Zur Bewältigung der Energiekrise in Europa kaufen viele Länder flüssiges Erdgas um fast jeden Preis. Bei Produzenten wie Cheniere Energy klingeln die Kassen und Anleger profitieren von steigenden Aktienkursen. Von Sven Heckle
Angesichts steigender Energiepreise und der Sorgen um einen bevorstehenden Gasmangel in den Wintermonaten, setzen Deutschland und auch viele andere Länder künftig verstärkt auf den Import von Flüssiggas, kurz LNG. Das bringt entscheidende Vorteile mit sich. Denn während Erdgas an Land problemlos durch Pipelines transportiert werden kann, ist eine solche Weiterleitung aus Nordamerika in Richtung Europa aufgrund der großen Distanz und der Tiefe des Atlantiks wirtschaftlich nicht darstellbar. Durch eine Verflüssigung lässt sich das Volumen von Erdgas jedoch auf ein Sechshundertstel reduzieren, wofür das Gas auf eine Temperatur von minus 162 Grad heruntergekühlt werden muss. Das LNG kann anschließend in isolierte Tanks gefüllt und unter anderem per Schiff auf die Reise geschickt werden.
Für die Regasifizierung, also die Rückwandlung von LNG in herkömmliches Erdgas, sind spezielle Anlagen notwendig, von denen in Deutschland die ersten beiden bis zum Jahresende ihren Betrieb aufnehmen sollen. Der Ukraine-Krieg hat den sich seit Jahren abzeichnenden Nachfragetrend nach flüssigem Erdgas noch einmal verstärkt. Lag der weltweite Bedarf zu Beginn des Jahrtausends noch bei etwa 100 Millionen Tonnen pro Jahr, hat sich die Nachfrage bis zum Jahr 2017 bereits verdreifacht und dürfte sich in den kommenden Jahren auf 700 Millionen Tonnen noch einmal mehr als verdoppeln.
Von den USA in die Welt
Die großen Produzenten in den USA re ben sich aufgrund der hohen Nachfrage die Hände. Vor allem Cheniere Energy wird hier eine Schlüsselrolle in der LNG-Versorgung Europas zuteil. Das Unternehmen mit Hauptsitz im texanischen Houston ist der größte LNG-Exporteur der USA und der zweitgrößte weltweit. 1996 zunächst als Öl- und Gasförderer gegründet, hat die Gesellschaft schon kurze Zeit später auf das LNG-Geschäft umgesattelt. Dabei kauft Cheniere Energy das meist per Fracking gewonnene Erdgas heimischer Produzenten und verflüssigt es in seinen beiden Produktionsanlagen Sabine Pass, an der Grenze zwischen Texas und Louisiana, und Corpus Christi, die über eine Gesamtkapazität von 45 Millionen Tonnen pro Jahr verfügen. Das entspricht in etwa der Kapazität aller übrigen Verflüssigungsanlagen in den USA zusammengenommen.
Die nächste Ausbaustufe soll die Kapazität bei Corpus Christi ab 2026 um weitere zehn Millionen Tonnen erhöhen. Bilanziell verschaffen die hohen Gaspreise dem Unternehmen neue Spielräume. Neben der Abtragung der bestehenden Schulden dürften ausreichend Mittel zur Verfügung stehen, um das milliardenschwere Aktienrückkaufprogramm voranzutreiben und die Dividende um jährlich etwa zehn Prozent zu steigern. Auf Sicht von einem Jahr konnte sich die Aktie bereits nahezu verdoppeln. Das für Cheniere positive Marktumfeld sollte dazu führen, dass sich die Rekordjagd an der Börse fortsetzen kann.