Am Jahresende werde man sehen, was an Handlungsspielraum da sei. Dagegen fordern Arbeitgeber, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Oppositionsvertreter eine Entlastung der Steuerzahler. Einige Ökonomen sowie SPD und Linkspartei machen sich dagegen für höhere Investitionen stark.

"Der Staat sollte den Steuerzahlern etwas zurückgeben", sagte der CSU-Politiker Söder dem RedaktionsNetzwerkDeutschland (Samstagausgaben). "Die Mittelschicht muss wieder mehr im Portemonnaie haben. Wir sollten den Soli früher abbauen." Auch in der Opposition gibt es Stimmen für eine Entlastung. "Wann endlich kommt mal eine echte Entlastung der Bürgerinnen und Bürger?" fragte der FDP-Vorsitzender Christian Lindner auf Twitter. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer bläst ins selbe Horn: "Jetzt wäre genau der richtige Zeitpunkt, dass der Finanzminister und die SPD die Rentendebatte der zuständigen Kommission überlassen, dafür aber eine notwendige Entlastungsdebatte beginnen: deutliche Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags, Abbau der kalten Progression und vollständiger Abbau des Soli."

Die SPD mahnt dagegen, die Weichen für die Zukunft zu stellen - "durch mehr Investitionen, durch dauerhaft stabile Renten, durch bezahlbare Mieten, eine verbesserte Pflege und mehr Investitionen in Bildung und Forschung", wie ihr Bundestagsfraktionsvize Achim Post betonte. "Die finanziellen Gestaltungsspielräume sind da. Umso fataler und unverantwortlicher ist es, wenn CDU und CSU bei zentralen Projekten wie Verbesserungen bei der Rente oder der Weiterbildung auf der Bremse stehen." Die Linkspartei fordert beispielsweise mehr Geld für Schulen und Kitas. "Hier sind weitere Anstrengungen nötig", betonte ihr wirtschaftspolitischer Sprecher Klaus Ernst.

Auch Ökonomen geben unterschiedliche Ratschläge, wie das Geld am besten verwendet werden soll. "Die riesigen Überschüsse bei den Einnahmen für den Staat wecken Begehrlichkeiten", sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. "Eine kluge Investitionsoffensive in Infrastruktur, Bildung und Innovation ist notwendig." Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sagte: "Es wird Zeit, dass gerade in der Arbeitslosenversicherung die Beiträge gesenkt werden".

ZURÜCKHALTUNG IM FINANZMINISTERIUM



Hohe Steuereinnahmen, moderate Ausgaben und sinkende Zinskosten bescherten dem Staat die Rekordbilanz. Der Überschuss von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherung lag damit bereits zur Jahresmitte deutlich über dem im Gesamtjahr 2017 erzielten Plus von 34 Milliarden Euro, dem bislang höchsten seit der Wiedervereinigung.

Im Bundesfinanzministerium wird das Ergebnis allerdings relativiert. Angesichts weltwirtschaftlicher Unsicherheiten sei Vorsicht geboten, sagte Ressortchef Scholz. Es handele sich um ein vorläufiges Resultat, das zudem für das erste Halbjahr meist wesentlich positiver ausfalle als für das zweite, hieß es in seinem Haus. Außerdem fehlten in der Berechnung die Rentenanpassung vom Juli, die kürzlich beschlossenen Dürrehilfen sowie die Belastungen für die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein durch die HSH Nordbank. Darüber hinaus habe es wegen der langen Regierungsbildung im ersten Halbjahr nur eine vorläufige Haushaltsführung gegeben, in der naturgemäß weniger Geld ausgegeben werden konnte.

Der Überschuss ist in erster Linie der guten Konjunktur geschuldet. "Die Haushalte von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherung konnten weiter von einer günstigen Beschäftigungs- und Wirtschaftsentwicklung sowie einer moderaten Ausgabenpolitik profitieren", erklärte das Statistische Bundesamt. Die Wirtschaft dürfte 2018 das neunte Jahr in Folge wachsen. Im Frühjahr gewann sie an Tempo: Im zweiten Quartal wuchs das Bruttoinlandsprodukt um 0,5 Prozent. Wegen der guten Konjunktur schreibt der Staat bereits seit 2014 schwarze Zahlen. In den ersten sechs Monaten trugen alle staatlichen Ebenen zum positiven Budget bei. Der Bund wies mit rund 19,5 Milliarden Euro den größten Überschuss aus. Die Länder erzielten ein Plus von 13,1 Milliarden Euro, die Sozialversicherungen von 9,0 Milliarden und die Kommunen von 6,6 Milliarden Euro.

Die gesamten Einnahmen des Staates erhöhten sich im ersten Halbjahr um 5,0 Prozent zum Vorjahreszeitraum. Der Zuwachs bei den Steuereinnahmen - der wichtigsten Erlösquelle - blieb mit 5,2 Prozent hoch, wobei der Anstieg bei den Einkommen- und Vermögensteuern mit 7,2 Prozent den der Produktions- und Importabgaben (plus 2,7 Prozent) übertraf. Die gute Beschäftigungsentwicklung lies die Einnahmen bei den Sozialbeiträgen um 4,2 Prozent wachsen. Die Ausgaben nahmen um 1,2 Prozent zu. "Zudem sind die staatlichen Zinsausgaben wegen des weiterhin sehr niedrigen Zinsniveaus und eines gesunkenen Schuldenstandes erneut zurückgegangen", hieß es. Sie fielen um 8,7 Prozent. Die Investitionsausgaben nahmen um 12,3 Prozent zu, die Personalausgaben um vier Prozent.

rtr