Die Nachrichtenlage rund um den Audiostreamingdienst Spotify ist derzeit - vorsichtig ausgedrückt - nicht gerade die Beste: Die Kontroverse um den Podcast "The Joe Rogan Experience", berühmte Musiker boykottieren die Plattform, und nun auch noch eine verfehlte Prognose und ein abgestürzter Aktienkurs. Was ist da los?
1. Die Prognose: Im laufenden Quartal dürfte die Zahl der zahlenden Nutzer bei 183 Millionen liegen, teilte das schwedische Unternehmen am Mittwochabend nach US-Börsenschluss mit. Experten hatten jedoch mit 184 Millionen gerechnet. Insgesamt rechnet Spotify mit 418 Millionen monatlich aktiven Nutzern.
Finanzchef Paul Vogel versuchte, die Wogen zu glätten. "Wir haben zwar keine Jahresprognose zu den Abonnenten mehr abgegeben, aber wir erwarten keinen wesentlichen Unterschied bei den Netto-Neuzugängen von Nutzern oder Abonnenten im Jahr 2022 im Vergleich zu 2021", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Spotify verwies zudem auf die starke Entwicklung im vergangenen Quartal, mit der ein Teil der erwarteten Zuwächse früher eingetreten sei. Spotify-Chef Daniel Ek sieht für Spotify das Potenzial, die Marke von einer Milliarde Nutzer zu erreichen.
Im vergangenen Vierteljahr stieg die Zahl der Abo-Kunden bei Spotify binnen drei Monaten von 172 auf 180 Millionen. Die Nutzerzahl insgesamt wuchs von 381 auf 406 Millionen.
2. Der Aktienkurs: Die in New York notierte Spotify-Aktie brach im nachbörslichen Handel zunächst 22 Prozent ein, konnte die Verluste später aber etwas eingrenzen. Bei US-Markteröffnung am Donnerstagnachmittag stand ein Minus von 14 Prozent zu Buche.
Die Enttäuschung der Anleger über die erwarteten Abonnenten rückte dabei den Umsatz in den Hintergrund. Dieser stieg im abgelaufenen vierten Quartal auf knapp 2,7 Milliarden Euro von 2,17 Milliarden Euro im Vorjahr. Von Refinitiv befragte Analysten hatten mit 2,65 Milliarden Euro gerechnet. Spotify begründete den Anstieg mit dem Verkauf von mehr Werbung und neuen Angeboten wie etwa Podcasts.
Spotify setzt massiv auf die Sendungen und hat in den vergangenen vier Jahren mehr als eine Milliarde Euro in diesen Bereich investiert. Die Nutzung von Podcasts stieg laut den Schweden auf ein Rekordhoch.
3. Die Kritik: Wissenschaftler und Mediziner hatten dem Moderator Joe Rogan des Podcasts "The Joe Rogan Experience" vorgeworfen, Falschaussagen zur Corona-Pandemie und Covid-19-Impfungen zu verbreiten. Rogan ist nach einem Exklusiv-Deal nur noch bei Spotify zu hören. Der Streaming-Dienst lockte ihn Medienberichten zufolge mit 100 Millionen US-Dollar (88,5 Millionen Euro) an. Rogan hatte sich entschuldigt und Spotify kündigte an, Folgen mit Covid-19 als Inhalt mit einem Warnhinweis zu versehen.
Ek sagte zu Reuters, man habe aus dem Vorfall gelernt. Er sei stolz darauf, was Spotify nach der Kritik der Wissenschaftler unternommen habe. So seien mit Hilfe von Experten Richtlinien erarbeitet worden. "Joe hat zwar ein riesiges Publikum, er ist in mehr als 90 Märkten die Nummer Eins unter den Podcasts, aber er muss sich auch an diese Richtlinien halten." Keine andere Podcast-Plattform gehe soweit, betonte der Gründer und Chef in einer Telefonkonferenz mit Analysten.
4. Der Boykott: Aus Protest gegen den Podcast Rogans hatten berühmte Musiker wie Neil Young und Joni Mitchell ihre Lieder von dem Streamingdienst zurückgezogen. Es sei noch zu früh, mögliche Auswirkungen der Kontroverse und des Künstler-Boykotts auf das Spotify-Geschäft einzuschätzen, sagte Ek. Er habe aber ein gutes Gefühl angesichts der ergriffenen Maßnahmen. Spotify wolle eine Balance zwischen der Redefreiheit der Podcaster und der Sicherheit der Nutzer finden.
Einschätzung zur Spotify-Aktie
Seit dem Börsengang vor fast vier Jahren hat die Spotify-Aktie 21 Prozent zugelegt. Von der Corona-Krise hat Geschäft und Aktienkurs profitiert - eine Corona-Delle wie bei vielen anderen Unternehmen ist beim Chart der Spotify-Aktie nicht erkennbar. Im Gegenteil: 2020 legte das Papier von 136 auf 262 Euro zu. Von seinem Allzeithoch bei 300 Euro im Februar vergangenen Jahres hat sich der Kurs allerdings mittlerweile mehr als halbiert.
Die Aussichten für Spotify sind indes weiterhin aussichtsreich. Die Schweden sind bei Podcasts und Musikstreaming führend, gut im Markt positioniert. Mutige Anleger sehen den Rücksetzer als Kaufgelegenheit.
fh/rtr/dpa-AFX