Wird jetzt alles besser? Spanien hat seit Juni einen neuen Regierungschef. Und jetzt hofft das ganze Land auf einen Neuanfang nach einer Epoche des Stillstands und innerer Zerreißproben. Der neue Ministerpräsident, der Sozialist Pedro Sánchez, hat vor König Felipe VI. den Eid auf die Verfassung geschworen und verspricht eine "europafreundliche und auf Ausgleich bedachte" Regierung.

Und genau zur rechten Zeit sehen die neuesten Wirtschaftsdaten richtig gut aus - auch wenn dies natürlich noch nicht Sánchez’ Verdienst ist. Spanien scheint aber die Krise hinter sich lassen zu können: Die Konjunktur der viertgrößten Volkswirtschaft der Eurozone legt deutlich stärker zu als der EU-Durchschnitt. Die EU-Kommission erwartet für 2018 einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von 2,8 bis 2,9 Prozent. Parallel dazu ist die Arbeitslosigkeit auf das niedrigste Niveau seit Juni 2008 gefallen. Die Zahl der Arbeitssuchenden sank auf 3,2 Millionen - fast zwei Millionen weniger als noch vor fünf Jahren, als Spanien unter den Nachwehen der Staatsschuldenkrise und dem Platzen einer Immobilienblase litt.

Wankelmütige Parlamentarier



Das sind eigentlich perfekte Startbedingungen für den Mann, der den langjährigen konservativen Regierungschef Mariano Rajoy abgelöst hat. Und trotzdem ist längst nicht alles in Ordnung: Der Budgetplan der sozialistischen Minderheitsregierung, der eine sanftere Reduzierung des Haushaltsdefizits vorsieht, ist gerade im Parlament gescheitert. Nur 88 Abgeordnete in der 350 Mitglieder zählenden Volksvertretung stimmten für den Entwurf. Mehrere Parteien, die Sanchez bisher unterstützten, verweigerten ihre Gefolgschaft. Das muss der neue Premier jetzt schnell in den Griff bekommen, um seine Reformen starten zu können.

Auch der Börse täte etwas Konstanz gut. In den zurückliegenden Jahren hat der Leitindex Ibex 35 praktisch nichts dazugewonnen. Vor allem die EU-Staatsschuldenkrise war neben der Immobilienblase das Hauptproblem. Später kamen die Unabhängigkeitsbestrebungen der Katalanen dazu sowie die Korruptionsvorwürfe und das Misstrauensvotum gegen den Ex-Premier Rajoy. Da vergeht so manchem Anleger gehörig die Lust aufs Investieren.

Auf Seite 2: Optimistische Börsianer





Optimistische Börsianer



Rajoys Nachfolger Sánchez kommt auch an der Börse ganz gut an - der Kursverfall ist erst einmal gestoppt. Immerhin. Mit ein Grund ist sein ambitioniertes Programm, das zumindest das Potenzial hat, die zersplitterte Parteienlandschaft zu kitten. Gelingt es ihm zudem, sich des Themas Korruption zu entledigen, mit Katalonien eine Einigung zu finden und Reformen und Innovationen voranzutreiben, dann hat er das Zeug zu einem "spanischen Emmanuel Macron" - zumindest wird er in Teilen der Medien schon als ein solcher gesehen.

Dann dürfte es auch an der Börse weiter vorangehen. Auch weil man sich - anders als etwa Italien - aus der Riege der Krisenländer wohl verabschiedet hat. So sind etwa die Anleiherenditen (ein guter Indikator für das Vertrauen in eine Volkswirtschaft) in Spanien längst wieder auf ein "normales Maß gefallen. Am Aktienmarkt wiederum finden sich ungeachtet der im Schnitt langjährigen schwachen Entwicklung einige Unternehmen, die richtig gut laufen.

Zu den Favoriten von BÖRSE ONLINE gehört etwa Amadeus IT.



Das Software-Unternehmen ist marktführend im Bereich Flugreservierungssysteme sowie IT-Lösungen für Airlines und die gesamte Touristikindustrie. Das Unternehmen profitiert direkt von der steigenden Zahl von Urlaubs- und Geschäftsreisen. Die Mittelzuflüsse werden für den Aufbau neuer Geschäftsfelder verwendet, etwa für Cloud-basierte Buchungssysteme an Flughäfen oder Reisedatendienste für Fremdenverkehrsämter. Inzwischen gilt die Aktie sogar als Aufstiegskandidat für den Euro Stoxx 50.

Auch Siemens Gamesa, die Windenergietochter des DAX-Konzerns, ist spannend. Die Auftragsbücher sind gefüllt, unter anderem mit zwei Offshore-Windparks in Taiwan - inklusive 15-jährigem Vertrag für Wartungs- und Serviceleistungen.

Und zuletzt ist auch die gerade erst in Heft 31 empfohlene Repsol einen Kauf wert. Der Mix aus einstelligem Kurs-Gewinn-Verhältnis und einer Dividendenrendite von mehr als fünf Prozent spricht dafür, dass die Aktie den Ausbruch aus einem kurzfristigen Abwärtstrend schafft.

Wer Einzelinvestments scheut, ist mit einem ETF auf Spaniens Bluechips gut bedient. Klappt das nämlich mit dem "spanischen Macron", dann steht der Madrider Börse insgesamt eine schöne Renaissance bevor.



Auf Seite 3: Auf einen Blick: Spanien





Auf einen Blick: Spanien