Die Grünen und die FDP - die beide zulegten - finden sich nun in der Rolle als Königsmacher wieder: Beide zusammen können sowohl unter der Führung der SPD als auch der CDU/CSU eine Koalition schmieden. Die AfD verliert an Zustimmung, bleibt aber zweistellig. Die Linkspartei kommt hingegen nur noch auf etwa fünf Prozent.
Die SPD steigt der ARD-Hochrechnung zufolge mit 25,7 Prozent zur neuen Nummer eins auf, während das ZDF sogar 26,0 Prozent ermittelte (2017: 20,5). CDU/CSU können demnach nur noch mit 24,5 Prozent rechnen (2017: 32,9 Prozent). Scholz bekräftigte seinen Anspruch auf die Nachfolge der 16 Jahren amtierenden Angela Merkel (CDU), die sich nicht wieder zur Wahl gestellt hatte. Die Wähler hätten die SPD klar gestärkt. "Sie haben entschieden, dass die Sozialdemokratische Partei bei allen Balken nach oben geht - und das ist ein großer Erfolg", sagte der amtierende Bundesfinanzminister. Die Wähler hätten die SPD wegen ihrer Themen gewählt, wollten Gerechtigkeit und Klimaschutz. "Und auch weil sie wollen, dass der nächste Kanzler dieser Republik Olaf Scholz heißt."
LASCHET WILL "ZUKUNFTSKOALITION"
Aber auch die Union hat die Hoffnung auf eine Regierungsbildung mit ihr an der Spitze trotz der herben Schlappe nicht aufgegeben. "Wir werden alles daran setzen, eine Bundesregierung unter Führung der Union zu bilden", sagte Laschet und wählte das Wort "Zukunftskoalition". Damit deutete er ein Jamaika-Bündnis mit FDP und Grünen an. Das Wahlergebnis stelle aber eine große Herausforderung dar. "Nicht immer war die Partei auf eins auch die, die den Kanzler stellte", sagte er. CSU-Chef Markus Söder unterstützte Laschet bei dem Versuch, eine Jamaika-Koalition zu bilden. "Meiner Meinung nach ist das eher eine Zusage für ein bürgerliches Bündnis", sagte er mit Blick auf das Wahlergebnis.
Deutliche Zugewinne verzeichneten die Grünen, die mit Annalena Baerbock erstmals eine eigene Kanzlerkandidatin aufgestellt hatten und ihr bislang bestes Ergebnis einfuhren: Sie kommen auf rund 14 Prozent (2017: 8,9) Prozent. Baerbock räumte allerdings ein, dass die Partei ihr Wahlziel verfehlt hat. Man habe als führende Kraft das Land gestalten wollen. "Wir wollten mehr. Das haben wir nicht erreicht, auch aufgrund eigener Fehler zu Beginn des Wahlkampfs in der Kampagne - eigener Fehler von mir."
Die FDP vereinigte fast zwölf Prozent (2017: 10,7) Prozent auf sich. Parteichef Christian Lindner kündigte an, mit allen demokratischen Parteien verhandeln zu wollen. Bei einer Jamaika-Koalition mit Union und den Grünen gebe es allerdings die "größte inhaltlichen Übereinstimmungen". Auf die Frage, ob er die Koalitionsverhandlungen wie vor vier Jahren nochmals platzen lassen würde, antwortete er im ZDF, dass der Satz von damals ("Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.") noch immer gelte. Aber: "Wenn Gutes bewirkt werden kann, darf man die Regierung des Landes nicht anderen überlassen."
Die AfD kann mit mehr als zehn Prozent (2017: 12,6) Prozent rechnen. Co-Parteichef Tino Chrupalla sprach von einem soliden Ergebnis. "Sicherlich schmerzen auch die Verluste", sagte er. Das müsse man in Ruhe analysieren. Knapp wieder in den Bundestag einziehen könnte die Linke, die mit 5,0 (9,2) Prozent rechnen kann. "Das ist in jeder Hinsicht beschissen, das ist ein katastrophales Ergebnis", sagte Linken-Fraktionsgeschäftsführer Jan Korte. Nun müsse man darüber nachdenken, was falsch gelaufen sei und sich die Frage stellen: "Was haben wir eigentlich versemmelt in den letzten Jahren?"
Sollten sich die ersten Hochrechnungen bestätigen, zeichnet sich eine schwierige Regierungsbildung ab, da gleich mehrere Koalitionen möglich wären. Denkbar wäre etwa eine Fortsetzung der großen Koalition von Union und SPD - diesmal wohl unter Führung der Sozialdemokraten mit einem Kanzler Scholz. Für SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil kommt das aber nicht infrage: "Die CDU ist abgewählt".
Aufgerufen zur Abstimmung waren 60,4 Millionen Deutsche. Die Wahlbeteiligung lag ersten Angaben zufolge bei 77,0 Prozent und damit etwas höher als 2017 mit 76,2 Prozent.
ENGES RENNEN IN BERLIN
Bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus liefern sich Grüne und SPD ein enges Rennen. Während die Grünen in ersten Hochrechnungen der ARD knapp vor der SPD landeten, führten die Sozialdemokraten in der Hochrechnung des ZDF leicht. Noch liege kein Ergebnis vor, betonte die Spitzenkandidatin der Grünen in Berlin, Bettina Jarasch. Es werde ein Kopf-an-Kopf-Rennen werden. Ihre SPD-Kontrahentin Franziska Giffey sagte, man sei an einem Punkt, an dem es immer noch spannend sei, was alles herauskommen könne. Der amtierende Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), der sich auf eine Koalition mit der Linken und den Grünen stützte, trat nicht zur Wiederwahl an.
In Mecklenburg-Vorpommern kann Ministerpräsidentin Manuela Schwesig weiter regieren. Bei der Landtagswahl wurde ihre SPD Hochrechnungen zufolge mit mehr als 38 Prozent erneut stärkste Kraft und konnte im Vergleich zur Wahl vor fünf Jahren sogar noch knapp acht Punkte hinzugewinnen. Die mitregierende CDU verlor knapp fünf Punkte und fuhr mit gut 14 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis in dem Bundesland ein. Dennoch würde es den vorläufigen Zahlen zufolge zu einer Fortsetzung der Koalition von SPD und CDU in Mecklenburg-Vorpommern reichen. Auch ein Bündnis mit der Linken wäre möglich.
rtr