Volkswirte haben am Freitag auf die Pläne mit einiger Ernüchterung reagiert. Hier die Stimmen im Überblick:
Carsten Brzeski, Chefökonom der Bank Ing Diba:
"Ist das nun ein Durchbruch? Nun ja, es ist insofern ein Durchbruch, als dass der Weg endlich frei für eine Regierungsbildung ist. Für die Wirtschaft sind die Ergebnisse allerdings kein Durchbruch. (?) Zwar haben die Parteien sich dagegen entschieden, offensichtliche Wahlgeschenke wie die Absenkung des Renteneintrittsalters zu machen. Dennoch handelt es sich bei den wirtschaftspolitischen Forderungen um eine Fortsetzung der altbekannten Maßnahmen aus den letzten Jahren: Vorsichtige Schritte statt Experimente. Strukturelle Reformen, die das Wachstum ankurbeln könnten, sind jedoch schwer zu finden."
Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank:
"Die Einigung driftet noch weiter von den wachstumsfördernden Maßnahmen ab, die in Merkels vorheriger Amtszeit deutlich sichtbar waren. Die Änderung bei der Finanzierung der Krankenversicherung konterkariert beispielsweise ein Element jener Reformen, die früher dazu geführt hatten, dass Deutschland nicht mehr der 'kranke Mann Europas', sondern das wirtschaftliche Machtzentrum des Kontinents wurde. Auf den ersten Blick sind die Zugeständnisse von Merkel an die SPD - verglichen mit ihren Zusagen vor vier Jahren - keine sonderlich negative Überraschung. Deutschland wird fundamental weiter stark bleiben - aber dabei beim Wachstum im Vergleich zu den anderen wichtigen EU-Ländern schrittweise von der Spitze in die obere Mitte abrutschen. Deutschlands goldene Dekade wird in den 2020er Jahren enden."
Greg Fuzesi, Volkswirt bei JPMorgan:
"Die EU nimmt einen hohen Stellenwert in dem Sondierungspapier ein. Es ist bemerkenswert, dass 'Europa' im ersten Abschnitt thematisiert wird, während es im Arbeitspapier der gescheiterten Jamaika-Verhandlungen erst in Teil 13 aufgetaucht war. (?) Deutschland wird dafür noch mehr Geld in die Hand nehmen. (?) Die Ansätze deuten auf ein umfangreicheres Fiskalbudget hin."
Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank:
"Problematisch ist, dass eine schwarz-rote Koalition dem französischen Präsidenten Macron entgegenkommen und der Währungsunion einen eigenen Haushalt spendieren will. Damit bewegt sich der Euroraum weiter in Richtung einer Transferunion. Die hochverschuldeten Länder im Süden der Währungsunion haben dann noch weniger Anreize, ihre Hausarbeiten zu machen. Langfristig schwächt das die Währungsunion. Viele Anleger in den USA oder Asien erkennen das nicht, weshalb der Euro heute zulegt."/kro/jsl/he