Der Start war enttäuschend: Am ersten Handelstag rutschte die Aktienkurs von Siemens Energy unter 20 Euro und auch unter Buchwert. Der Mutterkonzern Siemens hat die Anteilscheine Ende September gratis unter seinen Aktionären verteilt. Viele Investoren machten sofort Kasse - und damit womöglich einen Fehler!

Aktien sogenannter Spin-off s entwickeln sich auf längere Sicht oft überdurchschnittlich gut. Der von Standard & Poor’s errechnete Index amerikanischer Spin-offs hat sich seit Start im Januar 2003 im Jahresdurchschnitt um einen Prozentpunkt besser entwickelt als der breite US-Aktienmarkt.

In der Geschichte des DAX ist Siemens Energy der vierte Spin-off: Bayer gliederte im Januar 2005 seine Spezialchemie unter dem Namen Lanxess aus, Siemens im Juli 2013 mit Osram die Lichttechnik, Eon im September 2016 als Uniper die konventionelle Energieerzeugung.

Alle drei Kreationen waren aus Sicht der Börse sehr erfolgreich: In den ersten zwölf Monaten der Selbstständigkeit haben die Aktien der DAX-Spin-offs nach Berechnung von €uro am Sonntag im Durchschnitt um 81 Prozent zugelegt. Die Mutterkonzerne schafften im selben Zeitraum nur 36 Prozent, der DAX 25 Prozent. Auf längere Sicht haben die Spin-offs ihren Vorsprung weiter vergrößern können.

Auf europäischer Ebene ist vor allem die Abspaltung der Luxussparte Ferrari aus dem Autokonzern Fiat ein großer Erfolg. Die Ferrari-Aktie hat seit Start im Januar 2016 rund 270 Prozent aufgedreht. Es gibt allerdings auch negative Fälle. Wie den Handelskonzern Metro, der sich 2017 in Metro und Ceconomy aufgespalten hat. Seitdem haben beide Aktien deutlich an Wert verloren.

Verschenkte Aktien

Dass sich Konzerne von einzelnen Sparten trennen, ist nicht ungewöhnlich. Im günstigsten Fall wird der Geschäftsbereich direkt an einen Wettbewerber verkauft. Das bringt meist die höchsten Erlöse, weil der Käufer ein strategisches Interesse hat und durch die Integration der Übernahme Kosten senken kann.

Die Alternative ist ein Börsengang. Dabei verkauft der Mutterkonzern die Aktien der Sparte an viele kleine Investoren. Insbesondere in einem schwachen Börsenumfeld wird es auf diesem Weg allerdings schwer, einen optimalen Preis zu erzielen.

Der letzte Ausweg ist ein Spin-off. Aus Sicht des Mutterkonzerns ist das die unattraktivste Lösung, weil die Papiere der neuen Gesellschaft gratis verteilt werden und somit kein Geld in die Kasse bringen. Anlegern bietet der Spin-off dagegen die Chance, in einen unpopulären und darum niedrig bewerteten Turnaround-Kandidaten zu investieren. Die ersten Tage an der Börse sind für Spin-offs turbulent. Viele Investoren interessieren sich nur für den Mutterkonzern. Indexfonds sind sogar verpflichtet, sich von den Spin-offs zu trennen. Anleger mussten sich somit auf zunächst ungewöhnlich hohe Kursschwankungen einstellen. Bei Siemens Energy kalkuliert man, dass in den ersten Wochen rund ein Drittel der Papiere den Besitzer wechseln könnten.

Damit es mit der neuen Aktie nachhaltig nach oben geht, muss sich das operative Geschäft verbessern. Auf eigenen Beinen kann das leichter gelingen als in einem komplizierten Konglomerat, in dem Investitionen oft in die großen und darum intern mächtigen Sparten gelenkt werden. "Als eigenständiger Konzern haben wir nun die notwendige unternehmerische Flexibilität, um die weltweite Transformation der Energiemärkte nachhaltig und wirtschaftlich erfolgreich mitzugestalten", betont der Vorstandschef von Siemens Energy, Christian Bruch. Die Energiesparte war innerhalb des Siemens-Konglomerats ein Problemfall. Der niedrige Ölpreis belastet das Geschäft, die Nachfrage nach großen Gasturbinen, die lange ein wichtiger Umsatztreiber waren, fiel 2018 auf ein 20-Jahres-Tief. Die Leistung im operativen Geschäft sei über die vergangenen Jahre enttäuschend gewesen, konstatierte die Deutsche Bank zum Börsenstart von Siemens Energy.

Die Basis für eine Wende im operativen Geschäft ist aber gelegt: Erneuerbare Energien sollen eine wachsende Rolle spielen, etwa durch die Mehrheitsbeteiligung am Windturbinenhersteller Gamesa. Von Kurssteigerungen bei Siemens Energy würde übrigens auch der Mutterkonzern profitieren. Der hält noch immer 35 Prozent der Aktien und dürfte die Papiere zu einem späteren Zeitpunkt auf den Markt werfen. Dann aber gegen Bezahlung.
 


INVESTOR-INFO

Siemens Energy

Gewinne in Sichtweite

Siemens Energy ist ein typischer Spin-off: Ein Unternehmen mit etlichen Problemen, aber auch der Aussicht auf eine Trendwende. Für das Ende September abgelaufene Geschäftsjahr kalkulieren Analysten für die Berliner mit einem Nettoverlust von knapp einer Milliarde Euro. Danach werden schwarze Zahlen erwartet. Die Aktie blieb beim Spin-off unter dem von Analysten erwarteten Niveau. Das durchschnittliche Kursziel der Börsenprofis liegt gegenwärtig bei 27 Euro.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 26,00 Euro
Stoppkurs: 18,00 Euro

Uniper

Übernahme rückt näher

Einige Spin-offs werden bald nach ihrem Start in die Unabhängigkeit zu Übernahmekandidaten. Bei Uniper hatte der Energiekonzern Eon im Jahr 2016 sein Kraftwerks- und Handelsgeschäft ausgelagert. Inzwischen hat der finnische Versorger Fortum mit 75 Prozent der Anteile die Kontrolle übernommen. Ein realistisches Szenario ist eine Komplettübernahme. Dann dürften Kurse über 30 Euro für die Uniper-Aktie drin sein. Aktuell gibt es eine Dividendenrendite, die deutlich über dem DAX-Niveau liegt.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 33,00 Euro
Stoppkurs: 24,00 Euro

Squad Aguja Opportunities

Für besondere Fälle

Die Kölner Fondsmanager suchen nach Aktien, aber auch Anleihen und Derivaten, die durch Sondersituationen überdurchschnittliches Potenzial bieten. Möglichkeiten sieht der Squad Aguja Opportunities unter anderem bei Übernahmen, Wechseln im Management eines Unternehmens oder auch Spin-offs. Rund ein Drittel des Fonds war zuletzt in Wertpapiere aus Deutschland investiert. Zu den größten Positionen zählten die Social-Media-Plattform Pinterest und Xetra-Gold.