistungen und gehört zu der neuen Gruppe von Unternehmen, auf denen sich Kunden quasi selbst beraten. Social Trading heißt dieser Trend. Dessen Kernelement besteht darin, dass "erfolgreiche" Anleger ihre Anlagestrategien offenlegen und andere diese Informationen nutzen und konkrete Handlungsempfehlungen nachbilden können. Der Erfolg der Empfehlungen wird direkt anhand der Marktentwicklung gemessen und veröffentlicht.
Ich lasse hier einmal offen, ob die ausgewiesene Performance einiger Anleger tatsächlich auf überlegenes Wissen zurückzuführen, allein dem höheren Risiko zu verdanken oder schlicht Zufall ist. eToro gilt mit seinen über vier Millionen registrierten Nutzern jedenfalls als weltweit größtes Social-Trading-Portal. Nutzer können hier nicht nur einzelne Trades anderer Anleger direkt nachbilden, sondern die gesamte Strategie direkt kopieren. Fokus von eToro ist aber eher nicht die langfristige Geldanlage, sondern der kurzfristige und spekulative Handel. Kritisiert wird die unübersichtliche Kostenstruktur.
So ganz klar ist nicht, was die Commerzbank-Gruppe mit eToro anfangen will, wenn es mehr als eine reine Finanzbeteiligung sein soll. Vielleicht stellt sich die Bank hier für die Zukunft der Anlageberatung auf. Die Beratung insbesondere von Kunden mit kleineren Vermögen ist nicht zuletzt aufgrund der strengen Finanzmarktregulierung immer unattraktiver für Banken geworden. Eingeschränkte Anlageprodukte, Beratungsprotokolle und Dokumentationspflichten nerven die Kunden und verteuern das Geschäft. Die individuelle Anlageberatung rechnet sich für viele Banken nicht mehr. Beratung erfolgt beim Social Trading weder durch Banken noch durch die Plattformen, sondern durch die anderen Nutzer. Das können interessierte Laien, Amateure aber auch Beratungsprofis und Vermögensverwalter sein. Das spart bisher jede Menge regulatorischen Ärger. Die Finanzaufsicht hat das Social Advisory bisher noch nicht als Regulierungsspielfeld entdeckt.
Nach meiner Einschätzung wird die spätesten bis 2017 umzusetzende europäische Finanzmarktrichtlinie MiFID II die qualifizierte Vermögensberatung für mittlere und kleine Vermögen noch unattraktiver machen. Banken suchen hier also dringend nach Alternativen, um weiter provisionsträchtige Geschäfte abzuschließen, gleichzeitig aber die Kosten und Risiken der Beratung loszuwerden. Eine Antwort könnte das Social Trading sein, denn wenn Kunden den Empfehlungen eines Nutzers folgen, ist das regulatorisch keine Anlageberatung. Über Social Trading-Angebote können Banken also auf teure Berater verzichten und meiden die Risiken aus Falschberatung sowie die umfangreichen Dokumentationspflichten.
Social Trading macht also als Beratungsersatz für Banken durchaus Sinn. Ob aber ausgerechnet mit hoch riskanten CFDs für wenig informierte Kunden die optimale Lösung liegt, bezweifele ich. Ein großer Nachteil liegt hier in den umfangreichen Handelsaktivitäten einiger Nutzer. Dafür fallen hohe Transaktionskosten an, die schnell positive Ergebnisse wieder auffressen. Und auf die Frage ob ein Trader, der bis heute eine erfolgreiche Performance hingelegt hat, diese auch morgen und im nächsten Jahr wird wiederholen können, brauche ich wohl hier nicht einzugehen.
Dirk Elsner arbeitet als Unternehmensberater für die Innovecs GmbH.