Spanien wählt - schon wieder. Am 28. April findet der dritte Urnengang in weniger als vier Jahren statt. Die vorzeitige Stimmabgabe war notwendig geworden, weil die sozialistische Minderheitsregierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez für ihren Haushaltsentwurf 2019 nicht die notwendigen Stimmen zusammenbekam. In der 350 Sitze umfassenden Cortes Generales verfügt die PSOE nur über 84 Sitze. Um weiterhin regieren zu können, hätte sie die Unterstützung regionaler Parteien benötigt. Zuletzt aber stellten sich die beiden katalanischen Parteien quer. Sánchez hatte mit großzügigen finanziellen Angeboten versucht, die Differenzen zwischen Madrid und der nördlichen Provinz zu lösen. Die katalanischen Abgeordneten wollten jedoch über Unabhängigkeit verhandeln. Die aber verbietet die spanische Verfassung.
Strukturelle Probleme
Investoren erhoffen sich vom Ausgang der Wahl ein Ende des politischen Stillstands. Zwar legte der Leitindex IBEX 35 seit Jahresanfang um zehn Prozent zu, doch eine erneute Hängepartie im Parlament dürfte die Stimmung erheblich dämpfen. Klare Mehrheitsverhältnisse über einen längeren Zeitraum hinweg sind aus Sicht der Börsianer dringend notwendig. Nur dann kann eine Regierung die Reformen auf den Weg bringen, die zur Stabilisierung des Aufschwungs und zur Erhöhung der Widerstandskraft gegen neue globale Turbulenzen notwendig sind.
Die Finanzkrise vor zehn Jahren traf die viertgrößte Volkswirtschaft der EU gerade wegen ihrer strukturellen Schwächen schwer. Spaniens Konjunktur hing seinerzeit stark von der Bauwirtschaft und dem Immobilienmarkt ab. Der Niedergang beider Sektoren sowie Hausbesitzer, die ihre Kredite nicht mehr bedienen konnten, brachten auch die Banken in arge Schieflage. Die aber sind im Leitindex hoch gewichtet. Im Jahr 2009 sank die wirtschaftliche Gesamtleistung um 3,8 Prozent, die Arbeitslosigkeit kletterte im Lauf der Krise auf 27 Prozent. Vom Jahr 2008 bis 2012 verlor der IBEX über 40 Prozent.
Dank der Finanzhilfen seitens der EU, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds sowie durch die Erfüllung der daran geknüpften Auflagen durch Sánchez-Vorgänger Mariano Rajoy von der Partido Popular ist Spanien auf den Wachstumspfad zurückgekehrt. 2018 legte das Bruttoinlandsprodukt um 2,6 Prozent zu, für 2019 wird ein Plus von 2,2 Prozent erwartet. Das liegt über dem, was anderen EU-Staaten zugetraut wird. Auch die Finanzbranche hat sich erholt. Spaniens Wirtschaft ist allerdings weiterhin verwundbar. Mit 14 Prozent weist das Land immer noch die zweithöchste Arbeitslosenrate in der EU aus. Zudem liegt die Staatsverschuldung bei 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Börsenrisiko Katalonien-Konflikt
Bislang wissen Investoren noch nicht, wie es politisch in Spanien nach den Wahlen weitergeht. In Umfragen kommt die PSOE auf 27 Prozent. Doch um Gesetze durchbringen zu können, müsste sie mit der linkspopulistischen Podemos-Partei koalieren oder sich von ihr und weiteren Regionalparteien tolerieren lassen. Diese Konstellation favorisieren die Anleger nicht. Sánchez, der bereits den Mindestlohn per Dekret um 22 Prozent erhöhte, will die Unternehmens-, die Einkommen- und die Vermögensteuer anheben, um soziale Maßnahmen finanzieren zu können.
Mehr Chancen auf marktfreundliche Politik unterstellen Investoren einem aus der konservativen Partido Popular und der liberalen Ciudadanos gebildeten Regierungsbündnis. Beide Parteien wollen die Körperschaftsteuer senken, um die globale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu fördern. Um handlungsfähig zu sein, müssten die beiden Parteien allerdings auch die rechte Vox-Partei ins Boot holen. Die aber erwägt, den Katalanen den bislang eingeräumten Autonomiestatus abzuerkennen. Ein erneutes heftiges Aufflammen des Konflikts ist auch nicht das, was sich Investoren wünschen.
Investor-Info
IBEX-IndexZertifikat
Aufschwung unter Vorbehalt
Das von der Deutschen Bank ausgegebene Indexzertifikat ISIN DE000DB0QAE1 bildet die Wertentwicklung des aus 35 Unternehmen bestehenden spanischen Leitindex ab. Dazu zählen die Banco Santander, das Textilunternehmen Inditex und das Bauunternehmen Ferrovial. Bislang hat sich das Papier gut entwickelt. In Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs sind weitere Kursgewinne drin. Bei einem Sieg von PSOE und Podemos bei den Wahlen sollten Anleger jedoch vorsichtshalber aussteigen.